Gelsenkirchen-Horst. Ein Vorfall an der Gelsenkirchener Markenstraße hat die FDP aufgeschreckt. Akteure aus dem Stadtteil fordern härteres Durchgreifen.
Das Schild, das da als Wegweiser an der Schlossstraße hängt, verspricht vielleicht ein bisschen mehr als es halten kann. „Einkaufszentrum Markenstraße“ steht da. Dennoch: Neben der Essener Straße im Horster Norden ist die Markenstraße in Horst-Süd die zweite „Einkaufsmeile“ im Viertel – und welcher andere Stadtbezirk Gelsenkirchens kann das schon von sich behaupten?
Zuletzt sorgte die Markenstraße aber für Negativschlagzeilen. In der vergangenen Woche noch lief ein Rettungseinsatz völlig aus dem Ruder. Rettungssanitäter der Feuerwehr waren zu einem jungen Mann gerufen worden. Zahlreiche Verwandte und Nachbarn störten zunächst die Erstversorgung des Erkrankten, Stunden später versuchten laut Polizei 50 bis 60 Personen zu verhindern, dass der mittlerweile Verstorbene aus der Wohnung geholt werden konnte.
Die Feuerwehrleute mussten sich zwischenzeitlich in ihren Rettungswagen zurückziehen. Laut Polizeiangaben wird das Haus, in dem sich das Drama abspielte, vor allem von Familien aus Südosteuropa bewohnt.
Video von der Schlägerei schockt über Gelsenkirchens Stadtgrenzen hinaus
Gut zwei Jahre zuvor hatte der Fokus schon einmal auf der Markenstraße gelegen: Damals war es dort zu einer Massenschlägerei gekommen, Videos von dem Ereignis fanden den Weg ins Internet und schockten die Betrachter über die Gelsenkirchener Stadtgrenzen hinaus, auch damals waren vor allem Menschen südosteuropäischer Herkunft beteiligt.
Was ist los in Horst-Süd?
Leerstände an der Markenstraße fallen ins Auge
Zunächst einmal: Von „der“ Markenstraße zu sprechen, ist schwierig, denn die Straße teilt sich in zwei sehr unterschiedliche Abschnitte. Westlich der Schlossstraße befindet sich das „Einkaufszentrum“, die Straße ist verkehrsberuhigt, hier gibt es zahlreiche Läden. Selbst jetzt, zu Corona-Zeiten, ist an diesem Vormittag viel Betrieb auf der Straße. Der Optiker, der türkische Supermarkt, der Drogeriemarkt: Sie alle haben geöffnet.
Aber auch die leeren Schaufenster fallen ins Auge, teils geben sie den Blick auf leere Verkaufsräume frei, teils sind sie mit Packpapier verklebt.
Östlich der Schlossstraße ist die „andere“ Markenstraße. Hier gibt es keine Geschäfte, hier stehen Wohnhäuser. Und hier ist auch das Haus, in dem sich die Tragödie vor einer Woche abgespielt hat, hier kam es vor zwei Jahren zur Massenschlägerei.
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Vor dem Haus parken an diesem Tag ein Auto mit bulgarischem Kennzeichen, ein weiteres mit britischem Nummernschild. Das komme öfter vor, sagt eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie wohnt direkt gegenüber, sie hat all die Ereignisse mitbekommen. „Nach der Massenschlägerei habe ich ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, hier wegzuziehen“, sagt sie.
Politik hat die Markenstraße als Problem identifiziert
Seitdem sei es aber ruhiger geworden, der Vorfall aus der vergangenen Woche sei eher die Ausnahme gewesen. Kleinere Probleme gebe es aber ständig: Lautstärke sei ein Faktor, ständig stünde Sperrmüll auf der Straße.
„Inzwischen haben wir unsere eigenen Mülltonnen mit einem abschließbaren Deckel ausgestattet“, sagt sie. Mittlerweile will sie aber an der Markenstraße wohnen bleiben: „Ich habe eine schöne, große Wohnung für die ich eine verträgliche Miete zahle“, sagt sie, „und wer sagt mir, dass es woanders keine Probleme gibt?“
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Dennoch: In der Politik hat man die Markenstraße als „Problembereich“ identifiziert. „Entsetzen und Fassungslosigkeit sind im Prinzip zu schwache Begriffe, um meine Gefühlslage zu beschreiben“, sagt etwa die Fraktionsvorsitzende der FDP, Susanne Cichos.
„Die tragischen Ereignisse, diese Eskalation an Gewalt an der Markenstraße in Horst müssen Konsequenzen haben“, fordert auch Christoph Klug, für die Liberalen Mitglied im Ausschuss für Prävention, Ordnung und Verbraucherschutz. Die FDP werde daher eine Antrag in der Bezirksvertretung West einbringen und zunächst einen Sachstandsbericht von der Verwaltung einfordern.
Früher gab es einen besseren Branchenmix
Thorsten Garbe vertritt die FDP in der Bezirksvertretung, er wählt noch schärfere Worte. „No-Go-Areas darf es hier nicht geben“, sagt er, man müsse alle rechtsstaatlichen Mittel ausschöpfen, um solche Vorfälle zu verhindern.
Ähnlich äußert sich Bernd Strickling, Vorsitzender der Horster Werbegemeinschaft. „Es ist nicht zu beschönigen, die Markenstraße ist nach wie vor ein Brennpunkt“, sagt er. Auch er fordert von Polizei und Stadtverwaltung, hier in aller Konsequenz durchgreifen.
Dabei sei die Markenstraße einmal durchaus eine sehenswerte Einkaufsstraße gewesen. „Früher gab es hier einen besseren Branchenmix. Heute gibt es zu viele Leerstände, die nicht wieder gefüllt werden. Wo viel Leerstand ist, zieht das ein bestimmtes Klientel an.“
Wie man die Markenstraße wieder revitalisieren könne? Strickling zuckt mit den Achseln, einen Masterplan habe er auch nicht, sagt er. In einem Punkt ist er sich aber sich: „Horst ist immer noch lebenswert.“
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