Mülheim. Dr. von Lackum war schon vor der Pandemie ein engagierter Hausarzt. Von Anfang an übernahm er in Mülheim Verantwortung beim Kampf gegen Covid-19.
Dass Dr. Stephan von Lackum, Allgemeinmediziner in Speldorf, einst zu den führenden Köpfen bei der Bewältigung einer Pandemie in Mülheim gehören würde, stand nicht ganz oben auf der Liste des 56-Jährigen. Pandemien, so erinnert sich der Leitende Impfarzt für Mülheim, waren auch während seines Medizinstudiums kein Thema. Und sein beruflicher Werdegang sah zunächst auch keine hausärztliche Tätigkeit vor, bei der man täglich mit Sorgen, Fragen und Ängsten der Patienten rund um Corona und Covid-19 konfrontiert wird.
Stephan von Lackum ist gebürtiger Duisburger, studierte an der Universität Duisburg-Essen Medizin, wurde zunächst Facharzt für Allgemeinchirurgie. Als Chirurg arbeitete er in einer Weseler Klinik, fungierte dort als Oberarzt.
Die Gesundheitsreformen zu Beginn der „Nuller Jahre“ prägten auch die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern neu. „Das Arzt-Patienten-Verhältnis änderte sich stark, die Nähe zum Patienten im Krankenhaus war nicht mehr möglich“, erinnert sich von Lackum und führt verkürzte Liegezeiten und die so genannte „blutige Entlassung“ an.
Erfahrungen in Katastrophenmedizin und Triagierung als Leitender Notarzt gesammelt
Für sein Selbstverständnis als Arzt war das nicht lange hinnehmbar. Er beschloss 2002, neue Wege zu gehen. Ein Jahr dauerte die Weiterbildung im St. Marien-Hospital bei Prof. Dr. Henning König, damals schon in Mülheim, wohin von Lackum mit seiner Frau, einer Mülheimerin, gezogen war. Auch ausgebildet als Leitender Notarzt hatte er schon in Wesel Erfahrungen in Katastrophenmedizin und Triagierung gesammelt.
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Es folgte ein Jahr Tätigkeit in der Praxis für Allgemeinmedizin seines Mülheimer Kollegen Dr. Marcus Becker. Von Lackum absolvierte zudem Weiterbildungen in Naturheilkunde, in Akupunktur und Chirotherapie, um sich für die vielfältigen Anforderungen eines Hausarztes zu wappnen. Im Juli 2004 übernahm Stephan von Lackum dann die Praxis von Dr. Peter Becker an der Ulmenallee, in enger Nachbarschaft zur Unternehmensgruppe Tengelmann.
Das Mülheimer Unternehmen gewann den Arzt 2008 zur Mitarbeit im hauseigenen, internen Krisenstab unter der Leitung von Karl Eriwan Haub, wo es auch um Katastrophenmedizin ging. „Dort wurde ich zum ersten Mal sehr intensiv mit dem Thema Pandemie konfrontiert“, sagt von Lackum.
So wurde er auch gleich hellhörig, als zu Karneval 2020 die ersten, beängstigenden Corona-Meldungen aufkamen. „Ich war gerade mit meiner Familie im Skiurlaub und habe gleich zu meiner Frau gesagt: Da kommt was auf uns zu!“ Auf die Ärztinnen und Ärzte kam da wirklich etwas völlig Unbekanntes zu: „Auch wir Ärzte hatten Angst, wir konnten uns ja nicht schützen: Es gab anfangs kaum Masken, keine Schutzkleidung, keinen Impfstoff.“ Und auch Ärzte haben zu Hause Familien, die sie nicht anstecken wollen.
Dr. von Lackum wurde als örtlicher KV-Vertreter Mitglied im Mülheimer Krisenstab
Der Mülheimer Krisenstab bildete sich, und eine wichtige Funktion war in Mülheim seit einem Jahr verwaist: die örtliche Geschäftsführung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die KV ist zuständig für die regelhafte ambulante medizinische Versorgung der Einwohnerschaft. „Damit fehlte in Mülheim ein wichtiges Bindeglied zwischen der Kommune, also dem Krisenstab, und den niedergelassenen Ärzten für die medizinische Grundversorgung, gerade in der dann durch die Bundesregierung ausgerufenen und noch nie vorher da gewesen Pandemie“, erklärt Dr. von Lackum. Als er gefragt wurde, stellte er sich dieser Verantwortung, wurde als KV-Vertreter vor Ort Mitglied im Mülheimer Krisenstab.
Und stand damit bei der Corona-Bekämpfung, beim Diagnosezentrum und später bei der Impfkampagne (mit etlichen Kolleginnen und Kollegen) an vorderster Pandemie-Front. Neuland waren die Pandemie und ihre Folgen ja für alle, und da gab’s viele, viele Fragen, auch bei der Ärzteschaft.
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Stephan von Lackum kommunizierte zwischen Krisenstab, Gesundheitsamt und den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Ausbrüche in Seniorenheimen oder Testungen der Kranken, wer darf was und wer ist zuständig? „Mein Telefon klingelte die ganze Zeit“, erinnert sich von Lackum. Anfangs ging es ums Testen, später ums Impfen, die Stadt richtete das Diagnosezentrum ein, später das Impfzentrum, heute die Impfstellen. Das Telefon, es hörte nicht mehr auf zu klingeln.
Der Impfstoff gegen Covid-19 war auch in Mülheim anfangs knapp
Eine wichtige Aufgabe für einen Hausarzt ist das Impfen, um schlimme Erkrankungen zu verhindern. Und die einzig wirksame Waffe der Ärzte gegen den neuen Erreger, den Impfstoff, den gab es im ersten Coronajahr nach Jahresfrist. Endlich. Wenn auch in viel zu geringen Mengen. Stephan von Lackum erinnert sich noch an die erste Impfung: „Am 26. Dezember 2020 in einem Altenheim.“ Er wurde Leitender Impfarzt, zuständig für die Bestellung und Verteilung der Impfstoffe. Und verantwortlich für die Arbeit der impfenden Ärzte im Impfzentrum sowie den aktuellen lokalen Impfstellen.
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Wie kann man bei diesem Engagement noch eine eigene Praxis – mit Dependance in Selbeck – leiten? „Ich habe ein sehr gutes Team“, betont von Lackum. Die Mitarbeitenden und Kolleginnen und Kollegen hätten mehr Verantwortung und mehr Arbeit übernommen und ihn somit entlastet. Auch die Familie, von Lackum ist zweifacher Vater, habe mitgezogen. Entspannung findet Dr. von Lackum nicht nur beim Kurzurlaub in Ostfriesland, sondern auch beim Joggen, gern begleitet von seinem Freund sowie den beiden Labrador-Rüden.
In Mülheim viel Dankbarkeit erlebt, aber auch viel Frust abbekommen
Wenn man länger als ein Vierteljahrhundert als Arzt arbeitet, sollte einen nicht mehr so viel überraschen, mag man vielleicht denken. Sehr berührt hat Stephan von Lackum dennoch die Reaktion der Menschen, als sie endlich ihre schützenden Injektionen bekamen: „Manche haben geweint vor lauter Erleichterung. Ich habe sehr viel Dankbarkeit erlebt.“
Lob für die Stadtverwaltung
Stephan von Lackum lobt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung im Krisenstab in den vergangenen zwei Jahren. Es sei ein sehr vertrauensvolles Arbeitsverhältnis entstanden.
„Mülheim ist eine kleine Großstadt, da läuft vieles auf Zuruf“, sagt von Lackum. „Das erleichtert die Arbeitsprozesse.“
Zu Beginn der Impfkampagne gab es bekanntlich nicht genug Impfstoff, so bekam der Leitende Impfarzt voll den Frust der Leute ab, Bestechungsversuche und Drohungen inklusive. „Das war schon eine völlig neue, bizarre Situation. Es gab unlautere Angebote, von Geld über Sex bis zu Gewalt. Wurde aber alles abgelehnt.“ Heute kann Dr. von Lackum längst darüber schmunzeln.