Mülheim. Mit Gin-Abend und Cocktails haben Akteure rund 200 Menschen ins neue „Wallviertel“ gelockt. Warum die Mülheimer Innenstadt längst nicht tot ist.
Ungewöhnliches Bild am Samstagabend in der sonst eher leeren Mülheimer Innenstadt: Vor dem Good Life Concept Store steht eine lange Schlange und wartet auf Einlass. Innen verkauft Inhaber Julian Schick seine beliebten Gindrinks. Auf dem Platz zwischen Löhberg und Kohlenkamp sind die von ihm aufgestellten Tische komplett besetzt, so dass etliche Gäste im Stehen ihre Getränke zu sich nehmen müssen. Der leichte Regen? Nebensache – im entstehenden Szene-Viertel der Mülheimer Innenstadt.
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Neugierige drängen sich rund um die Dröppelminna
Und das gleiche Bild bietet sich nur ein paar Meter weiter runter Richtung Rathausmarkt. Im Unverpacktladen „Püngel & Prütt“ ist kein einziger Tisch mehr frei. Die paar Sitzgelegenheiten draußen reichen nicht für alle Besucher aus. Aufgrund des prognostizierten Regens hatten die drei Inhaberinnen es vorgezogen, ihren Barabend mit der Reggae-Band „The Rude Reminders“ im Innenbereich des Geschäfts stattfinden zu lassen und auf eine Bestuhlung rund um die Dröppelminna lieber zu verzichten.
Die paar Regentropfen, die dann vom Himmel kommen, tun der Stimmung aber keinen Abbruch. „Es ist einfach schön, mal hier in der Innenstadt zusammensitzen zu können“, freut sich Sabine, die mit ihren Freundinnen am Concept Store Cocktails schlürft. Und schiebt gleich den Wunsch hinterher, dass solche Events ruhig öfters in der Stadt veranstaltet werden sollten.
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Es sind gut und gerne jeweils 100 Menschen, die ihre Nasen neugierig in die Türen stecken – das ist schon mehr als nur ein Achtungserfolg für das junge Quartier, das sich soeben erst neu erfunden hat.
Der Markenname „Wallviertel“ hat sich noch nicht etabliert
Mit die Vorstellung eines künftigen Szene-Viertels rund um die Wallstraße können sich viele der Besucher anfreunden. „Wenn hier mehr passiert, würde der Citybereich nicht so tot sein und attraktiver werden“, meint Nicky. Die Bereitschaft der Mülheimer, zum Ausgehen die eigene Innenstadt zu nutzen und weniger auf Locations in den Nachbarstädten auszuweichen, würde zunehmen.
Allein damit sei es nicht getan, gibt Norbert, der es sich mit seinen Bekannten bei „Püngel & Prütt“ bequem gemacht hat, zu bedenken: „Es muss sich was am Ambiente ändern.“ Überall nur Steine, es fehle am Grün. Die Stadt hat seiner Meinung nach da eine Bringschuld.
Wenig vorgedrungen in die Köpfe der Mülheimer ist bislang der neue Markenname „Wallviertel“. Viele hören an diesem Abend das erste Mal davon. Verwunderung herrscht zudem über die Grenzziehung des Quartiers. Gehören doch auch Geschäfte weit jenseits der Wallstraße zum Netzwerk des Viertels.
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Forderung für eine coole Innenstadt: Menschen mit Ideen fördern
Große Zustimmung erfährt dagegen die finanzielle Förderung für Ladengründer durch Gelder des Landes NRW und seitens der Stadt. „Wenn Menschen mit Ideen zur Eröffnung eines Geschäfts unterstützt werden und sich einfach und unbürokratisch ansiedeln können, befruchtet das die gesamte Innenstadt“, glaubt Sandra. Die Austauschbarkeit der Stadtbilder könne so durchbrochen werden: „Egal, wo man hinfährt, überall schauen die Innenstädte ja gleich aus.“
Förderung für Existenzgründer
Mit dem Förderprogramm „EG Neu – Dein Quartal für Dein Quartier“ will die Stadt den Leerstand im Wallviertel reduzieren. Zu einem verringerten Mietzins mietet sie Ladenlokale an, die an Existenzgründer weitervermietet werden.
Die Bewerber erhalten drei bis sechs Monate einen Mietzuschuss von bis zu 80 Prozent. Nicht-kommerzielle Anbieter bekommen die Förderung bis zu 24 Monate lang.
Die Hoffnungen richten sich bei den Besuchern auf eine zukünftig breite Angebotspalette mit Fachgeschäften im „Wallviertel“. Verbunden mit der Erwartung, dass solche Veranstaltungsabende regelmäßiger folgen werden. Der Anfang ist zumindest gemacht worden.