Mülheim. Über Nacht stoppte der Bund die KfW-Förderung für Klima-Wohnhäuser. Das hat gravierende Folgen für fest geplante Wohnbauprojekte auch in Mülheim.
Das überraschend von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete Aus für das Förderprogramm für Klimahäuser der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW 55) schlägt hohe Wellen – auch in Mülheim. So sieht die größte Spielerin am Mülheimer Wohnungsmarkt, die SWB, eigene Großprojekte in Gefahr, die zum Ziel hatten, mit entsprechender Förderung preisgünstigen Wohnraum in der Stadt zu halten.
Mit dem abrupten Ende der Bundesförderung stehen Bauherren, ob privat oder öffentlich, plötzlich vor der Frage, wie sie die Finanzierung insbesondere bereits geplanter Bauprojekte nun umsetzen können, da der Bund den Geldhahn zugedreht hat. Die Bearbeitung von laufenden Förderanträgen ist gestoppt.
Mülheimer SWB rechnet vor, dass ihr 7,9 Millionen Euro Förderung verloren gehen
Mülheims städtische Wohnungsbaugesellschaft SWB rechnet etwa vor, dass sie urplötzlich schauen muss, wie sich 7,9 Millionen Euro, die fest als Bundesförderung eingeplant waren, anderweitig finanzieren lassen, weil auch bereits gestellte, aber noch nicht bewilligte Anträge auf Eis gelegt seien. „Wie es weitergeht, ist aktuell unklar“, stellt die SWB fest.
SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp beobachtet die Entwicklung mit Sorge und Unverständnis. „Seit Jahren wird der Ruf nach neuem bezahlbarem Wohnraum immer lauter. Insgesamt wird eine jährliche Neubaurate von 400.000 Wohnungen angestrebt, ein Viertel davon als Sozialwohnungen. Eigentlich sollten mit der Verknüpfung von KfW-Mitteln/-Zuschüssen und Landesmitteln die Neubautätigkeit gefördert und Maßnahmen zur Klimaneutralität subventioniert werden“, so der SWB-Geschäftsführer. „Wie es nun mit unseren bereits projektierten und zum Teil durchfinanzierten Bauvorhaben vorangeht, gilt abzuwarten.“
SWB: Planungssicherheit ist mit einem Streich dahin
Eine unmögliche Situation sei das, so Timmerkamp. „Unsere Projekte werden neben externen Architekten vielfach von unseren eigenen Technikern begleitet, in der Modernisierung sogar eigenständig umgesetzt. Das ist alles auf Jahre geplant und getaktet.“
Die städtische Wohnungsbautochter steht laut Timmerkamp nun vor der Aufgabe, ihre Investitions- und Finanzplanung vollkommen zu überarbeiten, die Planungssicherheit sei mit einem Streich dahin. Die Wohnungsbaugesellschaft rechnet mit Bauverzögerungen, Mietausfällen und steigenden Kosten.
Große Wohnbauprojekte in Eppinghofen und Broich geraten ins Wanken
Betroffen sei etwa das Neubauprojekt an der Elisabeth-Selbert-Straße in Eppinghofen mit einem Finanzierungsausfall in Höhe von 1,9 Millionen von insgesamt 25 Millionen Euro. 72 neue Wohnungen will die SWB dort schaffen, rechnet nun aber mit einem verzögerten Baubeginn, mit entsprechenden Mietausfällen und unsicherer Kostenentwicklung. Auch für die geplante energetische Sanierung an der Thüringer Straße 26-44 in Broich fehlten durch den Fördermittel-Stopp nun 1,1 Millionen von 3,8 Millionen Euro. Die Folge laut SWB: Baustopp!
Ganz besonders bitter für Mülheims Wohnungsmarkt, dem ohnehin schon ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum attestiert ist: Die SWB rechnet durch ausbleibende Fördermittel damit, dass sie als Konsequenz Mieten zur Refinanzierung erhöhen muss. So sei auch die Unternehmensstrategie in Gefahr, mit Hilfe von staatlichen Zuschüssen sozial durchmischte Quartiere zu schaffen, wie aktuell etwa im Megaprojekt der Eichbaumsiedlung.
Ohne Hilfe wird Sanierung und Modernisierung von Altbauten erschwert
CDU-Politiker: Entscheidung zurücknehmen!
Als „völlig unverständlich und kontraproduktiv“ bezeichnen CDU-Bundestagsabgeordnete Astrid Timmermann-Fechter und CDU-Landtagskandidat Heiko Hendriks den Förder-Stopp. Das Förderprogramm sei „ein wichtiger Baustein, um bezahlbares und energetisch zukunftsweisendes Wohnen zu ermöglichen. Diese Entscheidung ist ein Vertrauensbruch der neuen Bundesregierung gegenüber Banken, Energieberatern und Baufirmen, aber auch gegenüber vielen Familien, die sich ihren Traum vom Eigenheim erfüllen wollen und die Förderung der KfW-Bank fest eingeplant hatten“, so die Unionspolitiker. Es sei zu befürchten, dass die Entscheidung des grünen Bundeswirtschaftsministers „dazu führt, dass wichtige neue Bauvorhaben erst gar nicht durchgeführt werden und es zu Mieterhöhungen im frei finanzierten Wohnraum kommen wird.“ Sie fordern, die Entscheidung zurückzunehmen.
Die SWB sieht weiter Unterstützungsbedarf, zumal der neue KfW-Standard 40 EE noch mal steigende Baukosten und Mieten bedeute. Förderung brauche man insbesondere, um die Sanierung der zahlreichen Altbauten aus den 50er und 60er Jahren zu stemmen. Ohne Hilfe sei das vielfach nicht wirtschaftlich durchführbar.
Dabei gehe es nicht nur um die energetische Sanierung. Themen seien Barrierefreiheit, attraktivere Grundrisse und generationengerechtes Wohnen. Nahezu 1500 SWB-Mieter kämen in den nächsten zehn Jahren ins Rentenalter und benötigten energieeffizienten, barrierearmen und bezahlbaren Wohnraum, heißt es. „Wichtigster Baustein einer Klimastrategie und zur Sicherung langfristig bezahlbaren Wohnraums sind nun mal verlässliche Förderlandschaften, davon sind wir jetzt meilenweit entfernt“, zeigt sich SWB-Chef Timmerkamp empört über die schlechten Nachrichten aus Berlin.
Baugewerks-Innung spricht von „Schock für alle Bauherren und Bauwilligen“
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Kritik gibt es auch von der Baugewerks-Innung Mülheim-Oberhausen. „Planungssicherheit, Transparenz und Offenheit sind die grundlegenden Rahmenbedingungen für Bauinvestitionen. Der kurzfristig kommunizierte Förderstopp ist daher ein Schock für alle Bauherren und Bauwilligen, die sich in vorangeschrittenen Planungen befinden und fest mit der finanziellen Unterstützung kalkuliert haben“, sagt Obermeister Jürgen Bunk.
Besonders verärgert ist er über die Vorgehensweise und Kommunikation zur Förderung des Effizienzgebäudes 55: Noch im November 2021 habe die Politik angekündigt, die Förderung erst Ende Januar auslaufen zu lassen. Darauf habe sich jeder einstellen können. „Mit der überraschenden Kehrtwende, die Förderung mal eben sofort einzustellen, zerstört die Ampelkoalition nur eines – Vertrauen“, so Bunk.