Essen. Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht: Besonders Werksvertragler müssen häufig mit Hartz IV aufstocken - zu Lasten anderer Arbeitnehmer. Der Plasberg-Talk “Hart aber fair“ bringt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wiederholt zum Augenrollen - und den Moderator gehörig unter Druck.
Billiglöhne stehen zurzeit ganz oben auf der Diskussionsliste in Deutschland und der Politik. Natürlich lässt es sich Moderator Frank Plasberg nicht nehmen, eine weitere Plattform für jammernde Arbeitgeber und sich selbst lobende Politiker zu bieten. In der Talkshow „Hart aber fair“ diskutierte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit den anderen Teilnehmern unter dem Thema „Hungerlohn bei Luxusmarken – Die neue B-Klasse der Arbeitswelt?“ über die Ungerechtigkeit der Billiglöhne. Am Ende kamen, wie immer, keine Lösungen zustande.
Neuester Anlass für die Talkrunde: Der Undercover-Bericht eines ARD-Reporters beim Automobilhersteller Daimler. Er deckte auf, dass der Autokonzern in drei Klassen bezahlt: Festangestellte, Leiharbeit und Werkvertragler. Die Werkvertragler verdienen rund 1000 Euro netto – und können sich deshalb noch bis zu 1500 Euro Unterstützung vom Amt holen.
Unternehmen machen mehr Gewinne, andere Arbeitnehmer müssen mehr in die Tasche greifen, um ihre unterbezahlten Kollegen mitfinanzieren zu können – über die Steuern. Kann das der Sinn sein, der aus dem gesetzlichen Mindestlohn gezogen wird? NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist sich sicher: Nein, dem muss entgegengewirkt werden. Das ist dann bis auf einige wenige bissige Kommentare in Richtung ihres FDP-Kollegen das einzig sinnvolle, das über ihre orangefarbenen geschminkten Lippen kommt.
Frank Plasberg konnte FDP-Politiker Lindner kaum bremsen
Die Ministerpräsidentin beschränkte sich größtenteils auf Kopfschütteln und demonstratives Augenrollen, wenn ihr Politiker-Kollege Manfred Lindner von der FDP sein Mitteilungsbedürfnis auslebte und den anderen Teilnehmern wenig Chancen ließ, ihre Argumente vorzulegen. Zwischenzeitlich konnte Frank Plasberg ihn nicht bremsen in seinem Redeschwall. Viele bedeutungsvolle Worte kamen allerdings nicht dabei herum, die Tiraden erinnerten eher an eine vehemente Wahlkampfdebatte.
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Sein Sitznachbar Rainer Dulger, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, stand dem FDPler in nichts nach und klammerte sich angestrengt an seine Statistiken, nach denen die Metallindustrie seit 2010 über 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Dass über die Hälfte davon befristete Zeitverträge sind, wie Plasberg anmerkte, ignorierte der Präsident.
Stattdessen setzte sich Dulger zur Wehr und drängte den Moderator in die Defensive mit der Frage nach den Arbeitsverhältnissen beim WDR. „Ist es nicht auch so, dass eine Produktionsfirma, die vom WDR angestellt ist, für 'hart aber fair' verantwortlich ist? Werden die Damen, die uns geschminkt haben, nach Tarif bezahlt?“
Plasberg überfordert mit Frage nach Tarifzahlungen bei Produktionsfirma
Plasberg reagierte überfordert, erzählte von einem eigenen Koch beim Catering des WDR. Daraufhin rollte Hannelore Kraft erneut mit den Augen, vielleicht weil sie im Hinterkopf die heutigen, finanziell schwierigen Zeiten für viele Arbeitnehmer in weiten Teilen der Medienbranche vor sich sah.
Dass ausgerechnet ein Traditionsunternehmen wie Mercedes Benz seine Arbeiter in eine Drei-Klassen-Gesellschaft unterteilt, überraschte vor allem Stefan Sell, Professor der Sozialpolitik und Sozialwissenschaft an der Uni Koblenz: „Die haben so viele Juristen in der Rechtsabteilung, wie kann man dann so dumm sein, so etwas durchzuziehen?“
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Die wirklich schockierende Information der Sendung, auch für viele Zuschauer, wie die Gesichter des Publikums deutlich machten, waren die von der IG Metall durchgedrückten durchschnittlichen Gehälter der Arbeiter in einem Automobilkonzern: 3300 Euro brutto plus Zuschläge, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Überstunden und in manchen Fällen sogar eine Gewinnbeteiligung. Wohlgemerkt für eine 35-Stunden-Woche.
Spätschichtzuschlag bei Automobilkonzern ab 12 Uhr mittags
Frank Plasberg hatte hier einen Lichtblick der Sendung. Investigativ hakt er bei dem IG Metaller Detlef Wetzel nach, wie es sein könne, dass die festangestellten Arbeitnehmer zum Beispiel einen Spätschichtzuschlag ab 12 Uhr mittags bekämen? Mit der Antwort „das ist so gewachsen“ gibt er sich nicht zufrieden. Doch auf sämtliche Nachfragen geht weder der Gewerkschafter ein, noch äußert sich Hannelore Kraft dazu oder ein anderer der Runde.
Ob es gerechtfertigt ist, dass sich die Festangestellten für höhere Löhne bei sich selbst einsetzen und gleichzeitig ihre unterbezahlten Kollegen durch Steuern mitfinanzieren? Nein. Da sind sich die Teilnehmer bei „Hart aber fair“ einig. Dass nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch gut verdienende Arbeitnehmer auf ein wenig ihrer guten Gehälter verzichten könnten, um Werkvertragler zu unterstützen, trauten sich Politiker, Gewerkschafter und auch der Moderator nur anzudeuten.