Mülheim. Landmarke, Aussichtspunkt, Atelier: Der Mülheimer Bismarckturm ist derzeit nicht zu nutzen. Die Stadt hofft, ihn mit Fördermitteln zu sanieren.
Der über 27 Meter hohe Bismarckturm auf dem Kahlenberg ist eine Mülheimer Landmarke. Eingeweiht vor über 112 Jahren, konnte er lange Zeit als Aussichtsturm bestiegen werden. „Wer ihn erklimmt, wird mit einem grandiosen Panorama belohnt: über die Mülheimer City bis nach Duisburg und Oberhausen am westlichen Horizont“ - heißt es in einem alten Internetartikel. Diese Zeiten sind lange vorbei. Im Jahr 2018 sperrte die Stadt das Gebäude komplett, weil sich Steine lösten. Seither wird über eine Sanierung gesprochen – getan hat sich bisher nichts.
Und das wird wohl auch noch eine lange, lange Zeit so bleiben, schätzt Frank Buchwald, der Leiter des städtischen Immobilien-Service. Denn es gibt ja schon ein großes Sanierungsprojekt in Mülheim, das auch auf öffentliche Förderung angewiesen ist und viel Geld verschlingen wird: das fast 500 Jahre alte Tersteegenhaus auf dem Kirchenhügel.
Das Tersteegenhaus auf dem Mülheimer Kirchenhügel wird zuerst saniert
„Da sind wir mitten in der Sanierung“, so Buchwald. Die Planungen für die Sanierungsschritte zwei und drei sind für das kommende Jahr vorgesehen, Fördermittel dafür von Land und Bund sollen Mitte 2022 beantragt werden. Man rechne mit maximal 200.000 Euro vom Land und 500.000 vom Bund. „Wenn wir ein zweites Bauvorhaben anmelden, würde das Geld dafür sehr wahrscheinlich aufgeteilt werden“, erklärt Buchwald. Die Fördertöpfe seien erfahrungsgemäß überzeichnet, so Buchwald. Es sei eher unüblich, dass bei einer Stadt in der Größe Mülheims zwei Maßnahmen gleichzeitig gefördert würden. Der Turm sei ja auch nicht einsturzgefährdet, er werde abgestützt. Ein Zaun schützt zudem die Spaziergänger.
Das Studierenden-Projekt der HRW habe die Planung um den Bismarckturm nicht weiter gebracht, bedauert Frank Buchwald. „Wir werden die Steine abnehmen müssen, um zu sehen, was darunter ist“, beschreibt er die Komplexität des Vorhabens. „Es gibt ja keine Baupläne mehr, die die tragende Konstruktion darstellen. Ohne eine so genannte zerstörende Prüfung kommen wir hier nicht weiter.“
Der Mülheimer Bismarckturm ist derzeit kein offizielles IGA-Projekt mehr
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Doch dafür braucht es Geld, das die Stadt nicht hat. Also müssen andere Fördertöpfe her. Im Dezernat für Umwelt, Planen und Bauen haben sie sich schon lange Gedanken darüber gemacht. „Die Sanierung des Turms ist ein Millionenprojekt“, sagt Klaus Beisiegel, Referent im Baudezernat. Für die Internationale Gartenausstellung Metropole Ruhr 2027 (kurz: IGA 2027) stand der Bismarckturm schon auf der Liste der 52 Projektideen. Eine „Sanierung und Ertüchtigung als Aussichtsturm“ – so lautete der ansprechende Vorschlag. Der Turm hat es aber bisher nicht in die beiden vom Rat verabschiedeten Projekt-Komplexe geschafft, in die nun acht bis zehn der 52 Ideen einfließen sollen. Er ist derzeit kein offizielles IGA-Projekt mehr.
Bleibt der Bismarckturm also eingerüstet auf dem Kahlenberg in seinem Dornröschenschlaf? Die Stadt hat den Turm weiter auf dem Schirm. Denkmalfördermittel seien zwar eine Möglichkeit, so Beisiegel. Doch hier seien die Fördermittel für ein weiteres Großprojekt neben dem Tersteegenhaus eben nicht in so kurzer Zeit zu bekommen. Man hoffe jetzt auf Mittel aus dem Städtebauförderprogramm für 2022 oder 2023, ein integriertes Konzept solle dafür geschrieben werden. „Wir versuchen das jetzt mal und schauen, ob es für den Bereich, auf dem auch der Bismarckturm steht, Sinn macht“, sagt Klaus Beisiegel. Die Städtebauförderung hätte zudem den Vorteil, dass bis zu 80 Prozent der Kosten gefördert werden könnten. Bei einer Denkmalförderung sind es nur 50 Prozent.
Als Atelier wurde der Turm zuletzt genutzt
Viele Bismarcktürme stehen noch in NRW
Bismarcktürme sind Denkmale in Form eines Turms, um den Politiker Otto von Bismarck (1815 - 1898), den ersten Reichskanzler des Deutschen Reiches, zu ehren. Der Mülheimer Turm wurde im April 1909 eingeweiht.Mit der Geschichte des Bismarckturms beschäftigt sich das Infoportal bismarcktuerme.net. Demnach gibt es in NRW noch 31 Bismarcktürme.„Der auf dem Kahlenberg (76 m über NN) in Mülheim an der Ruhr errichtete Bismarckturm war der einzige, der zwecks Befeuerung mit einem ,elektrischen Beleuchtungskörper’ versehen worden war“, schreibt das Infoportal bismarcktuerme.net.
Zuletzt wurde der Bismarckturm als Ausstellungsraum und Atelier über alle Stockwerke genutzt. Wer die Aussichtsplattform des Turms besuchen wollte, kam dann automatisch auch an den Werken des Mülheimer Künstlers Jochen Leyendecker vorbei. Leyendecker war es auch, dem als erstes die Risse in der ersten Etage aufgefallen sind. Nachdem Leyendecker die Schäden an die Stadt gemeldet hatte, musste der Mülheimer Künstler seine Wirkungsstätte aus Sicherheitsgründen verlassen, er arbeitet inzwischen in Speldorf.
„Ich habe mich“, so Jochen Leyendecker, „im Bismarckturm immer sehr wohl gefühlt. Ich war da ja quasi zu Hause.“ Jochen Leyendecker bedauert bis heute, dass er den Bismarckturm verlassen musste: „Das war ein sehr schönes Spiel zwischen den Besuchern, die die Aussicht sehen wollten, in Verbindung mit der Kunst. Da kamen viele gute Gespräche auf.“ Als Atelier, so Leyendecker, „ist der Bismarckturm eine tolle Location.“