Essen. Kartelle, Clans und Mafiagruppierungen - ein Prozess am Essener Landgericht gibt Einblicke in die internationalen Strukturen der Organisierten Kriminalität. Ein hier ansässiger Autohändler soll Millionen von Einnahmen aus Drogengeschäften reingewaschen haben.

Essen gilt für die Staatsanwaltschaft als Drehscheibe für die Geldwäsche von Einnahmen aus dem internationalen Drogenhandel. Das ist der Kern eines Prozesses vor dem Landgericht Essen, in dem ein 46-jähriger Libanese beschuldigt wird, Gelder mit Hilfe libanesischer Autohändler gewaschen zu haben.

Am Montag kommt es zur Verlesung der Anklage und man glaubt gar nicht, dass der freundlich wirkende Mustapha M., ein Autohändler aus Beirut, Dreh- und Angelpunkt der finanziellen Transaktionen sein soll. Mehr als drei Millionen Euro soll er von November 2010 bis Mai 2011 im Auftrag südamerikanischer Drogenkartelle gewaschen haben.

1,1 Millionen Euro in bar - und mit Kokainspuren

Die 50 Seiten starke Anklageschrift ist eine Art Abschiedsgeschenk von Staatsanwältin Yvonne Rothe, die zum Jahreswechsel zur Bochumer Staatsanwaltschaft gewechselt ist. Die XVI. Strafkammer darf an den zunächst vier geplanten Prozesstagen abtauchen in die weite Welt der Kartelle, Clans und Mafiagruppierungen, die auch vor Morden nicht zurückschrecken sollen. Angestoßen wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Frankfurt mit ihrem Ermittlungsverfahren „Zeder“, angereichert durch Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes aus den Ermittlungen „Schneekönig“. Immer ging es um die internationale Geldwäsche, Unterstützung gab es für die deutschen Ermittler von Fahndern und verdeckten Ermittlern der amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA.

In zwölf Fällen glaubt die Essener Staatsanwaltschaft jetzt dem in Beirut lebenden Mustapha M., der bei seiner Einreise nach Deutschland festgenommen wurde, zwölf Taten nachweisen zu können. Auf Anweisung des Libanesen sollen seine Vertrauenspersonen in verschiedene Städte Westeuropas, darunter vor allem Amsterdam, gefahren sein, um dort Drogengelder entgegenzunehmen. Keine kleinen Summen. Fast immer sind es sechsstellige Beträge, einmal gab es in Amsterdam sogar 1,1 Millionen „auf die Hand“. Dass es Drogengelder sind, steht für die Fahnder außer Zweifel. An allen sichergestellten Scheinen hafteten Kokainspuren.

Das Geld wurde in Essen verteilt - und Autos für Westafrika gekauft

Die Vertrauenspersonen brachten das Geld laut Anklage nach Essen und Umgebung und verteilten es dort an vorher bestimmte Autohändler, fast immer libanesischer Herkunft. Diese kauften mit dem Geld Autos, die nach Westafrika verschifft wurden, oder brachten es auf verschlungenen Wegen direkt nach Beirut.

Mustapha M., der laut Anklage mindestens drei Prozent Provision bekam, soll dann die Verkaufserlöse aus Westafrika sowie die direkt transferierten Gelder an die Kartelle in Kolumbien und anderen südamerikanischen Ländern weitergeleitet haben. In Holland soll Mustapha M. mit einer dominikanischen Organisation zusammengearbeitet haben, die auf den klangvollen Namen „Los Maestros“ hört. Einige ihrer Mitglieder sollen dort wegen Anstiftung zum Mord inhaftiert worden sein, heißt es. Dabei geht es wohl auch um die Ermordung eines Kapitäns in der Dominikanischen Republik. „Los Maestros“ sollen ihn verdächtigt haben, ihr Rauschgift gestohlen zu haben.

Ganz neu ist der Komplex für die Essener Strafjustiz nicht. Ein mutmaßlicher Geldbote des Angeklagten ist vom Landgericht bereits im Sommer 2012 verurteilt worden. Vier Jahre Haft bekam er.