Gelsenkirchen. EU-Südost, Corona, Steuerhinterziehung, tödlicher Unfall in einer Kita und vieles mehr. Diese Gelsenkirchener Texte wurden am häufigsten gelesen.

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, Zeit also für eine Rückschau auf die Themen, die die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener am stärksten bewegten.

Januar:

Der jüngste Zwischenfall an der Markenstraße mit Zuwanderern aus Südosteuropa in Horst hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Zunächst brachte die FDP ihr „Entsetzen“ in der WAZ zur Sprache, dann zog die CDU nach und setzte das Thema auf die Tagesordnung des nächsten Ordnungs- und Sicherheitsausschusses und schließlich ziehen die fünf Bezirksbürgermeister ein bitteres Fazit: Die Integration vieler Bulgaren und Rumänen sei gescheitert.

Stein des Anstoßes war ein eskalierter Rettungseinsatz Mitte Januar. Rettungssanitäter waren zu einem jungen Mann gerufen worden, doch Verwandte und Nachbarn störten die Erstversorgung des Erkrankten. Die Sanitäter zogen sich zurück. Später versuchten laut Polizei 50 bis 60 Personen zu verhindern, dass der mittlerweile Verstorbene aus der Wohnung geholt werden konnte.

Marion Thielert, Wilfried Heidl, Joachim Gill, Thomas Fath und Dominic Schneider (alle SPD), von links, sprechen deutlich aus, welche Probleme sie in den Gelsenkirchener Stadtteilen bei der Integration von Zuwanderern aus Südosteuropa erleben. Die Bezirksbürgermeister erhalten für ihr XXL WAZ-Interview viel Zuspruch.
Marion Thielert, Wilfried Heidl, Joachim Gill, Thomas Fath und Dominic Schneider (alle SPD), von links, sprechen deutlich aus, welche Probleme sie in den Gelsenkirchener Stadtteilen bei der Integration von Zuwanderern aus Südosteuropa erleben. Die Bezirksbürgermeister erhalten für ihr XXL WAZ-Interview viel Zuspruch. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Das Haus, in dem sich das Drama abspielte, wird vor allem von Familien aus Südosteuropa bewohnt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie unangenehm auffallen. Nachbarn berichten, dass es immer wieder zu massiven Müllproblemen kommt. Ein Video auf YouTube von 2019 zeigt eine Massenschlägerei zwischen Bulgaren, bei der Frauen und Männer mit allem aufeinander einschlagen, was ihnen in die Hände fällt.

Auch an anderer Stelle im Stadtgebiet kommt es seit Jahren zu massiven Beschwerden, wenn sich Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien in größeren Gruppen - meist in günstigen und heruntergekommen Immobilien - niederlassen. Im Kern geht es immer um das selbe: Vermüllung, Lärmbelästigung, Tumulte.

Die Probleme im Zusammenleben mit Zuwanderern aus Südosteuropa begleitet die WAZ das ganze Jahr über, im November erscheint gar eine Schwerpunktausgabe dazu. Immer wieder stechen die Artikel dazu heraus, werden häufig gelesen. Ein Dauerbrenner, der auch 2022 noch Thema in Gelsenkirchen sein wird.

Februar:

Minus sieben Grad Celsius zeigt das Thermometer mancherorts im Ruhrgebiet. Wie vorausgesagt liegen weite Teile der Region seit Sonntagmorgen (7. Februar) unter eine Eis- und Schneedecke. In Essen und Mülheim bleiben die Fahrzeuge der Ruhrbahn im Depot und auch in Gelsenkirchen, Bochum und im weiteren Betriebsgebiet werden vorerst keine Busse und Bahnen der Bogestra auf die Straßen geschickt.

Am selben Wochenende beherrschen Meldungen über Polizeieinsätze in Gelsenkirchen das Nachrichtengeschehen, bei dem Beamte einschritten, weil sich in einem Kiosk an der Bochumer Straße in Ückendorf „mehrere Personen aufhielten, die gemeinsam tranken und rauchten“. Die Beamten schrieben eine Anzeige wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzverordnung.

Tags darauf folgte der zweite Corona-Einsatz in Ückendorf: Alarmierte Beamte lösten eine Hochzeitsfeier auf, bei der sich laut Polizei etwa 50 Personen (30 Erwachsene, 20 Kinder) in einer Wohnung auf der Metzer Straße aufhielten. Nachdem die Polizisten alle Personalien aufgenommen hatten, wurde die Feier aufgelöst. Sie schrieben nicht nur Anzeigen, sondern sprachen auch mehrere Platzverweise aus.

Gesamtsteuerschaden durch Gelsenkirchener Geschäftsmann: Acht Millionen Euro

Zu den Dauerbrennern des Jahres in Gelsenkirchen zählt neben Corona und der Südostzuwanderung auch die Geschichte um den Gelsenkirchener Unternehmer, der im Februar wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen und im Dezember zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Das Interesse der WAZ-Leser an diesem Prozess war durchweg sehr hoch, wie die Redaktionsstatistiken darlegen.

März:

Aus der Kategorie „Was wurde aus...?“ war es der Text über Joy Gruttmann, der im März das Interesse vieler Leserinnen und Leser bediente. Als Neunjährige wurde Joy als Sängerin des Kinderliedes „Schnappi, das kleine Krokodil“ bekannt. Die Single wurde allein bis 2008 1,7 Millionen Mal verkauft. Anfang des Jahres fragte die WAZ Gelsenkirchen, was aus Joy geworden ist und suchte den Kontakt zu der jungen Frau.

Joy Gruttmann, die Sängerin von
Joy Gruttmann, die Sängerin von "Schnappi, das kleine Krokodil". © Joy Gruttmann/privat | Joy Gruttmann/privat

Auf dem Leibniz-Gymnasium machte Gruttmann ihr Abitur, in Buer wurde sie erwachsen. „Ich verbinde mit Gelsenkirchen und Buer alles. Das ist meine Hood und da bin ich stolz drauf, da wird für immer mein Herz dran hängen.“ Nach dem Abitur folgte eine Lehre zur Tischlerin, dann arbeitete sie für ein Jahr als Gesellin. Vor etwa zweieinhalb Jahren begann sie, in Düsseldorf (Innen)-Architektur zu studieren. „Und vor kurzem habe ich wieder angefangen, Gesangsunterricht zu nehmen“, so Gruttmann, „aber das mache ich nur für mich.“

Mindestens 480 Menschen sind seit Beginn der Pandemie in Gelsenkirchen bisher bereits an oder mit Corona gestorben. Eine hohe Zahl, aber eben nur eine Zahl. Hinter dieser Zahl aber stehen Menschen, Lebensgeschichten, trauernde Familien. Ende März erlag auch Dr. Arnold Greitemeier, Internist, Diabetologe, Hausarzt und Ur-Gelsenkirchener den Folgen einer Corona-Infektion. Die Nachricht von seinem Tod bewegte viele Menschen in der Stadt. Kurz vor Weihnachten sprach seine Familie mit der WAZ über den Verlust des Vaters und Ehemanns. Es ist die Geschichte vom unfassbar schnellen Sterben des Arztes Dr. Arnold Greitemeier.

April:

Die Inzidenz steigt in Gelsenkirchen wieder auf 204,5. Jetzt droht Distanzunterricht und wohl auch eine Ausgangssperre, die kaum kontrolliert werden kann. Die Regelanpassungen an die jeweilige Infektionslage haben natürlich auch in Gelsenkirchen durchgehend hohes Leserinteresse geweckt. Wie es nach den Osterferien konkret weiter gehen soll, wissen Eltern und Schulen kurz vor Schulbeginn noch nicht. Wie so oft wächst indes der Unmut gegenüber dem Schulministerium in Düsseldorf. Ende des Monats ist es die Ausgangssperre dann tatsächlich Realität. Auch die Reportage von der ersten Nacht, in der nur Menschen mit einer Berechtigung vor die Tür dürfen, gehört zu den meistgelesenen Texten des Jahres.

Ebenfalls einige Zehntausend Mal wurde im April der Kommentar gelesen, „Warum ich trotzt Mutante meine Kinder weiterhin in die Kita bringe“. Dabei gab es viel Zuspruch und Kritik der WAZ Leserinnen und Leser für die Haltung: „Das bedeutet selbstverständlich mitnichten, dass wir deshalb durch verantwortungsloses Handeln blindlings dem Virus Tür und Tor zu unserer Familie geöffnet haben, aber wir haben uns im Zweifel immer dafür entschieden, unseren beiden Söhnen (anderthalb und zweieinhalb Jahre) so viel Normalität wie eben möglich und verantwortbar ist, zu gewährleisten. Dazu zählt für uns seit Beginn der Pandemie an vorderster Stelle, dass Kinder andere Kinder, Spiel und Abwechslung und eine Umgebung brauchen, in der sie lernen und sich entwickeln können, ohne das Mama oder Papa die ganze Zeit dabei sind.“

Mai:

Immer häufiger landen Verstöße gegen die Coronaschutz-Verordnung vor Gericht. Und zwar immer dann, wenn Bürger zunächst dem städtischen Bußgeldbescheid widersprochen haben, ehe der Verstoß als Ordnungswidrigkeit von der Justiz bewertet wird. Dass sich der Weg zum Amtsgericht durchaus lohnen kann, stellte im Mai ein Friseur fest, der die strengen Hygienevorschriften der Coronaschutz-Verordnung missachtet hatte.

2000 Euro sollte Mohamad O. bezahlen. Der Fehler des Figaros: Er hatte die Flasche mit dem Desinfektionsmittel nicht am Eingang, sondern an der Kasse aufgestellt. Bemängelt wurden auch die fehlenden Ankunfts- und Endzeiten der Kunden auf der Kontaktliste. Richterin Dr. Friederike Greiwe sah in dem Verstoß eher eine geringe Missachtung der Verordnung. Der Friseur hatte sich vor Gericht darüber beklagt, nicht zunächst belehrt, sondern gleich zur Kasse gebeten worden zu sein. Ein klassischer Fall, bei dem die Richterin ihren Ermessensspielraum ausschöpfen konnte. Das Urteil: 300 Euro Geldbuße, zu zahlen in drei Raten. Dazu kommen Gerichts- und Urteilskosten im zweistelligen Eurobereich.

Hunderte Menschen kamen zur Solidaritätskundgebung vor die Neue Synagoge am 14. Mai.
Hunderte Menschen kamen zur Solidaritätskundgebung vor die Neue Synagoge am 14. Mai. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Mitte Mai geriet Gelsenkirchen einmal mehr bundesweit in die Schlagzeilen, nachdem bis zu 180 pro- palästinensische Demonstranten unangemeldet vor die Synagoge in der Altstadt zogen und dort antisemitische Parolen brüllten. Später wurden etliche Teilnehmer anhand von Videoaufnahmen identifiziert und wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zu Geldstrafen verurteilt. Gelsenkirchen aber erlebt am 12. Mai seinen dunkelsten Tag des Jahres.

Alea iacta est, hieß es im Wonnemonat in Sachen Saturn Buer. Die Würfel sind gefallen. Die Mitarbeiter werden informiert, dass der Elektronikfachhandel Ende September endgültig seine Türen schließt.

Juni:

In den Fokus rückt im Sommer der Heinrich-König-Platz. In direkter Nachbarschaft zu Café- und Gastrobetrieben im Sparkassenkarree, mit dem wöchentlichen Feierabendmarkt vor der Tür, zwischen den Türmen der katholischen und evangelischen Kirche, bietet Dirk Niewöhner seit fast drei Jahren seine Bücher, Brettspiele und Ansichtskarten zum Verkauf an. Doch seit einiger Zeit machen jugendliche Migranten Niewöhner und seinen Mitarbeitern das Leben schwer. Beschimpfungen, Diebstahl, Drohungen. Ein Gelsenkirchener Buchhändler berichtet, was er ständig erlebt - und von der „Tatenlosigkeit der Behörden“.

Trauer und Bestürzung in der Zirkus-Familie: Sonja Probst, die Juniorchefin des Circus Probst und älteste Tochter von Brigitte und Reinhard Probst, ist tot. Sie starb in Folge einer Komplikation bei einer Operation. Die Nachricht über ihren Tod wird im Juni bekanntgegeben.

Großes Défilé der Autoposer in Gelsenkirchen: Dieser Ferrari gehörte zu den über 500 Fahrzeugen, die den Arena-Park am Mittwoch, 2. Juni, ansteuerten.
Großes Défilé der Autoposer in Gelsenkirchen: Dieser Ferrari gehörte zu den über 500 Fahrzeugen, die den Arena-Park am Mittwoch, 2. Juni, ansteuerten. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Im Sommer feierten Hunderte Autoposer an den Wochenenden Partys rund um das Apollo-Kinocenter am Gelsenkirchener Arena-Park im Stadtnorden. Die Behörden hatten zwischenzeitlich ihre liebe Mühe mit den verchromten Blechlawinen. Nach und nach allerdings zogen die Poser wieder aus Gelsenkirchen ab, nachdem ihnen Polizei und Sicherheitsdienst immer wieder auf die Reifen klopften.

Juli:

Die Berichterstattung über massive Probleme mit Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien in Gelsenkirchen ist bei der Leserschaft auf ein großes Echo gestoßen. Alteingesessene Anwohner der Ückendorfer Ziegelstraße hatten sich zuvor mit einem Hilferuf an diese Zeitung gewandt. Nicht nur bei ihnen hat sich augenscheinlich viel Ärger angestaut, mit Sorge blicken nicht wenige in die Zukunft. Zudem wird das Vorgehen der Behörden kritisch hinterfragt, ein härteres Durchgreifen gefordert. Ein Besuch in Ückendorf gehört zu den meistgelesenen Texten im Juli.

An anderer Stelle gibt es Neuigkeiten in Sachen Regelüberwachung. Nach einer langen Erprobungsphase meldet die Stadt Gelsenkirchen Vollzug. Seit Juli gehört der Superblitzer „Rudi“ offiziell zum Team der städtischen Verkehrsüberwachung und nimmt Temposünder ins Visier.

August:

Die Nachricht von einem tödlichen Unglück in einer Gelsenkirchener Kita erschüttert im August nicht nur die Leserinnen und Leser der WAZ. Bundesweit wird über die Tragödie berichtet. Nach wie vor ist der genaue Unfallhergang noch nicht geklärt, die Ermittlungen laufen weiter.

Mit blondem Ponyschnitt und Zahnlücke trat Florian Silbereisen als Zehnjähriger zum ersten Mal im Fernsehen auf. Im bayrischen Dialekt gab er vor 30 Jahren Karl Moik ein Interview. Über die damals kurz angebundenen Antworten musste Silbereisen bei seiner großen Schlagerstrandparty in Gelsenkirchen im August lachen. Der Text über den Schlager-Abend im Amphitheater wurde zehntausende Male gelesen.

Anwohner in Bismarck berichten von einem Angstraum an der Robergstraße Ecke Ferdinandstraße

Nach Beschwerden in Ückendorf, Horst und anderen Stadtteilen melden sich Bismarckerinnen und Bismarcker mit einem Hilferuf an die WAZ. Die Robergstraße dort gilt als Hotspot. Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst und auch Gelsendienste sind dort ständig verstärkt im Einsatz. Hier treten die Probleme mit Zuwanderern, Schrottimmobilien, Lärm und stetige Vermüllung offen und konzentriert zu Tage. Eine Anwohner-Sprecherin benutzt bei der Beschreibung der Situation vor Ort den Begriff „Angstraum“. Aus Angst vor etwaigen Anfeindungen und Übergriffen will sie aber lieber anonym bleiben. Auch ihre Geschichte stößt auf großes Leserinteresse.

September:

Rücksichtsloses Verhalten, permanenter Lärm, Müll und noch viel ekligere menschliche Hinterlassenschaften… Was leidgeplagte Anwohnerinnen und Anwohner, die an der Bismarckstraße/Franz-Bielefeld-Straße leben, berichten, wirkt für viele Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener wie ein Déjà-vu - fatalerweise! Im September erlangen die Klagen der dortigen Anwohner hohe Reichweiten.

Um 14 Uhr sollte an diesem Bundestagswahlsonntag im Gelsenkirchener Nordsternpark eigentlich die beliebte Schiffsparade über den Rhein-Herne-Kanal starten. Doch entlang des Gewässers versammelten sich am frühen Nachmittag nicht nur viele Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern auch ein Großaufgebot an Feuerwehr- und Polizeikräften. Der Grund: Eine Leiche wurde im Wasser gefunden, gegenüber dem Amphitheater. Später wird die Frau aus Essen identifiziert. Die Polizei findet keine Spuren auf ein Fremdverschulden.

Oktober:

Es gibt Ecken in Gelsenkirchen, da ist das Ruhrgebiet noch ein wenig mehr Ruhrgebiet als woanders. Die beiden Straßen Am Schifersberg und Talstraße etwa, im Süden von Buer an der Grenze zu Beckhausen, sind so ein Fall. Hier, nördlich der Emil-Zimmermann-Allee, stehen sie noch, die alten, kleinen Zechenhäuschen, zweigeschossig, mit alten Bäumen davor und einem schönen Garten dahinter, stünden nicht moderne Autos auf der Straße, sähe es hier noch genauso aus wie vor 50 oder 70 Jahren. Die Anwohner, sie leben sehr gerne hier. Doch seit Monaten ist unklar, ob sie hier bleiben dürfen. Der neue Eigentümer der Immobilien gibt sich verschlossen. Die Sorge geht um, dass die Häuser abgerissen werden könnten. Die WAZ bleibt auch 2022 an dem Thema dran.

Polizisten beobachten beim Spiel Schalke gegen Dynamo Dresden eine Fangruppe vor der Arena.
Polizisten beobachten beim Spiel Schalke gegen Dynamo Dresden eine Fangruppe vor der Arena. © dpa | David Inderlied

Endlich wieder ein volles Stadion und das dann auch noch gegen Dynamo Dresden. Die Partie geht klar an Schalke, die Sachsen bleiben beim 3:0 Ende Oktober chancenlos. Fast so chancenlos wie der FC Schalke 04, der am Ende vor der Polizei Gelsenkirchen einknicken und den Alkoholausschank im Stadion verbieten musste. Andernfalls hätte die Polizei das Sicherheitskonzept für die als Hochrisikospiel eingestufte Begegnung nicht abgesegnet. Bis heute gibt es hinter vorgehaltener Hand bei diesem Thema Dissens zwischen Schalke und Stadt auf der einen und der Polizei auf der anderen Seite.

November:

Am Montag danach sitzt Wilhelm Schleweis in der Küche und schüttelt mit dem Kopf. Alle paar Minuten läutet das Telefon, sein Handy liegt auf dem Tisch, es ist stummgeschaltet und blinkt unentwegt. „So ging es das ganze Wochenende“, sagt der 65-jährige Gelsenkirchener. Und alles nur, weil am Freitag für ganze sechs Stunden eine Aufschrift auf dem Schaufenster seines Möbelgeschäfts an der Horster Straße stand. Aber die Aufschrift hatte es in sich. „Ungeimpfte unerwünscht!“ hatte Schleweis mit weißer Farbe auf die Glasscheibe geschrieben.

Diskutiert wurde über den Spruch – doch in einem Ausmaß, das sich Schleweis nicht einmal ansatzweise hätte vorstellen können. Schnell tauchten Fotos von seinem Schaufenster im Internet auf, wurden massenweise über die sozialen Medien geteilt. Es hagelte wütende Kommentare, Beschimpfungen, Drohungen. Auch, weil die Aufschrift Assoziationen auslöste: „Ungeimpfte unerwünscht! – das klingt wie ,Juden unerwünscht!’“, warfen ihm viele Kommentatoren vor. Und es blieb nicht bei Kommentaren im Internet. Obwohl Schleweis die Aufschrift noch am Freitag entfernte, warf ihm jemand einen Stein ins Schaufenster. Später schrieb er auf sein Schaufenster: „Ich schäme mich!“

Dezember:

Die Corona-Zahlen sind seit Wochen bundesweit vergleichsweise hoch, auch in Gelsenkirchen hat sich die Lage zuletzt deutlich verschärft. Bei den 10- bis 14-Jährigen liegt die Inzidenz Anfang Dezember gar bei 855.

Vielgelesen wurde zuletzt auch die Nachricht über den Abschuss eines Hundes in Gelsenkirchen. Schäferhund-Husky-Mischling Frida wurde an der Emscher erschossen. Die Hündin war nur 13 Monate alt. Ihre Halterin ist am Boden zerstört: „Frida hat meinen ganzen Alltag ausgemacht.“ Die Polizei stuft die Tragödie als „Jagdunfall“ ein, die Kreisjägerschaft sagt: „Der Schuss hätte definitiv nicht erfolgen dürfen“.