Wien. . Die Idee war klasse. Seit Adele Neuhauser an der Seite von Harald Krassnitzer ermittelt, hat der Wiener „Tatort“ deutlich an Profil gewonnen. Das Duo ist gut, wenn es harmoniert. Aber noch besser ist es, wenn es streitet. Gründe dafür liegen im aktuellen Fall auf der Hand: Die Ermittler sehen in „Abgründe“.
Das Publikum hatte den „Tatort“ aus Wien (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) lange unterbewertet. Mit einem Schnitt von 8,34 Millionen Zuschauern stehen Harald Krassnitzer als Moritz Eisner und Adele Neuhauser als Bibi Fellner nicht eben oben in der Hitliste der beliebtesten Fahnder.
Ein Musterbeispiel dafür, dass Quote und Qualität nur einen geringen Deckungsgrad besitzen. Denn das Schauspieler-Duo gehört zu den aufregendsten Teams der deutschsprachigen Fernsehszene.
Seit 2011 steht Adele Neuhauser Harald Krassnitzer zur Seite, und diese Idee war grandios. Neuhauser verkörpert mit ihrer ganzen Ausstrahlung, vor allem aber mit ihrem Gesicht, dass ihr nichts Menschliches fremd ist.
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Bei aller Abgebrühtheit wirkt sie dennoch nicht zynisch. Mit ihrem Chef bewegt sie sich auf Augenhöhe, weil sie nach Niederlagen immer wieder aufsteht. Neuhauser ergänzt, was Krassnitzer fehlt: Zusammen sind sie unschlagbar. Meistens.
Nach Schlappen steht sie wieder auf
Gerade die ersten Film-Minuten machen klar, warum die aktuelle Episode aus der österreichischen Hauptstadt „Abgründe“ heißt. Der „Tatort“ von Ulli Brée (Drehbuch) und Harald Sicheritz (Regie) zeigt exakt den Winter, der in diesem Jahr komplett ausfiel: eisig, grau, trostlos. Auf einem Tiefpunkt scheint auch die Beziehung der beiden Ermittler angekommen zu sein.
Fellners angejahrter Firebird, eine Leihgabe von ihrem zwielichtigen Kumpel Heinzi, ist dabei, sein Leben auszuhauchen. Und mit einem Streit über den Chic von neongelben Rettungswesten bricht für Eisner und Fellner der Tag des offenen Wortes an.
TatortAll der angestaute Groll explodiert. Schließlich schmäht Eisner den Wagen der Kollegin als „Schlampen-Schleuder“, worauf die vor nicht allzu langer Zeit trocken gelegte Fahnderin zurückkeult: „Da könnte man glatt zum Alkoholiker werden.“
Kurz darauf, am Tatort in der niederösterreichischen Provinz, empfiehlt die frühere Frau von der Sitte dem Chefinspektor erst mal einen Schnaps: Sie sehen in den Abgrund eines Gebäudes, das ein „Horror-Haus“ war. Aus diesem Gebäude floh ein Mädchen nach fünfjähriger Geiselhaft – der Fall Kampusch grüßt aus der Ferne. Die Leiche im Keller indes ist eine Kollegin von Eisner und Fellner.
Das Mordopfer nervte Vorgesetzte
Natürlich raufen sich die beiden Ermittler wie ein altes Ehepaar zusammen. Die beiden vereint verschärfte Wahrheitsliebe, sie drücken sich auch vor beklemmenden Erkenntnissen nicht, wie die „Tatort“-Episode „Angezählt“ übers Elend bulgarischer Sex-Sklavinnen im vorigen Herbst eindrucksvoll bewies.
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Doch die Abgründe, in die die beiden zerknautschten Fahnder diesmal blicken, liegen vor allem in ihrer eigenen Behörde. Das Mordopfer stellte in den Augen ihrer Vorgesetzten nervige Fragen. Kurz darauf wurde sie suspendiert. Folgerichtig werden Eisners und Fellners Ermittlungen, wie es scheint, systematisch behindert: vom BKA, von der Staatsanwaltschaft, ja vom Ministerium. Schließlich kommt Eisners Tochter bei einem Unfall mit Papas Dienstwagen fast ums Leben.
Natürlich lehrt der Krimi Skepsis gegenüber staatlichen Autoritäten. Zugleich aber singt der Film das hohe Lied der wahren Helden: Menschen, die sich nichts und niemanden einschüchtern lassen.