Gelsenkirchen-Buer. „Ungeimpfte unerwünscht!“: Das schrieb Wilhelm Schleweis auf das Schaufenster seines Ladens. Damit löste er einen Shitstorm im Internet aus.

Am Montag danach sitzt Wilhelm Schleweis in der Küche und schüttelt mit dem Kopf. Alle paar Minuten läutet das Telefon, sein Handy liegt auf dem Tisch, es ist stummgeschaltet und blinkt unentwegt. „So ging es das ganze Wochenende“, sagt der 65-jährige Gelsenkirchener. Und alles nur, weil am Freitag für ganze sechs Stunden eine Aufschrift auf dem Schaufenster seines Möbelgeschäfts an der Horster Straße stand. Aber die Aufschrift hatte es in sich.

„Ungeimpfte unerwünscht!“ hatte Schleweis am Freitagmittag mit weißer Farbe auf die Glasscheibe geschrieben. Was als Hinweis an seine Kundschaft verstanden werden konnte, war eigentlich gar nicht in diesem Sinne gemeint, wie der Ladeninhaber am Montag berichtet. „Ich nutze mein Schaufenster gerne dazu, um Menschen mit solchen Sprüchen zum Denken anzuregen“, sagt er. Das habe er schon immer gemacht: Neben seiner Hofeinfahrt etwa hängt eines dieser gelben Schilder, auf denen man auf den ersten Blick die Aufschrift „Einfahrt freihalten“ vermutet – schaut man genau hin, steht da aber „Freiheit aushalten“. So ticke er eben, sagt Schleweis: „Ich gebe gern mal den Till Eulenspiegel und halte den Leuten den Spiegel vor.“ [Lesen Sie auch unseren Kommentar:Streit über „Ungeimpfte unerwünscht“-Aktion ist absurd]

Das wollte der Gelsenkirchener mit seinem Spruch bewirken

Etwas Ähnliches – einen Denkanstoß in Sachen Corona – wollte er auch mit Schaufensteraufschrift am Freitag bewirken. „Ich wollte damit polarisieren“, sagt er. „Ernst gemeint war das nicht: Bei Einhaltung der Hygieneregeln können auch Ungeimpfte meinen Laden betreten.“ Er habe sich vorgestellt, dass Leute zu ihm hereinkommen und mit ihm darüber diskutieren. „Das war ein Riesenfehler“, sagt er heute.

Das Schaufenster von Wilhelm Schleweis’ Laden wurde eingeworfen.
Das Schaufenster von Wilhelm Schleweis’ Laden wurde eingeworfen. © Unbekannt | Matthias Heselmann

Denn diskutiert wurde über den Spruch – doch in einem Ausmaß, das sich Schleweis am Freitag nicht einmal ansatzweise hätte vorstellen können. Schnell tauchten Fotos von seinem Schaufenster im Internet auf, wurden massenweise über die sozialen Medien geteilt. Schleweis wurde Opfer dessen, was man gemeinhin einen „Shitstorm“ nennt: Es hagelte wütende Kommentare, Beschimpfungen, Drohungen. Auch, weil die Aufschrift Assoziationen auslöste: „Ungeimpfte unerwünscht! – das klingt wie ,Juden unerwünscht!’“, warfen ihm viele Kommentatoren vor. Auch bei der WAZ meldeten sich schon Leser und beschwerten sich über die Aufschrift: Eine Leserin wandte sich an Oberbürgermeisterin Karin Welge und die Polizei und stellte Anzeige wegen Volksverhetzung.

Schleweis’ Schaufenster wurde eingeworfen

Und es blieb nicht bei Kommentaren im Internet. Obwohl Schleweis die Aufschrift noch am Freitag entfernte, warf ihm jemand einen Stein ins Schaufenster. „Zuvor hatte mir meine Nachbarin einen Eintrag in einer Whatsapp-Gruppe gezeigt, in dem jemand genau das angekündigt hatte“, sagt Schleweis. Andere drohten im Internet unverblümt damit, „einmal bei mir vorbeizukommen“, berichtet er.

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„An den Zusammenhang mit der Nazizeit habe ich überhaupt nicht gedacht“, so Schleweis am Montag, „das war eine Riesendummheit von mir“, sagt er zerknirscht. „Ich schäme mich deswegen sehr.“ Genau das brachte er bereits am Sonntag mit einer neuen Aufschrift auf seinem Schaufenster zum Ausdruck: „Ich schäme mich“, steht da – im anderen Schaufenster hängt eine Holzplatte, die das Loch in der Scheibe verdeckt.