Mülheim. Rodion Bakum (SPD) tritt zur Landtagswahl im Wahlkreis Mülheim I in die großen Fußstapfen von Hannelore Kraft. Wie er erfolgreich sein will.

Er reißt ein Pensum ab, das sucht seinesgleichen im Mülheimer Landtagswahlkampf: SPD-Parteichef Rodion Bakum hat gar eine berufliche Auszeit genommen, um mit allerlei Polit-Prominenz auf seinem „Roten Sofa“ dafür zu werben, tatsächlich in die großen Fußstapfen zu treten, die die ehemalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als langjährige Mülheimer Direktkandidatin hinterlässt.

22 Jahre war Hannelore Kraft in der Landespolitik aktiv, sieben Jahre davon als Ministerpräsidentin. Schon früh nach ihrer Wahlniederlage 2017 hatte sie erklärt, dass sie sich in diesem Jahr als Abgeordnete zurückziehen würde. „Ich habe höchsten Respekt vor ihrer Leistung“, sagt der 31-jährige Bakum, der Kraft nun im Direktmandat für den Wahlkreis Mülheim I beerben will.

Bakum will anknüpfen an dem Paradigma einer präventiven Sozialpolitik

Insbesondere wolle er anknüpfen an Krafts Paradigma einer präventiven Sozialpolitik. Mit der Bildungspolitik von der Regierung Kraft, aber auch der von Alt-Ministerpräsident Johannes Rau, verbindet Bakum auch seinen eigenen gesellschaftlichen Aufstieg: 2001 als Rodion Pavlovic Bakumenko in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geboren, ist Bakum als Zweijähriger mit seinen Eltern nach Deutschland emigriert, hat sein erstes halbes Jahr als Aussiedler in der damaligen Asylbewerberunterkunft des alten Schätzlein-Gebäudes am Hafen gewohnt. Bakum hat in Deutschland Bedingungen vorgefunden, die es ihm aus dieser Situation heraus ermöglicht haben, heute kurz vor seiner Facharztprüfung zu stehen, die er auch bei einer erfolgreichen Wahl angehen will.

Seinen Dienst als Arzt in der Kettwiger Mediclin-Fachklinik Rhein/Ruhr lässt Bakum derzeit für den Wahlkampf ruhen. Von Lauterbach bis Müntefering, von Kraft über Kühnert bis Spitzenkandidat Kutschaty – Bakum hat allerlei Parteiprominenz für seinen Wahlkampf nach Mülheim gelotst. Zudem ist er eifrigst unterwegs von Haustür zu Haustür, um das Gespräch mit Wählerinnen und Wählern zu suchen. Am Donnerstag dieser Woche zählte seine Strichliste nach eigenen Angaben 1812 Hausbesuche. Selbst manche Parteigenossen schütteln sich ob der Umtriebigkeit, mit der Bakum seinen Wahlkampf bestreitet.

Mülheimer Kandidat: „Ich kann nicht erwarten, dass die Menschen zu mir kommen“

„Ein tolles Team treibt mich an“, sagt Bakum und lehnt sich noch weiter aus dem Fenster: „Sollte ich im Landtag sein, verspreche ich, allen 85.000 Haushalten in Mülheim in den nächsten fünf Jahren einen Besuch abzustatten.“ Das wolle er machen, um ihnen seine politischen Ideen näherzubringen und der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. „Ich kann nicht erwarten, dass die Menschen zu mir kommen“, sagt der 31-Jährige. „Ich muss hin.“

Im Gepäck hat Bakum zahlreiche Themen. Er verspricht viel, wofür sich die SPD nach einem Regierungswechsel in Düsseldorf starkmachen will. Kostenlose Kita, kostenlose OGS-Betreuung, kostenloser, steuerfinanzierter ÖPNV – was davon sich nachher auch finanzieren ließe, wird sich zeigen müssen.

Bakum will kämpfen, damit Notfallversorgung in zwei Krankenhäusern bestehen bleibt

Als Mediziner ist die Gesundheitspolitik eines von Bakums Schwerpunktthemen. Kritisch blickt er auf die Pläne der CDU/FDP-Regierung zur Krankenhaus-Planung. Der in Gutachten dazu aufgezeigte Weg, wegzukommen von einer reinen Betrachtung der Bettenzahl hin zu einer Leistungsbereichsplanung, sei grundsätzlich richtig.

Schließungen und Insolvenzen in Nachbarstädten seien indes alarmierend. Bakum will sich dafür einsetzen, dass beide Mülheimer Krankenhäuser Zukunft haben und die Notfallversorgung in ganzer Breite vor Ort gewährleistet bleibt. „Für die Größe der Stadt ist Mülheim schon heute relativ unterversorgt“, stellt er fest.

Reichlich Polit-Prominenz aus den eigenen Reihen bat Mülheims SPD-Landtagskandidat Rodion Bakum zum politischen Plausch schon auf sein „Rotes Sofa“ – am vergangenen Wochenende nahm Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dort Platz.
Reichlich Polit-Prominenz aus den eigenen Reihen bat Mülheims SPD-Landtagskandidat Rodion Bakum zum politischen Plausch schon auf sein „Rotes Sofa“ – am vergangenen Wochenende nahm Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dort Platz. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Auch müsse Gesundheitspolitik sich mehr auch den Auswirkungen des Klimawandels widmen, wenn aufgrund vermehrter Hitzeperioden etwa die Zahl der Infarkt- oder Schlaganfall-Patienten steige. Hier müsse reagiert werden, bis in die Stadt- und Landesentwicklung hinein, so Bakum. Erholungsräume, Grün, Wasser – das alles müsse mehr gefördert werden in überhitzten Bereichen von Städten.

SPD-Kandidat wirbt für die Idee eines Transformationsfonds für die Industrie

Vallourec und Co.: Der SPD-Kandidat macht auch die Transformation von strauchelnden Industriebereichen zu seinem Thema. Die SPD wolle dafür 30 Milliarden Euro privates Kapital einsammeln, um Unternehmen (gegebenenfalls über eine zeitweise Firmenbeteiligung) den Sprung in ein neues Zeitalter zu ermöglichen, um Arbeitsplätze zu sichern. Über einen Fonds bei der NRW-Bank könnte laut Bakum so etwa möglich werden, dass Europipe seine Rohr-Produktion von Gas- auf Wasserstoff-Pipelines umstellen könne.

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Ein Thema, das Bakum aus Mülheim mit in den Landtag nehmen will, ist in jedem Fall auch die Überschuldung. Mit einer neuen Landesregierung unter SPD-Führung werde es einen Altschuldenfonds für Kommunen geben, glaubt Bakum, auch Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg hiervon überzeugen zu können.

Insgesamt fordert Bakum eine Finanzausstattung nach Bedürftigkeit – etwa über eine geänderte Verteilung der Schlüsselzuweisungen des Landes oder über einen Masterplan Ruhrgebiet mit speziellen Förderprogrammen nach dem Vorbild von „Innovation City“ oder des Vorhabens des Initiativkreises Ruhr, Duisburg-Hochfeld zum Vorzeigestadtteil im Ruhrgebiet zu machen.

Innenstadt: Bakum setzt auf neue Grundsteuer C

Die Verödung der Innenstädte ist nicht nur in Mülheim Thema. Insbesondere zeigt sich seit Jahren, dass international agierende Immobilienunternehmen, häufig als Fonds aufgestellt, wenig Interesse zeigen, in Leerstandsimmobilien zu investieren, weil sich Leerstand steuerlich absetzen lässt.Bakum und seine SPD wollen sich im Zuge der für 2025 geplanten Einführung einer „Grundsteuer C“ dafür starkmachen, dass Eigentümer, die sich um ihre Geschäftshäuser nicht kümmern, zur Kasse gebeten werden. Das soll Anreize schaffen, zu investieren, statt die Immobilien brachliegen zu lassen.