Gelsenkirchen. Zur Landtagswahl 2022 treten in Gelsenkirchen auch Kandidaten kleiner Parteien an. Ihre Ideen: Schulfach Achtsamkeit oder mehr Geld fürs Fleisch.

Die „Sonstigen“ sind in den aktuellen Umfragen zur Landtagswahl 2022 zusammengefasst in etwa so stark wie die AfD oder die FDP – und locker doppelt so stark wie die krisengeplagte Linke. Sollte der Wählerwille am 15. Mai also für keine großen Überraschungen zu haben sein, wird es für Parteien wie Volt, die Freien Wähler, die MLPD, die DKP oder Team Todenhöfer schwierig, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

Jene Parteien haben trotz ihrer Außenseiter-Rollen dennoch Direktkandidierende in Gelsenkirchen aufgestellt – mit Ausnahme der selbst ernannten Gerechtigkeitspartei des polarisierenden Publizisten und früheren CDU-Abgeordneten Jürgen Todenhöfer. Dafür mischt auf ihrer Landesliste ein Gelsenkirchener weit oben mit.

Team-Todenhöfer-Kandidat: „Wir brauchen eine Schule, die vorbereitet aufs Leben“

Omar El-Zein – Kind einer libanesischen Flüchtlingsfamilie, geboren in Gelsenkirchen und auf Platz fünf der Todenhöfer-Landesliste – ist erst 21 Jahre alt und der Meinung: „Die Jugend wird vernachlässigt.“ Der gelernte Kaufmann sagt: „Viele erwachsene Leute sagen, dass es an Respekt und Anstand bei der heutigen Jugend fehlt, dass die Jungen zu wenig Rücksicht auf andere nehmen.“ Statt die Verantwortung bei der Jugend zu suchen, will El-Zein lieber politisch einlenken – zum Beispiel mit Fächern wie Achtsamkeit in den Schulen. Ohnehin will er den Lehrplan umkrempeln und lebensnaher gestalten, mit Unterrichtsinhalten wie Zeitmanagement, Lebensorganisation, Hauswirtschaft. „Wir brauchen eine Schule, die vorbereitet auf das Leben.“ Was laut El-Zein dazu gehört: Eine „deutliche Aufwertung des Lehrerberufs“.

Dies finde sich zwar alles nicht genauso im Wahlprogramm des Teams Todenhöfer, gibt El-Zein zu, aber Kapitel aus jenem Programm wie „Schluss mit der Ausbeutung der jungen Generation“ scheinen bei ihm auf besonders fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Dass man in seiner Partei trotz des Ukraine-Kriegs weiterhin gegen die Lieferung von Waffen in Krisengebieten ist, überzeugt El-Zein zudem. Dass er in Deutschland schnell missverstanden werden kann, wenn er sich – augenscheinlich aus Friedensidealismus – auf Instagram mit einer palästinensischen Flagge zeigt, wisse er. Abhalten tut ihn das nicht. „Wenn ich mich auf diese Weise solidarisch zeige, möchte ich als Vermittler agieren.“

Gelsenkirchens DKP-Kandidat trat zuletzt für die Linke in Hessen an

Direkt wählbar sind in Gelsenkirchen unter den kleinen Parteien im Wahlkreis Gelsenkirchen I – Recklinghausen (Wahlkreis Nord) Lisa Gärtner von der MLPD und Valentin Zill von der DKP. Im Süden (Wahlkreis Gelsenkirchen II) ist die Auswahl etwas größer, hier treten zudem Frank Perlik (Freie Wähler), Stefan Engel (MLPD) und Kai Bastek (Volt) an.

Stadtbekannter Kommunist: Stefan Engel tritt erneut für die MLPD in Gelsenkirchen an.
Stadtbekannter Kommunist: Stefan Engel tritt erneut für die MLPD in Gelsenkirchen an. © Unbekannt | MLPD

Lisa Gärtner und Stefan Engel sind stadtbekannte Kommunisten – und haben sich in der Vergangenheit schon für diverse Ämter beworben. Gärtner etwa um ein Direktmandat bei der Bundestagswahl 2021 oder der Landtagswahl 2017. Engel, der 37 Jahre lang Vorsitzender der MLPD war, wollte unter anderem 2013 Mitglied des Bundestags werden. Die Kandidierenden der Marxistisch-Leninistischen Partei sehen den Kapitalismus erwartbar als Wurzel allen Übels und fordern „sozialistische Planwirtschaft statt Profitwirtschaft“.

Politisch im ähnlichen Spektrum: DKP-Kandidat Valentin Zill. Wer über den gebürtigen Göttinger im Netz nachforscht, stößt schnell auf Berichte über ihn zur Bundestagswahl 2021. Damals kandidierte der Mittdreißiger im Wahlkreis Rheingau-Taunus-Limburg in Hessen für die Linkspartei – und ist politisch nun offenbar noch weiter nach links gerückt. Heute publiziert der Reiseverkehrskaufmann, studierte Ethnologe und langjährig in Afrika aktive Musik-Journalist vornehmlich gesellschaftspolitische und historische Texte über Ghana, Südafrika, Burkina Faso und andere Staaten Subsahara-Afrikas im DKP-Blatt „Unsere Zeit“. Und ist Direktkandidat in Gelsenkirchen. Eine interessante Biographie kann man ihm sicher nicht absprechen.

Volt und die Freien Wähler in Gelsenkirchen: Vernetzte Polizei und besserer Tierschutz

Etwas gesetzter klingt da freilich die Selbstbezeichnung von Volt-Kandidat Kai Bastek (43), der sich als „Kleingärtner, Häuslebauer und Ex-Kaninchenzüchter“ bezeichnet – aber für jene Partei antritt, die sich auf die Fahne geschrieben hat, „bewährte Erfolgsmodelle aus ganz Europa“ zu suchen und anderswo anzuwenden. Seine Schwerpunkte: innere Sicherheit und Familie. „Ich bin seit über 20 Jahren im Öffentlichen Dienst und höre sehr oft die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger“, sagt Bastek, der als Finanzermittler bei der Polizei tätig ist. „Ich bin der Ansicht, dass wir abstrakte und reale Sicherheit durch eine moderne und zielgruppengerechte Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden erreichen können.“ Heißt: modernere Ausstattung, mehr Personal und mehr Vernetzung unter den Sicherheitsbehörden.

Macht mit seinem Hund Joe Wahlkampf: Freie-Wähler-Kandidat Frank Perlik.
Macht mit seinem Hund Joe Wahlkampf: Freie-Wähler-Kandidat Frank Perlik. © FW | Perlik

Und dann ist da noch Frank Perlik, der für die Freien Wähler nach der vergangenen Bundestagswahl seinen zweiten Wahlkampf als Direktkandidat bestreitet und sich dieses Mal breiter im Netz aufgestellt hat, unter anderem mit einer eigenen Website. „Es wird zu viel Lobbypolitik und zu wenig Politik für die Leute gemacht“, meint er. Und zu wenig für die Tiere – Perlik zeigt auf seinen Wahlplakaten seinen Hund Joe und fordert unter anderem mehr Unterstützung der Tierheime. „Wir müssen nicht auf die Wurst verzichten, aber über bessere Tierhaltung wird das Fleisch wohl teurer werden müssen“, sagt er. Ob das eine beliebte Forderung in Zeiten allgegenwärtiger Verteuerung ist? „Die zurzeit hohe Inflation geht zulasten der Politik, die immer noch nicht verstanden hat, wie hohe Energiepreise eine Inflation verstärken.“