Essen. . Betrüger lauern überall. Sandra Maischberger hatte am Dienstagabend gleich zwei sehr dreiste Vertreter in ihrem ersten TV-Talk nach der Sommerpause zu Gast, um übers Täuschen und Tricksen zu sprechen. Leider befasste sich die Sendung fast nur mit den Betrügern und weniger damit, wie man sich schützt
Ob „Klau-Kids“ oder „Enkel-Trick“: Das Thema Betrug ist aktuell wie nie, gerade im Sommerloch. Eine der unzähligen TV-Debatten zu Steuersündern oder mutmaßlich plagiierenden Politikern haben die Zuschauer vermutlich satt – insofern hat Sandra Maischberger ein gutes Händchen damit bewiesen, sich in ihrer Talk-Runde am Dienstagabend mit Trickserei und Täuschung zu befassen. Die Debatte unter der Frage „Betrüger, Hochstapler, Heiratsschwindler: Wie leicht wird man Opfer?“ schrammte an den Bedürfnissen der meisten Zuschauer aber wohl vorbei. In den Mittelpunkt der Show drängten sich nämlich zwei verurteilte Betrüger – mit Geschichten, die man eigentlich nicht glauben kann.
Die Sendung krankte bereits an der Fragestellung. Wie leicht man Opfer werde? Maischberger berichtete von einer Million Betrugsfällen in Deutschland pro Jahr, mit deren Folgen bis zu drei Millionen Menschen zu kämpfen hätten – „ohne Dunkelziffer“. Die Moderatorin begrüßte drei Gäste auf ihren Sofas, die entweder betrogen haben oder betrogen wurden. Mit zwei Anekdoten aus dem Kollegenkreis belegte sie außerdem, dass auch Medienschaffende nicht vor Schwindlern gefeit sind.
Eine Antwort auf die Eingangsfrage war also ohne Diskussion gefunden: Man wird durchaus leicht Opfer. Sollte die Runde dann nicht viel mehr erörtert haben, wie sich Menschen schützen können? Vorweg: Dieser Aspekt verkam in der Debatte zur Randnotiz.
Maischberger wirft einen Blick in die Welt der Betrüger
Stattdessen stürzte der Zuschauer ausgiebig in die Abgründe der betrügerischen Gedankenwelt. In die Welt von Gert Postel zum Beispiel. Jahrelang arbeitete der Postbote als Arzt, ohne Medizin studiert zu haben. Ein persönlicher Schicksalsschlag habe seine Abneigung gegenüber Psychiatern geschürt, berichtete er, und eigentlich wollte er sich „nur ein bisschen öffentlich über Psychiater lustig machen“. Das Motto: „Was die können, kann ich schon lange.“
Aus dem „Bisschen“ wurde eine Karriere als Oberarzt: Postel fälschte Urkunden, wurde gar vor Gericht als Gutachter gehört. Das gefiel ihm offensichtlich. Bei Maischberger wurde er nicht müde zu betonen, dass ihm ein Vorgesetzter bereits nach sechs Monaten mitteilte: „Herr Oberarzt Dr. Postel übertrifft die Erwartungen.“ So posaunte Postel es einmal, zweimal. Dass er Menschen möglicherweise gefährdete, ihnen schadete? Interessierte weniger. Und Reue ließ Postel auch nicht erkennen.
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Peter Mike Wappler ist noch ein anderes Kaliber. Er fälschte nicht nur Urkunden. Der Betrüger brachte einen Geschäftspartner um zig Millionen Euro – und täuschte dafür sogar den eigenen Tod vor, wie er sagt. Während der falsche Arzt Postel mit vier Jahren Haft davon kam, saß Wappler insgesamt 18 Jahre im Gefängnis. Aber beide vereint: So richtig Reue empfinden sie nicht. „Ich habe Betrüger betrogen. Eine alte Oma würde ich niemals betrügen“, behauptete Millionenschwindler Wappler.
Psychiater und Gerichtsgutachter Hans-Ludwig Kröber war von dieser Einstellung nicht überrascht. „Die Betrüger bereuen höchstens die Fehler, die zu ihrer Verhaftung geführt haben“, erklärte der Professor. Der materielle Ertrag stehe hier gar nicht im Vordergrund. „Es geht um das Erleben der Performance selbst. Andere in das Schauspiel zu verwickeln und den eigenen Willen durchzusetzen“, so Kröber. Und in der Tat: Das Auftreten der beiden Betrüger wirkt vor allem selbstdarstellerisch.
Wichtiges nur am Rande
Es bleibt fraglich, ob man solchen Schwindlern eine Plattform geben sollte. Die ARD tischte dem Zuschauer hier zwei wirklich außergewöhnliche Beispiele auf – viel näher am Alltag der Menschen war aber das, was WDR-Multimediaexperte Dennis Horn, Polizist Sebastian Fiedler und die Betroffene Angelika Bartz nur kurz zur Debatte beisteuerten. Zum Beispiel Bartz' Erfahrungen mit einem Heiratsschwindler. Tipps gegen Enkel-Tricks oder Passwort-Klau im Internet. Das alles verkam leider zur Randnotiz.
Zu wissen, wie unverschämt bestimmte Täter sind, ist schön und gut – im Alltag schützt das die Menschen aber nicht.