Essen. . Mafia, kriminelle Migranten: “Wer hat die Macht auf den Straßen?“, fragte Frank Plasberg am Montagabend in seinem TV-Talk “Hart aber fair“. Seine Sendung war Vorbild in Sachen Debattierkunst: Plasbergs Gäste stritten sich zeitweise so intensiv, dass man kein Wort mehr verstand.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl hat in den 1980er Jahren gesagt, im künftigen Jahrtausend werde man sich ziemlich heftig um die innere Sicherheit des Landes streiten und den Streit auf den Straßen führen.

Kohl hat, was den Streit betrifft, recht gehabt. Zumindest den in Talkshows, vielleicht auch den in den Städten. „Wer hat die Macht auf den Straßen?“, hat Frank Plasberg am Abend seine Gäste in der ARD zur Entwicklung der Kriminalität in Deutschland gefragt.

Zur Mafia. Zum Auftreten arabischer Clans in Bremen und Berlin. Zu den Roma-Familien in Leverkusen und den Vorwürfen der Polizistin Tania Kambouri aus Bochum, die Polizei könne sich gegen ausländische Straftäter nicht mehr durchsetzen. Zu den 242 Millionen Euro Schaden, die durch Kfz-Diebstähle angerichtet werden und zu den Kabelanlagen, die Dortmunder Nordstadt-Bewohner geklaut haben.

Mafia hat sich in Deutschland festgesetzt

Der grüne Sicherheitspolitiker Volker Beck und der bekannte Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt haben sich über diese Fragen so laut bekriegt, dass Moderator Plasberg kein Wort mehr verstand. Viel gerne gehörtes Talkshow-Tamtam. Was auch noch gute Quote macht.

Im Kern die Frage: Brauchen wir strengere Gesetze?

Das ist tatsächlich eine der heißen Dinge, die die Sicherheits-Community gerade diskutiert. An diesem Dienstag wird der Europäische Gerichtshof ein Urteil fällen, wie weit in Europa die Speicherung von Telefondaten durch die Provider erlaubt sein wird und die Möglichkeiten, diese Daten an ermittelnde Polizei weiter zu geben.

Die ARD, die die Story von einem geständigen Mafia-Killer gemeinsam mit WAZ-Autor David Schraven recherchiert hatte, hat ihre Rechercheergebnisse mit einer Punktlandung direkt vor Plasbergs „Hart aber fair“ ins Programm gestellt. Die Aussage des vielfachen Mörders schreckt und gibt den Stoff für die Debatte: In Deutschland hat sich die Mafia schon mehr festgesetzt als wir alle ahnen.

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„Kriminelle wollen Geld verdienen“, findet Wendt und holt großes Kaliber raus. Wir brauchten nicht nur die Speicherung der Telefondaten, sondern „die Umkehr der Beweislast“. Was bedeutet: Verdächtige müssen nachweisen, woher sie ihr Vermögen haben. In Italien ist das so – genau wie es dort die Bestimmung gibt, dass alleine die Zugehörigkeit zu einer Mafiafamilie einen Straftatbestand darstellt. Der Polizeigewerkschaftler will solche Verschärfungen und noch mehr: „Unsere Polizei, die Gerichte und die Staatsanwaltschaften sind skandalös ausgestattet“. Es ist schnell klar, dass Wendt die Mehrheit im Publikum auf seiner Seite hat.

Vorurteile prägen Umgang mit Migranten

Beck hat es deshalb nicht leicht – und macht gegen die Ideen, in der Bundesrepublik das italienische Recht zu kopieren, mobil. „Wir müssen nicht weiter gehen. Die italienische Justiz ist kein Vorbild für Deutschland“. Mehr noch, für einen Grünen schwere Kost: „Frau Merkel ist nicht Berlusconi.“ Beck sieht eigentlich auch gar keine Notwendigkeit für strengere Regeln. Tatsächlich stelle man seit dem Jahr 2000 einen Rückgang bei vielen Straftaten fest.

Auch warnt der Grüne: „Der Eindruck entsteht hier, dass alle Migranten kriminell sind“. Schlicht falsch sei das. Die Beckschen Argumente: Statt alles nur auf die härtere Gangart gegen ausländische Gangster zu konzentrieren, sei doch - auch - eine bessere Integration angebracht. Die Roma-Schule gleich vor seiner Haustür in Kreuzberg mache es gut vor.

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Der Anwalt und Strafrechtler Gottfried Reims ist einer von der ruhigeren Sorte. Nichtsdestotrotz liegt er auf Becks Linie. „Man braucht die Beweislast-Umkehr nicht“, glaubt er, „das muss der Staat schon nachweisen“. Auch der Appell zu mehr Integration ist für ihn richtig: Wenn da von kriminellen Clans die Rede sei, welche Chance habe dann ein Achtjähriger in diesen Familien, dem Gerede zu entgehen?“ Kurzum: „Die Hetz-Parolen müssen aufhören“.

Wenn zwei Buchautoren sich fetzen

Zwei Buchautoren haben versucht, die Sendung zu kapern. Walter Wüllenweber vom „Stern“, der über den libanesischen Abou-Chaker-Clan in Deutschland recherchiert hat, und Beate Krafft-Schöning, die über die „Blutsbande“ einer 3000 Köpfe starken bremisch-arabischen Großfamilie schrieb, gegen die 50 Anklagen gelaufen sind. Sie glaubt: „Volksverhetzend“ sei vieles, was heute geredet werde. Die arabischen Familien seien genau so viel oder so wenig kriminell wie andere Familien auch.

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Auch, wenn sie mit Wüllenweber sichtbar nicht kann und sich mit ihm über weite Strecken der Sendung gerne fetzt – am Ende hat der „Stern“-Mann eine vielleicht treffende Zustandsbeschreibung zum Thema „Deutsche und Ausländerclans“ geliefert: „Die deutsche Gesellschaft hat alles getan, dass sie sich nicht integrieren konnten“. Die verdächtigten Ausländergruppen dagegen „wollten sich nicht integrieren lassen“. Wüllenweber: „Es gibt keine Guten“.