Mülheim. Etliche Mülheimer ließen sich an der Corona-Hotline rund ums Impfen von Ärzten beraten. Über eine Wiederholung des Angebots wird nachgedacht.
Die ersten Anrufer probierten es schon morgens um 8 Uhr. Aber erst ab 14 Uhr war die Corona-Hotline der Stadt geschaltet. Die acht medizinischen Experten hatten dann bis 18 Uhr genug zu tun, um alle möglichen Fragen rund um die Impfung und Covid-19 zu beantworten. Einhelliges Fazit der Experten nach weit über 100 Gesprächen: Es hat sich gelohnt, und es kam bei den Bürgern gut an. Über eine Wiederholung des Corona-Infotelefons wird auch schon nachgedacht.
Die Sorge, dass viele Anrufer die Hotline am Mittwochnachmittag nutzen wollten, um sich über die raren Impftermine zu informieren, erwies sich als unbegründet. „Es kamen vor allem medizinische Sachfragen“, lobt Hausarzt Dr. Stephan von Lackum, einer der drei leitenden Impfärzte im Mülheimer Impfzentrum, in dem die ersten Mülheimer über 80 ab dem kommenden Dienstag geimpft werden. Bei den Älteren ist eine hohe Bereitschaft für die Schutzimpfung gegen Covid-19 vorhanden, aber individueller Beratungsbedarf ist dennoch da. So dauerte manches Gespräch auch schon mal 15, 20 Minuten.
Vorerkrankungen und Medikamente: Impfungen sind dennoch möglich
Senioren haben häufig Vorerkrankungen, verbunden mit diversen Medikamenteneinnahmen. So dürfe man auch zur Impfung kommen, wenn man Blutgerinnungshemmer wie zum Beispiel Marcumar einnehme, beruhigte Dr. Thomas Nordmann, Ärztlicher Direktor des St. Marien-Hospitals und Chef der Klinik für Gastroenterologie und Onkologie. Auch für Allergiker sah er keine Probleme. Zur Sicherheit könnte man den Allergiepass zur Impfung mitbringen.
Ein Ausschlusskriterium sei aber, wenn man schon einmal bei einer Impfung einen allergischen Schock erlitten habe, betonte Nordmann. „Wer allergisch auf die erste Covid-19-Impfung reagiert hat, der wird die zweite nicht bekommen“ ergänzt Prof. Dr. Philip Hilgard, Chefarzt der Klinik für allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie am Evangelischen Krankenhaus. Wenn man zum Impftermin eine akute Infektion hat, etwa fiebrig erkältet ist, wird man auch nicht geimpft. „Das ist aber bei jeder Impfung so“, erläutert Nordmann.
Frauen rufen für ihre Männer die Hotline an
Vertragen sich die Medikamente mit der Impfung auch bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD? „Die echte Corona-Lungenentzündung hat eine hohe Sterblichkeit“, erinnert Nordmann. Sie gilt es zu vermeiden. Für viele Vorerkrankte sei die Impfung daher besonders lohnend. Bei Krebsleiden oder Rheuma wird die Impfung unter bestimmten Bedingungen empfohlen, die im Arztgespräch abzuklären sind.
Die Mediziner stellten fest, dass oft die Frauen für ihre Männer anriefen. So erhofften sich eine Frau und die Töchter Unterstützung vom Notarzt Thomas Franke, um den skeptischen Ehemann und Vater von der Impfung zu überzeugen; einen Impftermin gab es sogar schon. Franke, ebenfalls leitender Impfarzt in Mülheim, riet dazu, den Termin doch auch wahrzunehmen, denn das Risiko sei beim Impfen viel geringer als der Nutzen.
Arztgespräch im Impfzentrum
Wer telefonisch nicht durchkam oder noch weitere Fragen zur Impfung hat, der müsse sich keine Sorgen machen, so Thomas Franke: „Jeder hat ja vor der Impfung noch die Möglichkeit zu einem ärztlichen Aufklärungsgespräch im Impfzentrum.“ Und besondere Risiken würden zudem in dem Fragebogen erfasst, den man vor der Impfung ausfüllen muss.
Die ersten Mülheimer über 80 Jahre werden ab Dienstag im Mülheimer Impfzentrum geimpft. Impftermine für diese Gruppe werden von dienstags bis samstags vergeben. Der Montag ist für Sonderimpfkontingente vorbehalten, etwa für das Personal in der ambulanten Pflege. Diese Impfungen starten aber erst am 15. Februar.
Wenn endlich die Kinder geimpft seien, dann würde sich die Situation an den Schulen doch entschärfen, das beschäftigte einige Anruferinnen. „Es wird einen Impfstoff für Kinder geben“, sagte von Lackum, aber derzeit sei eben noch keiner zugelassen. „Jugendliche ab 16 Jahren werden nach ihrer Priorität geimpft.“ Hilgard ergänzte, dass hier derzeit leider noch die Daten fehlten: „Die Impfstudien für Kinder und Schwangere laufen gerade, wir erwarten die Daten bis Ende des Jahres.“
Frauen mit Kinderwunsch sind der Coronaimpfung gegenüber oft skeptisch
Nordmann kennt die Bedenken mancher Frauen mit Kinderwunsch vor der Impfung, auch aus seiner Aufklärungsarbeit im St. Marien Hospital. „Es gibt aber keine bekannten Impfschäden, die unfruchtbar machen“, beruhigt er. Hilgard ergänzt: „Die Impfung, die Immunreaktion, macht keine Spätschäden.“ Nebenwirkungen würden sich, wenn überhaupt, sofort zeigen oder spätestens in zwei bis vier Wochen.
Und warum dürfen die Hausärzte nicht impfen? „Die dürfen schon, aber sie können noch nicht, weil der Impfstoff für die Praxen noch nicht da ist“, so Hausarzt von Lackum. Wer gerade erst Covid-19 überstanden hat, der wird derzeit auch nicht geimpft. „Das ist aber eine ,politische’ Indikation wegen des derzeitigen Impfstoffmangels“, so die Ärzte. Die Impfung sei in diesem Fall nicht schädlich. Man gehe aber davon aus, dass Genesene noch einen eigenen Antikörperschutz haben. Und wie lange wirkt nun die Impfung? Die Schutzimpfung ist ja beinahe so neu wie die Krankheit, vor der sie bewahren soll. Aber so viel wissen die Ärzte: „Nach bisheriger Datenlage mindestens ein Jahr.“
Wer jünger ist als 80 Jahre muss noch etwas auf den Impftermin warten
Impf-Termine bekommen derzeit nur jene, die in dem Monat, in dem der Termin liege soll, das 80. Lebensjahr vollenden. Jüngere Bürger, auch mit schweren Vorerkrankungen, mussten die Ärzte im Telefonat noch um etwas Geduld bitten, bis ihre priorisierte Gruppe an der Reihe ist. Eine Anruferin wollte nichts zur Impfung wissen, sondern nur, warum die Podologen derzeit arbeiten dürften, die Fußpfleger aber nicht. Die Frau zählt sich selbst nicht zur Risikogruppe. Dr. Hilgard konnte die Frage zwar nicht befriedigend beantworten, riet der Dame aber dennoch unbedingt zur Impfung: Sie ist 93.