Gelsenkirchen. Der Energie-Discounter „Stromio“ hat viele Verträge seiner Kunden gekündigt. Wie tausende Gelsenkirchener Kunden versorgt werden.

Mehrere Tausend Kunden hat es in Gelsenkirchen und in der Emscher-Region eiskalt erwischt: Ausgerechnet jetzt in der Winterzeit hat der Energiediscounter „Stromio“ die Kundschaft auf seiner Internetseite darüber informiert, dass das Unternehmen gezwungen sei, „alle Stromlieferverträge mit Ablauf des 21.12.2021 zu beenden“. Was das bedeutet.

Aus für Strom-Discounter: Gelsenkirchener ELE übernimmt Grundversorgung für 4800 „Stromio“-Kunden

Der Energie-Discounter „Stromio“ hat wegen der hohen Einkaufspreise auch in der Emscher-Lippe-Region Tausende Verträge gekündigt, bundesweit sind nach Schätzungen von Branchenkennern wie etwa der Verbraucherzentrale NRW Hunderttausende betroffen. „Wir rechnen zur Zeit damit, dass wir etwa 4800 ehemalige Stromio-Kunden in die Ersatzversorgung übernehmen werden“, sagte ELE-Sprecherin Stefanie Genthe.

Die Emscher Lippe Energie ist nämlich Grundversorger in Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck, in anderen Städten wie Bochum oder Duisburg springen die Stadtwerke bei der Grundversorgung ein. Die Betroffenen müssen der ELE-Sprecherin zufolge dafür nichts tun, „sie werden automatisch Vertragspartner im Grund- und Ersatzversorgungstarif“. Das ist die gute Nachricht, die Betroffenen sitzen also nicht daheim in ihren vier Wänden und müssen frieren.

Gelsenkirchener Verbraucherschützerin: Welle von kurzfristigen Abschlagserhöhungen

Es gibt aber dazu auch schlechte Nachrichten, wie Heike Higgen von der Verbraucherzentrale Gelsenkirchen weiß. „Wir erleben derzeit eine heftige Welle von kurzfristigen Abschlagserhöhungen“, sagt die Beraterin. Die massiven Preiserhöhungen beträfen viele Kunden mit preisgebundenen Lieferverträgen. Auf Nachfrage zu den zugesagten Konditionen, flögen sie mit Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht aus ihren Verträgen. „Und dass, ohne ausdrücklich eine solche Kündigung ausgesprochen zu haben“, so Higgen, die sich derzeit als Beraterin „beinahe täglich nur um dieses Thema kümmert“.

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Die Verbraucherschützerin erklärt auch das Warum hinter diesem Prozedere. „Die Energie-Discounter haben sich verspekuliert“, so Higgen. Sie hätten neue Kunden mit teils aggressiven Rabatten geworben, ohne sich aber vorher genügend Strom- oder Gasmengen auch für die Neukunden zu sichern. In der Folge mussten die Billiganbieter während der Vertragslaufzeit Energie zukaufen, mit mitunter unternehmerisch tödlichen Folgen für viele Billiganbieter. Denn die Tagespreise für Strom und Gas haben sich vervielfacht. „Deshalb kündigen solche Energiediscounter oft von sich aus, um noch zu retten, was zu retten ist von ihren Geschäftsfeldern“, sagt Higgen.

Run auf Grundversorger: ELE nimmt keine Neukunden außerhalb ihres Netzgebietes auf

Das wirkt sich nach Feststellung der Verbraucherzentrale negativ aus. „Wir erleben es zum einen, dass einige Grundversorger ihre Preise für gestrandete Discounter-Kunden angehoben haben“, berichtet Heike Higgen. Zum anderen nähmen Grundversorger keine Neukunden außerhalb ihres Netzgebietes an. „Letzteres ist auch bei der ELE aktuell der Fall“, so die Verbraucherschützerin. Higgen vermutet, dass der Energieversorger dadurch seine Bestandskunden schützen und nicht Gefahr laufen will, selbst in wirtschaftliche Schieflage durch extrem hohe Einkaufspreise zu kommen.

Denn Grundversorger kaufen Gas und Strom auf lange Sicht ein. Waren sie im Wettkampf anfangs oft unterlegen im Preisduell mit den Discountern, so böten sie aktuell „die unschlagbar besten Konditionen an“, weiß Higgen. Entsprechend groß sei jetzt der Run auf Grundversorger wie Stadtwerke und eben auch die ELE.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, sagte ELE-Sprecherin Stefanie Genthe, dass weder die ELE selbst noch die Konzern-Mutter E.ON „aktuell erhöhte Grundversorgungstarife für Haushaltskunden von insolventen Versorgern planen“. Die Sprecherin bestätigte jedoch, dass Neukunden außerhalb des firmeneigenen Netzgebietes abgewiesen würden. Genthe begründete diese Vorgehenweise damit, „wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuhalten durch die extrem hohen Beschaffungspreise für Strom und Gas“.

Eine erste Fassung des Beitrages enthielt die Information, das Unternehmen Stromio habe zudem Insolvenz angemeldet. Das ist nach Angaben von Stromio nicht der Fall. Wir haben den Fehler korrigiert.