Gelsenkirchen. NRW wählt heute einen neuen Landtag. Vier Kandidierende aus Gelsenkirchen haben bei der Landtagswahl besonders gute Chancen.

  • Die Wahllokale in Gelsenkirchen haben geöffnet: Bei den Landtagswahlen 2022 am heutigen 15. Mai entscheidet sich, wer Gelsenkirchen künftig in Düsseldorf vertreten darf.
  • Gleich vier Kandidierende aus Gelsenkirchen haben gute Chancen, dem nächsten Landesparlament anzugehören.
  • Gute Chancen, schlechte Karten: Wir stellen die Direktkandidierenden aus der Stadt noch einmal vor und beantworten, wie gut ihre Chancen sind.

Aktuell ist Gelsenkirchen mit zwei Landtagsabgeordneten in Düsseldorf vertreten, aber die Chancen stehen gut, dass sich diese Zahl am 15. Mai verdoppelt. Natürlich ist die Wahl noch nicht entschieden, aber glaubt man den Umfragen der vergangenen Wochen, dann haben gleich vier Gelsenkirchener Kandidierende, alle unter 40 Jahre alt, besonders gute Chancen, die Stadt künftig in der Landeshauptstadt vertreten zu können: Sebastian Watermeier und Christin Siebel (beide SPD) sowie Enxhi Seli-Zacharias (AfD) und Ilayda Bostancieri (Grüne).

29 Parteien sind in Gelsenkirchen über die Zweitstimme wählbar

29 Parteien sind am Sonntag in Gelsenkirchen per Zweitstimme wählbar – von den sechs großen, derzeit im Bundestag vertretenen Parteien bis zu Kleinstparteien wie die Partei für Gesundheitsforschung, die Europäische Partei Liebe oder Team Todenhöfer.

Längst nicht alle dieser Parteien haben in Gelsenkirchen einen über die Erststimme wählbaren Direktkandidierenden für die beiden Wahlkreise in Gelsenkirchen aufgestellt, den Wahlkreis 73 - Gelsenkirchen I - Recklinghausen (Nord) und den Wahlkreis 74 - Gelsenkirchen II (Süd). Im Norden sind über die Erststimme nur acht, im Süden neun Politikerinnen und Politiker direkt wählbar.

Landtagswahl 2022: Dafür stehen die SPD-Kandidierenden aus Gelsenkirchen

Darunter sind selbstverständlich zwei Köpfe der SPD. Die Sozialdemokraten, die in Gelsenkirchen sogar in schwierigeren Zeiten ihrer Partei-Geschichte bei den Landtagswahlen deutlich gewonnen haben, stellen sich auf einen erneuten Sieg ein. Für den 37 Jahre alten Ückendorfer Sebastian Watermeier wäre es die zweite Legislaturperiode in Düsseldorf, die 36-jährige Nord-Kandidatin Christin Siebel würde als neues Gesicht die bisherige Abgeordnete Heike Gebhard ablösen.

Watermeier hatte bislang als SPD-Sprecher für Europa und Internationales seine wichtigste Rolle in Düsseldorf. „Ich schließe nicht aus, dass ich im Fall meiner Wiederwahl auf diesem Themenfeld bleibe“, sagt er – auch um das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit mit den Folgen der Armutsmigration nach Gelsenkirchen noch mehr in den Fokus zu rücken. Sollte Christin Siebel ebenfalls gewählt werden, werde er sich in Sachen Ausschussbesetzung jedoch eng mit ihr absprechen, um möglichst viele politische Felder mit dem Gelsenkirchener Blickwinkel abzudecken, so Watermeier.

Siebel würde sich vermutlich in der Bildungs- und Familienpolitik am wohlsten fühlen. Als Vorsitzende der Gelsenkirchener Falken habe sie mit vielen Familien aus prekären Verhältnissen zu tun gehabt, sagt sie. „Ich will Chancen unabhängig vom Geldbeutel.“

Die AfD: Gelsenkirchenerin Enxhi Seli-Zacharias kann mit Landtagsmandat rechnen

In Gelsenkirchen von Erfolg verwöhnt ist ebenfalls die AfD. Die rechtspopulistische Partei fährt in der armen und integrationspolitisch vor Herausforderungen gestellten Emscherstadt regelmäßig ihre stärksten Ergebnisse in NRW ein. Bei den politischen Gegnern der AfD ist die Hoffnung groß, dass sie es am Ende auch in Nordrhein-Westfalen nicht in den Landtag schafft. Schließlich ist genau das zuletzt in Schleswig-Holstein passiert, wo die AfD erstmals wieder aus einem Landesparlament geflogen ist.

In Umfragen jedoch liegt die AfD stabil bei sieben Prozent. Es wäre eine große Überraschung, sollte sie es in NRW nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen – und es wäre der einzige Weg, der für die Gelsenkirchenerin Enxhi Seli-Zacharias doch nicht in den Landtag führen würde. Die 28-jährige migrations- und ordnungspolitische Hardlinerin ist mittlerweile eines der prominentesten Gesichter des AfD-Landesverbandes, die gebürtige Albanerin und Stadtverordnete ziert mit ihrer „Mannschaft" landesweit Großflächenplakate und wurde auf einen komfortablen Platz sieben der AfD-Landesliste gewählt. Für Friedhelm Rikowski, der AfD-Kandidat im Norden, stehen die Chancen weitaus schlechter – er hat keinen Listenplatz und müsste das Direktmandat holen.

Grünen-Kandidatin will in Düsseldorf gegen Diskriminierung eintreten

Für die Grünen dagegen ist Gelsenkirchen traditionell ein schwieriges Pflaster, bei den Landtagswahlen 2017 lag ihr gesamtstädtisches Ergebnis unter vier Prozent. Aktuellen Umfragen zufolge könnte die Umweltpartei ihre Stimmen nun allerdings landesweit verdreifachen. Mindestens 30 Abgeordnete werden die Grünen somit voraussichtlich in den Landtag entsenden können – Ilayda Bostancieri (Listenplatz 27 und 27 Jahre alt) aus dem Gelsenkirchener Süden hätte dann einen neuen Job.

Das Enkelkind türkischer Gastarbeiter möchte „besonders für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind“, eintreten. Im Landtagswahlkampf hat die Familienhelferin auffällig viele öffentliche Talks mit Parteifreunden veranstaltet – zu Themen wie Gewalt gegen Frauen, zu sexueller Vielfalt oder Rassismus in Sicherheitsbehörden. Ein Strauß aus typischen Grüne-Jugend-Themen. Niklas Witzel, Nord-Kandidat mit einem ähnlichen politischen Profil, hat ohne Listenplatz wenig Chancen auf ein Mandat.

CDU und FDP Gelsenkirchen: Nachwuchs trifft auf Erfahrung

Mit wenig aussichtsreichen Listenplätzen zufriedengeben mussten sich zudem die Direktkandidierenden von der Union und der FDP. Für die CDU treten Michael Schmitt (24 Jahre alt, Süden, Listenplatz 92) und Markus Karl (51 Jahre alt, Norden, Listenplatz 67) an, für die FDP Isabell Scharfenstein (30 Jahre alt, Süden, Platz 90) und Ralf Robert Hundt (57 Jahre alt, Norden, Platz 94). Sie alle müssten den Wahlkreis in Gelsenkirchen gewinnen, um in Düsseldorf Politik machen zu können.

In den Duos beider Parteien reichen sich erfahrene Lokalpolitiker und ambitionierter Nachwuchs die Hände – wobei das eigentlich zu freundschaftlich klingt für die aktuelle Stimmung in der FDP von Bundesjustizminister Marco Buschmann: Am Wahlsonntag feiert man getrennt, ein Teil der Liberalen im Norden, der andere im Süden. Seitdem Süd-Kandidatin und Grundschullehrerin Isabell Scharfenstein Ende März überraschend den Vize-Posten des Kreisverbandes ergriff, wollen sich Partei-Jugend und Alt-Liberale nicht mehr so ganz vertragen.

Bei der CDU kommen die unterschiedlichen Generationen augenscheinlich besser miteinander aus – und man will sich politisch ergänzen: Michael Schmitt positioniert sich als Ordnungs-, Markus Karl seit Jahren als Bildungspolitiker.

Weitere Direktkandidierende

Für die Linkspartei treten in Gelsenkirchen als Direktkandidierende an: Jonas Selter (Süden) und Philipp Euler (Norden). Direkt wählbar sind in Gelsenkirchen im Wahlkreis Nord zudem Lisa Gärtner von der MLPD und Valentin Zill von der DKP. Im Süden treten zudem Frank Perlik (Freie Wähler), Stefan Engel (MLPD) und Kai Bastek (Volt) an.Infos zu allen Parteien und zur Landtagswahl gibt es auf waz.de/gelsenkirchen. Dort berichten wir am Wahlsonntag auch in einem Live-Blog.