Hart aber fair - Frank Plasberg bringt Politikern das Rechnen bei
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Essen. Bei Frank Plasberg diskutierten Politiker der großen Parteien gestern die wohl wichtigsten Themen dieses Wahlkampfes: „Rente, Arbeit, Mindestlohn – wer sorgt für Gerechtigkeit?“ lautete der Titel der “Hart aber fair“-Ausgabe. Nicht für Gerechtigkeit, sondern nur für Verwirrung sorgten die Gäste jedoch. Besonders beim Umgang mit Zahlen und Statistiken fiel die eine oder andere Rechenschwäche auf.
Fünf Politiker, ein engagierter Moderator, null
Erkenntnisgewinn – Frank Plasberg diskutierte mit Vertretern der großen
Parteien die drei Themen, die die Bundestagswahl wohl entscheiden werden:
„Rente, Arbeit, Mindestlohn – wer sorgt für Gerechtigkeit?“ lautete der Titel
der Sendung. Seltsamerweise hatte man nach dem Ende der Diskussion das Gefühl,
dass eigentlich alles Parteien das Gleich wollen – neben Gewinnen, natürlich:
Faire Löhne, faire Renten, überhaupt ganz viel Fairness. Mit Zahlen und
Statistiken können unsere Politiker allerdings nicht so gut umgehen.
Jeder weiß: Das Ergebnis einer Studie bestimmt ihr
Auftraggeber. Im Vorfeld der Bundestagswahl am 22.September haben die deutschen
Parteien offenbar ganz viele Studien in Auftrag gegeben oder ausgegraben, falls
das Geld fehlte. Bei Frank Plasberg warfen die Gäste nur so mit Zahlen um sich.
Jedoch: Eine gemeinsame Basis fehlte. Wer soll da noch wissen, was von den
Aussagen und Versprechen der Politiker zu halten ist?
FDP biedert sich bei Mindestlohn der Wirtschaft an
Zunächst aber zu den Teilnehmern: Ursula von der Leyen (CDU)
ist als Bundesarbeitsministerin mittlerweile Dauergast in Sendungen, die den
Mindestlohn zum Thema haben. Christian Lindner vertrat die FDP, die sich mit
jeder Talkshow mehr von ihrer harten Linie gegen gesetzliche Lohngrenzen zu
entfernen scheint. Denn die FDP fordert zwar keinen gesetzlichen Mindestlohn,
aber eine Lohnuntergrenze, kann den Unterschied aber nicht erklären (eine
verbale Spitzfindigkeit, die wohl die Wähler aus der Wirtschaft beruhigen
soll).
Manuela Schwesig, Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales des
Landes Mecklenburg-Vorpommern, präsentierte das Wahlprogramm der SPD. Oskar
Lafontaine schimpfte sich für die Linken durch die Sendung. Und Katrin
Göring-Eckardt vertrat tapfer die Meinung der Grünen. Frank Plasberg übernahm
in diesem Kammerstück selbstredend die Rolle des Oberlehrers. Offenbar im Fach
Mathematik.
Schwesig wirft Lindner bei "Hart aber fair" Schönrednerei vor
Denn Zahlen und Statistiken sind
für unsere Politiker offenbar keine Fakten mehr, sondern der nasse Sand, auf
dem sie ihr Wahlprogramm bauen. Von 30 Mio. abhängig Beschäftigten in
Deutschland bekomme jeder Vierte weniger als den Mindestlohn, erklärte
Plasberg, damit liege Deutschland auf dem drittletzten Platz in der EU: „Haben
wir dafür in der deutschen Sprache nicht das Wort peinlich?“ fragte er
anschließend seine Gäste und erntete dafür tosenden Applaus vom Publikum.
Eine
Berechnung, die Christian Lindner so nicht stehen lassen wollte: Darin seien
schließlich auch Schüler und Azubis inbegriffen, die Situation sei also gar
nicht so dramatisch, verteidigte sich der FDP-Vertreter. Seiner Kollegin Manuela
Schwesig (SPD) verschlug das glatt die Sprache: „Es ist unglaublich, wie Sie
sich die Statistik schönreden!“ empörte sie sich.
Plasberg erwischt Oskar Lafontaine beim Verdrehen von
Zahlen
Vom Oberlehrer Plasberg erwischt
wurde Oskar Lafontaine, als es um die Renten ging. Jeder zweite Rentner in
Deutschland habe weniger als 700 Euro zur Verfügung, beklagte er. Plasberg
korrigierte sofort: „Das ist ein gutes Beispiel, wie man mit richtigen Zahlen
Stimmung machen kann.“
Denn mit den 700 Euro sei nur die gesetzliche Rente
gemeint. Gemeinsam mit anderen Privatrenten und Ersparnissen kämen nur zwei
Prozent der deutschen Rentner auf eine solche Gesamtsumme. Die restlichen 98
Prozent lägen darüber. So schnell kann sich ein Argument in Nichts auflösen.
Von der Leyen blieb Antwort schuldig
Frank Plasberg wäre nicht hart,
aber fair, wenn er nicht ab und zu in eine Wunde pieksen würde. An diesem Abend
war Ursula von der Leyen das Ziel seiner Wahl. Die sonst so lautstarke und
redegewandte Ministerin prallte in dieser Stunde an eine Wand aus Vorwürfen:
Mütterrente, Mindestlöhne und Lebensleistungsrente seien ja tolle Ideen, aber
warum sie diese nicht umgesetzt habe in den vergangen vier Jahren, wollten ihre
Kontrahenten (ausgenommen der handzahme Christian Lindner) und der Moderator
wissen. Eine Antwort gab von der Leyen darauf nicht, verwies nur immer wieder
auf die Errungenschaften der schwarz-gelben Regierung (Mindestlohn in sieben
Branchen).
Plasberg machte das Problem beim gelben Koalitionspartner aus: „Wenn
Sie nicht diesen Klotz am Bein hätten, hätten wir dann einen Mindestlohn?“
„Keinen Klotz!“ verteidigte sich von der Leyen schnell, bevor Lindner noch
misstrauisch geworden wäre. Rückblickend war dies wohl der einzige Moment der
Sendung, in der die Gäste nicht ihre Wahlkampf-Dialoge abspielten. Ob sich im
Endstadium des Wahlkampfes aus den Dauerschleifen der Politiker noch
Erkenntnisse gewinnen lassen, ist nach dieser Sendung jedenfalls mehr als
fraglich.
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