Mülheim. Das Mülheimer Unternehmen Edeka Paschmann war Station im Ausbildungskonsens. Wie es der Firma gelingt, dass junge Leute Lebensmittel lieben.
Das neue Ausbildungsjahr steht in den Startlöchern – am Montag, 2. August, beginnt für viele junge Leute das Berufsleben. 80 neue Azubis sind es alleine bei Edeka Paschmann. Insgesamt bildet das Unternehmen, das seit über 50 Jahren von Mülheim aus Lebensmittelmärkte an Rhein und Ruhr betreibt, derzeit insgesamt 180 junge Menschen aus. Was Whatsapp und Tiktok dabei für eine Rolle spielen, erklärt die Ausbildungsleiterin.
„Unsere Philosophie ist es, für den eigenen Bedarf auszubilden“, sagt Venice Mückschitz, Ausbildungsleiterin bei Edeka Paschmann. Und Bedarf hat das Mülheimer Familienunternehmen durchaus – im Herbst soll die neue Filiale an der Weseler Straße – am ehemaligen Real-Standort – als größter der dann sieben Märkte in Mülheim eröffnen. „Weil wir dafür Mitarbeiter brauchen, haben wir in diesem Jahr besonders viele Azubis eingestellt“, erklärt Mückschitz. Eine Ausbildung im Lebensmittelhandel – bei vielen jungen Leuten steht die sicherlich nicht ganz oben auf der Liste der Berufswünsche.
Wer eine Lehre im Verkauf macht, wählt oft klassisch: Junge Frauen wählen Mode, junge Männer Technik
Wer sich für einen Beruf im Verkauf entscheide, wähle oft noch klassisch nach den Rollenmustern: Junge Frauen wollten eher Mode verkaufen, junge Männer dagegen Handys, weiß IHK-Bildungsgeschäftsführer Franz Roggemann. Und doch hat Edeka Paschmann nach Aussage der Ausbildungsleiterin keine Mühe, Bewerber für die Lehrstellen zu finden. Wie das Mülheimer Unternehmen das schafft, haben sich nun Vertreter von IHK, Kreishandwerkerschaft, Arbeitsagentur, Jobcenter, Gewerkschaften und des Unternehmerverbandes im Rahmen der Ausbildungstour des Ausbildungskonsens durch die MEO-Region vorstellen lassen.
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Paschmann bietet potenziellen neuen Mitarbeitern an, sich per Nachrichtendienst Whatsapp zu bewerben oder dafür die sozialen Medien wie Facebook oder Instagram zu nutzen – damit ist das Mülheimer Familienunternehmen mittendrin in der Welt der jungen Leute. „Heute ist es ja so, dass sich auch der Arbeitgeber bewerben muss bei Schulabgängern“, sagt Franz Roggemann.
Paschmann setzt bei Bewerbungen auf die sozialen Medien und Nachrichtendienste
Der Erfolg von Paschmann, Nachwuchskräfte zu finden, scheint ihm recht zu geben. „Noten gucken wir uns erst im zweiten Schritt an. Wer sich bewirbt, sollte das möglichst kreativ tun – das kann etwa auch über ein kleines Video per Whatsapp sein“, schildert Ausbildungsleiterin Mückschitz. Jeden der Bewerber lädt die Ausbildungsleiterin zunächst zu einem Praktikum ein – „dort geht es um Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit“.
Den Weg übers Praktikum ist auch Victoria Paszkowski gegangen. Bald, im September, ist die 20-Jährige im zweiten Ausbildungsjahr zur Kauffrau im Einzelhandel, ihr aktueller Einsatzort: die Käsetheke. „Mir gefällt an meiner Arbeit, dass jeder Tag anders ist, immer etwas Neues hinzukommt und man Kontakt zu den Kunden hat.“
Unternehmen bietet vielfältige Weiterbildungen an
Wohin ihr beruflicher Weg sie führen wird, will sich die junge Frau noch offen halten. Ihre Chancen, bei Edeka Paschmann zu bleiben, stehen ziemlich gut. „Wir haben eine Übernahmequote von rund 95 Prozent“, sagt Ausbildungsleiterin Mückschitz. Was die 31-Jährige, die ihre Ausbildung selbst 2006 bei Paschmann absolviert hat, auch darauf zurückführt, dass das Unternehmen vielfältige Perspektiven ermögliche. „Wir bieten jedem unserer Azubis beispielsweise an, die Zusatzausbildung zum Frischespezialisten zu machen.“
Diese Option hat auch Yannick Luft gewählt – und es nicht dabei belassen. Der 22-Jährige ist im dritten Ausbildungsjahr und macht zusätzlich den Handelsfachwirt. „Mein Ziel ist es, Filialleiter zu werden“, sagt der junge Mann aus Oberhausen. Dieses Ziel hat Sven Hundt bereits erreicht. Er leitet die derzeit größte Paschmann-Filiale – das Edeka-Center an der Mannesmannallee mit rund 220 Mitarbeitern.
Von der Aushilfe zum Leiter der größten Filiale
Nach dem Schulabschluss 1999 hat er bei Paschmann angefangen, ganz klassisch als Aushilfe, um Geld zu verdienen, erzählt der Filialleiter. Schnell war klar: Dort will er die Ausbildung machen – und weiterkommen. Im kleinsten Geschäft von Paschmann ist er einst gestartet, nun wird er bald Filialleiter der größten Filiale sein – Sven Hundt wird den neuen Laden an der Weseler Straße leiten. „Es war mein Wunsch, mal eine Filiale von Anfang an mit aufzubauen“, sagt der Paschmann-Mitarbeiter. Sein Chef habe ihm das nun ermöglicht und so eine Perspektive geschaffen.
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Beeindruckt von Engagement und Wir-Gefühl bei Paschmann waren die Teilnehmer der Ausbildungstour des Ausbildungskonsens und hatten ihrerseits Botschaften im Gepäck. „Viele junge Leute meinen, dass die Unternehmen wegen Corona gar nicht ausbilden – das ist aber falsch“, betonte Elisabeth Schulte, Mitglied der Geschäftsführung des Unternehmerverbandes. Die Pandemie habe es durchaus komplizierter gemacht, junge Leute zu erreichen, haben auch Thomas Konietzka, Leiter des Jobcenters, und Jan Boesten, Bereichsleiter der Arbeitsagentur, die Erfahrung gemacht. Dabei suche die Wirtschaft händeringend Ausbildende.
In Mülheim gibt es derzeit noch 457 unbesetzte Ausbildungsstellen
Das spiegeln auch die aktuellen Zahlen am Ausbildungsmarkt wider: Insgesamt 457 unbesetzte Ausbildungsstellen sind der Arbeitsagentur derzeit für Mülheim gemeldet – insgesamt 23 Stellen weniger als im Jahr zuvor (-4,8 Prozent). Dem stehen in der Ruhrstadt 264 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, die noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben – ein Plus von 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Durch den Überhang an freien Stellen, ist Jan Boesten sicher, müsste jeder Suchende einen Platz finden können. Das könne aber nur durch gezielte Beratungsarbeit gelingen, betont Thomas Konietzka. „Alle Unversorgten laden wir nun zum Gespräch ein“, sagt Arbeitsagentur-Bereichsleiter Boesten und appelliert an Spätentschlossene: „Der Ausbildungsstart August oder September ist nicht in Stein gemeißelt. Jugendliche können auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einsteigen.“