Mülheim. Im fast 500 Jahre alten Tersteegenhaus in der Mülheimer Altstadt bessern Zimmerleute das Fachwerk aus. Warum keine neuen Hölzer verwendet werden.

Wo Holzwurm und Hausschwamm ganze Arbeit geleistet haben, ist nichts mehr zu machen: Diese Balken und Hölzer werden entsorgt. Aber im Tersteegenhaus auf dem Mülheimer Kirchenhügel gibt es noch genug altes Holz, das den Jahrhunderten seit seiner Errichtung anno 1530 getrotzt hat. Zimmerleute bessern derzeit die Fachwerk-Balken aus, ergänzen oder ersetzen sie ganz. Eine aufwändige Arbeit, die man von außen nicht sieht. Aber erst, wenn das Fachwerk, das „Gerüst“ des fast 500 Jahre alten Hauses innen wieder steht, können außen die Gerüste auch abgebaut werden. Im Sommer soll das der Fall sein.

Stockwerk für Stockwerk gehen die Zimmerleute der mit Fachwerk erfahrenen Firma Haveloh aus Ahaus derzeit vor. Das Tersteegenhaus wird zusätzlich noch von innen abgestützt, bis die Ersatzbalken fertig montiert sind. Die Eichen, die die „neuen“ Balken spenden, wurden auch schon vor über 100 Jahren gefällt: Im kleinen Hof lagern ausgebaute Hölzer alter Scheunen und Höfe, die für das Tersteegenhaus neu verwendet werden. Es gibt einige wenige Zimmereien, spezialisiert auf Fachwerksanierungen, die altes Holz aus historischen Gebäuden bergen und lagern, erklärt der Architekt Christof Welke: „Diese Eichenbalken sind gut abgelagert und trocken“, da gebe es später keine Probleme mit Rissen wegen feuchter Hölzer.

Im Juli/August sollen am Mülheimer Tersteegenhaus die Gerüste abgebaut werden

Das Unternehmen Welke aus Remscheid, beauftragt mit dem ersten Bauabschnitt, ist zuversichtlich, dass die Außengerüste im Juli, August abgebaut sein werden. Der erste Bauabschnitt sei im Plan und soll im Sommer beendet sein, bestätigt Projektleiterin Hatice Sezen-Singh, Architektin beim Mülheimer Immobilienservice. Das Tersteegenhaus gehört der Stadt und ist eines der vermutlich ältesten Gebäude Mülheims. Was es alles schon erlebt hat, erkennt Fachmann Welke: „Hier sieht man etwa einen Brandschaden, der ist sicher auch schon über 200 Jahre her“, deutet er auf eine für den Laien eher unauffällige Stelle am Fachwerk.

Freier Blick bis unters Dach: Die Zimmerleute gehen im Mülheimer Tersteegenhaus beim Innenausbau Stockwerk für Stockwerk vor. Noch muss das Gebäude bis zum Ersatz aller Holzbalken auch von innen abgestützt werden.
Freier Blick bis unters Dach: Die Zimmerleute gehen im Mülheimer Tersteegenhaus beim Innenausbau Stockwerk für Stockwerk vor. Noch muss das Gebäude bis zum Ersatz aller Holzbalken auch von innen abgestützt werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

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Bis das neu aufgebaute Haus das kleine Heimatmuseum der Stadt wieder aufnehmen kann, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen. „Das ist ja hier wie in einem Freilichtmuseum, das geht nicht so schnell“, schmunzelt Welke. Es ist ja alles Handarbeit, Fertigbauteile etwa kommen nicht in Frage für das denkmalgeschützte Tersteegenhaus, das wie im 16. Jahrhundert wieder aufgebaut werden soll. Laut Investitionsplan ist eine Fertigstellung des alten Hauses für das dritte Quartal 2024 anvisiert. Die Planungen für die Sanierungsschritte zwei und drei sind für dieses Jahr geplant; Fördermittel von Land und Bund sollen dafür beantragt werden.

Der Anbau auf der Rückseite an der Mülheimer Teinerstraße wird noch abgerissen

Nach dem ersten Bauabschnitt soll mit dem zweiten Bauabschnitt das Ausmauern des „Gefachs“ (des Raums zwischen den Holzbalken) mit Lehmziegeln erfolgen, erklärt Architekt Welke, später werde dann mit Kalkputz verputzt. Neue Fenster werden eingebaut, später wird auch das Dach neu gedeckt. Für diese Schritte müsse dann aber wieder ein Gerüst aufgebaut werden. Damit wird aber erst im kommenden Jahr gerechnet.

Dieser Balken hat es hinter sich: Der Original-Eichenbalken aus der Bauzeit um 1530 im Mülheimer Tersteegenhaus ist von Wurmlöchern durchzogen und muss entsorgt werden.
Dieser Balken hat es hinter sich: Der Original-Eichenbalken aus der Bauzeit um 1530 im Mülheimer Tersteegenhaus ist von Wurmlöchern durchzogen und muss entsorgt werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was nicht zum Original-Tersteegenhaus gehört, ist der auf der Rückseite des Gebäudes an der Teinerstraße befindliche Anbau aus den 1950er Jahren. Dieser wird im dritten Bauabschnitt abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden, durch den das Tersteegenhaus später dann auch betreten werden soll. Der zweite und der dritte Bauabschnitt sollen zeitgleich durchgeführt werden, plant der Immobilienservice.

Moderner Anbau soll barrierefrei werden

Im dann neuen Anbau werde es einen barrierefreien Zugang geben, einen Aufzug, auch moderne Sanitäranlagen, erklärt Markus Püll, Vorsitzender des Freundes- und Förderkreises Heimatmuseum Tersteegenhaus. „Uns ist es auch wichtig, ein kleines Entrée zu haben, eventuell auch einen kleinen Büroraum.“ Bürgermeister Püll stellt sich im Eingangsbereich eine Gestaltung mit Kräutern vor. Denn Gerhard Tersteegen (1697 – 1769), der Kirchenlieddichter, Mystiker und Laienprediger, der im 18. Jahrhundert in Mülheim wirkte, war auch in der Heilkunst versiert.

Die alte Eingangstür zum Petrikirchenhaus hin soll später verschlossen werden, die Treppe dort bleibt allerdings erhalten. Dort könnte dann auch künftig wieder zu St. Martin das traditionelle „Chrubbel-Chrabbel“ stattfinden, das Verteilen von Süßigkeiten an die Kinder durch die Bürgergesellschaft „Mausefalle“, kündigte Püll an.

Öffentliche Begehung für Interessierte geplant

Die Stadt und der Freundes- und Förderkreis Heimatmuseum Tersteegenhaus planen etwa nach den Osterferien eine öffentliche Begehung des Tersteegenhauses, wobei interessierten Bürgern und Nachbarn der Baufortschritt erläutert werden soll.Wer an einer Innenbesichtigung interessiert ist, kann sich dafür beim Freundes- und Förderkreis Heimatmuseum Tersteegenhaus per E-Mail melden/anmelden unter markus-puell@t-online.de.Mehr Info unter: heimatmuseum-tersteegenhaus.de.