Mülheim. Die 46. „Stücke“ aus Mülheim gibt es nicht live. Der Wettbewerb wird online ausgetragen. Alle sieben Aufführungen kann man sich ins Haus holen.

Die Stücke 2021 finden statt – Corona zum Trotz, und fast alles ist wie immer. Sieben Dramatiker gehen an den Start, ihre Werke wurden von Theater-Experten als beste deutschsprachige Stücke des letzten Jahres eingestuft. Spannende Inszenierungen werden vom 13. bis 29. Mai zu sehen sein. Am 29. Mai entscheidet eine Fachjury, wer den Dramatikerpreis erhält.

Start der Video-Stücke ist am 13. Mai

Szene aus „9/26 - Das Oktoberfestattentat“ von Christine Umpfenbach in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele.
Szene aus „9/26 - Das Oktoberfestattentat“ von Christine Umpfenbach in einer Inszenierung der Münchner Kammerspiele. © Stücke | Julian Baumann

Allerdings: Obwohl die Organisatoren alles getan haben, um den Wettbewerb live über die Bühne zu bringen, muss wegen der anhaltenden Pandemie nun doch alles ins Netz verlegt werden. Sechs Inszenierungen sind kostenfrei für jeweils 30 Stunden auf stuecke.de abrufbar, eine Produktion wird als Live-Stream gezeigt.

Eröffnet werden die Theatertage am 13. Mai mit einem Stück von Christine Umpfenbach, die zum ersten Mal bei den „Stücken“ dabei ist. An den Münchner Kammerspielen hat sie selbst bei der Umsetzung von „9/26 - Das Oktoberfestattentat“ Regie geführt. Das dokumentarische Projekt bringt das Oktoberfest-Attentat von 1980 aus der Sicht der Opfer in Erinnerung. Umpfenbach hat sechs Überlebende interviewt. Das Stück kann vom 13. Mai, 19.30 Uhr bis Freitag, 14. Mai, 24 Uhr online angeschaut werden.

Der Autor Thomas Freyer hat mit „Stummes Land“ ein Tragödie über Verdrängung und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen geschaffen. Die Zeitspanne reicht von Nationalsozialismus über DDR-Historie bis zu deutscher Gegenwart. Das Stück ist in der Inszenierung des Staatsschauspiels Dresden (Regie: Tilmann Köhler) von Samstag, 15. Mai, 18 Uhr bis Sonntag, 16. Mai, 24 Uhr, online abrufbar. Auch Thomas Freyer ist erstmals bei den „Stücken“ vertreten.

Das Leben im TV-Container wird in „Erste Staffel. 20 Jahre großer Bruder“ von Boris Nikitin nachempfunden. Die Inszenierung stammt von Staatstheater Kassel.
Das Leben im TV-Container wird in „Erste Staffel. 20 Jahre großer Bruder“ von Boris Nikitin nachempfunden. Die Inszenierung stammt von Staatstheater Kassel. © Stücke | Konrad Fersterer

Debütant bei den Mülheimer Theatertagen ist zudem auch der Schweizer Autor Boris Nikitin. Er wird seine neue Arbeit „Erste Staffel. 20 Jahre Großer Bruder“ in der Inszenierung des Staatstheaters Nürnberg (Regie: Boris Nikitin) vorstellen (Dienstag, 18. Mai, 18 Uhr bis Mittwoch, 19. Mai, 24 Uhr, online). Es geht um die Reality-Soap „Big Brother“, die vor 20 Jahren mit TV-Tabus brach, „indem sie intimes und eintöniges Privatleben schamlos zur Schau stellte“. Eine Fortsetzung davon spielt sich, so Nikitin, heute in den Sozialen Medien ab. Das Realityformat fördere die Relevanz des Banalen und setze die Menschen unter Druck, sich ständig selbst zu optimieren.

„Stücke 21“ online schauen: So funktioniert es

Alle Inszenierungen sind per Video-Link auf der Stücke-Website (stuecke.de) abrufbar. In Kooperation mit dem Berliner Theatertreffen wird „Reich des Todes“ von Rainald Goetz (Regie: Karin Beier) live aus dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg gestreamt.Die Stück-Texte stehen auf der Stücke-Website zum Download zur Verfügung. Dort gibt es auch die Filmporträts der sieben Nominierten sowie Gespräche, die Theaterkritiker Sven Ricklefs mit den Autoren, Regisseuren und Schauspielern vorab geführt hat. Zum Wettbewerb gibt es auch ein Rahmenprogramm. Die fünf „Kinderstücke“ sollen live im Herbst gezeigt werden. Ein Sieger wird aber jetzt schon gekürt.

In einem Live-Stream mit anschließendem Ensemblegespräch wird am Freitag, 21. Mai, um 18.30 Uhr „Reich des Todes“ von Rainald Goetz, in einer Inszenierung des Deutschen Schauspielhauses Hamburg zu erleben sein (Regie: Karin Beier). Der Autor geht mit einer Art „Königsdrama“ ins Rennen, das das Demokratie-Versagen zu Beginn dieses Jahrtausends und Porträts von Machtmenschen in den Fokus rückt, sich konkret auf die Anschläge am 11. September 2001 in New York und die US-Politik bezieht. Goetz fragt dabei nach dem Systemversagen des Westens und nach den Gründen von Hass und Macht.

Szene aus „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“ von Sibylle Berg. Es spielen mit: Katja Riemann, Svenja Liesau, Vidina Popov, Anastasia Gubareva.  
Szene aus „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“ von Sibylle Berg. Es spielen mit: Katja Riemann, Svenja Liesau, Vidina Popov, Anastasia Gubareva.   © Stücke | Ute Langkafel

Mit Sibylle Berg ist eine Dramatikerin dabei, die schon sieben Mal für den Wettbewerb nominiert war. Für ihr Stück „Und dann kam Mirna“ erhielt sie 2016 den Publikumspreis. Ihr neues Werk „Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden“ kann von Sonntag, 23. Mai, 18 Uhr bis Montag, 24. Mai, 24 Uhr, online angeschaut werden – in einer Inszenierung des Maxim Gorki Theaters (Regie: Sebastian Nübling). Es ist der letzte Teil einer Tetralogie über „die Frau“. Diesmal ist sie schon im Rentenalter, aber immer noch ziemlich lebendig, widerständig und voller Weltveränderungsdrang.

„Der goldene Schwanz“ heißt das 2020 uraufgeführte Werk der Dramatikerin Rebekka Kricheldorf. Das Staatstheater Kassel hat es auf die Bühne gebracht (Regie: Schirin Khodadadian). Die Autorin, dem „Stücke“-Publikum schon lange als große Komödienautorin bekannt, hat das Märchen vom Aschenputtel neu geschrieben. Sie nimmt den kapitalistischen Topos vom Sozialaufstieg durch Heirat auseinander und hinterfragt heutige Lebensentwürfe und Rollenmodelle. Zu sehen: von Mittwoch, 26. Mai, 18 Uhr bis Donnerstag, 27. Mai, 24 Uhr.

Postmigrantische und postkoloniale Diskurse sind ein Schwerpunkt im Werk von Ewe Benbenek. Die „Stücke“-Debütantin kam in den 80ern Jahre als Migrantin nach Deutschland. Ihr Stück „Tragödienbastard“ wurde im Oktober 2020 im Schauspielhaus Wien uraufgeführt (Regie: Florian Fischer). Es geht um eine junge Frau zwischen den Welten, um die Tochter von Migranten, die zwischen dem Katholizismus ihrer polnischen Großmutter, dem protestantischen Leistungsethos ihrer migrierten Eltern und sich selbst (fest)steckt. Drei Generationen und drei Lebensläufe werden sichtbar. Von Freitag, 28. Mai, 18 Uhr bis Samstag, 29. Mai 24 Uhr.