Oberhausen. Der scheidende Intendant übernimmt in der neuen Spielzeit nur eine Regiearbeit. Für die „Gruppen-Kunstform“ Schauspiel bleibt er zuversichtlich.
Selbst Gustaf Gründgens, meint Florian Fiedler vergnügt, „hätte in Oberhausen seinen Vertrag nicht verlängert“: Schließlich hatte der legendär zwielichtige „Mephisto“-Darsteller (im Gespann mit dem gebürtigen Oberhausener Will Quadflieg als „Faust“) als Generalintendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg selbst auf den Zinnen seines Ruhms eine Zuschauer-Auslastung von 67 Prozent. Doch so grimmig wie dieser Vergleich anmuten mag, wirkt Oberhausens scheidender Theaterintendant ganz und gar nicht.
Der 45-Jährige führt durch einen Flur voller Baustaub in sein schmales Büro – und freut sich, dass er in der nächsten Spielzeit zunächst nur eine Inszenierung übernimmt: Am Staatstheater Hannover führt er Regie für eine neue Fassung von „Mio, mein Mio“ nach Astrid Lindgrens märchenhafter Erzählung. Als Leiter des Jungen Schauspiels Hannover war Fiedler 2017 nach Oberhausen gewechselt. Jetzt sei er „erstmal froh, wenn ich ein bisschen zur Ruhe komme“. Und ob er als Bürger Bochums mit seiner Familie im Ruhrgebiet bleiben werde, sei dann „eine Frage der nächsten Festanstellung“.
Die großen Familienproduktionen rund um den Jahreswechsel – von der „Schneekönigin“ bis zu „Peter Pan“ – waren sicher nach Zuschauerzahlen die erfolgreichsten Regiearbeiten Fiedlers in Oberhausen. Doch gefragt nach seinem persönlichen Favoriten nennt er „Das Recht des Stärkeren“, eine Inszenierung für den kleineren Saal 2, die dem im Revier sonst so nostalgisch abgehandelten Bergbau-Thema eine andere Perspektive gibt: In der Gegenwartstragödie von Dominik Busch geht es um die brutale Ausbeutung kolumbianischer Bergleute – und um den Kronzeugen einer Dokumentarfilmerin, der seine Aussagen zurücknehmen will.
Ob auch das Publikum zurückkommt?
Kamera-Projektionen waren ein zentrales Element dieser Inszenierung – und doch betont Fiedler: Theater als „Gruppen-Kunstform“ sollte sich nur in Maßen an die zweidimensionale Filmkunst anschmiegen. Dabei hatte gerade Oberhausen aus der Pandemie-Not eine Tugend gemacht, die in den Feuilletons beachtliche Resonanz eintrug. „Die Pest“, Bert Zanders „berührungsfrei“ produzierte Streaming-Serie, erreichte 60.000 Zuschauer. „Der Ursprung der Liebe“ von und mit Lise Wolle und Ronja Oppelt überzeugte auch am Bildschirm – „denn es war immer live“, so Fiedler, „das merkt man“.
„Wir wollten signalisieren“, sagt der scheidende Intendant zu den Streaming-Intermezzi, „wir sind noch da und wir kommen auch zurück“. Inzwischen ist die große Frage – auch für die Kinos und Konzerthallen – ob das Publikum ebenfalls zurückkommt. „Es gibt jetzt sogar Karten für die Elbphilharmonie“, weiß der gebürtige Hamburger.
Die Krise als Grundbedingung
„Theater ist immer in der Krise“: Florian Fiedler versteht das nicht als Abgesang, sondern quasi als Grundbedingung des gemeinsamen Diskutierens, der Begeisterung oder des sich anspornend Unzufriedenseins. So gesehen, sagt er, „bin ich zuversichtlich“.