Essen. Soziale Brennpunkte wie die „Problemhäuser“ in Duisburg oder Dortmunder haben dafür gesorgt, dass die Begriffe Sinti und Roma in Deutschland wieder negativ belegt sind. In ihrer Talkrunde fragte Sandra Maischberger: „Feindbild Sinti und Roma: Sind wir zu intolerant?“ Allein die Formulierung sorgt für Empörung.

Er möchte nicht wahrhaben, dass die Menschen, für die er steht, gerade ein Gesprächsthema sind: Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrates der deutschen Sinti und Roma. Dem, was da momentan über ihn hereinbricht, steht er zornig und hilflos gegenüber. Ganz Deutschland schüttelt den Kopf über angebliche „Räuber-Clans“ mit Roma- oder Sinti-Wurzeln, die Häuser besetzen, ihre Töchter und Frauen auf den Strich schicken und die Kinder als Taschendiebe in die Einkaufszentren oder als Bettler auf die Straße.

Wieder mal wird eine ganze Volksgruppe in einen Topf geworfen, Deckel drauf, fertig. Gerade erst standen die Salafisten, sprich türkische junge Männer, sprich Türken allgemein, sprich Muslime allgemein als Gefahr für Deutschland zur Diskussion, jetzt kommen die Nächsten dran. So gesehen trifft Sandra Maischberger wieder mal mit der Formulierung ihres Sendungsmottos vollkommen ins Schwarze. Vielleicht plappert sie den Boulevardmedien aber auch nur wieder die Schlagzeilen nach.

Gerade erst sei man darüber hinweg, die Sinti und Roma Zigeuner zu nennen

„Wir identifizieren uns mit diesem Land und das muss endlich zur Kenntnis genommen werden“, betont Romani Rose. Seit 600 Jahren lebten Sinti in Deutschland. Sie seien Deutsche! Was soll die erneute Ausgrenzung? Gerade erst ist man darüber hinweg, die Sinti und Roma Zigeuner zu nennen, erklärt Sandra Maischberger und fragt Nizaqete Bislimi, Juristin und Roma, wie sie sich fühle, wenn sie so genannt werde: „Es tut mir weh.“

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Ein anderer Gast sieht jedoch hauptsächlich die Gefahr, die von dieser Volksgruppe ausgeht: Philipp Gut ist stellvertretender Chefredakteur der Schweizer Weltwoche. Sein Blatt sorgte jetzt für Aufsehen, weil auf dem Titelbild ein verschmutzter Junge mit einer Pistole prangte. In dem Bericht ging es um kriminelle Roma-Banden. Für das Bild, das eigentlich einen Jungen zeigt, der 2008 im Kosovo aufgenommen wurde, hat der Schweizer Presserat die Zeitung gerügt. Auch die anderen Gästen, allen voran Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, zeigen sich entsetzt über diese Bildauswahl, sie spricht von „unethischem Journalismus“.

Ist es wichtig zu wissen, ob ein Krimineller Roma ist oder Schweizer?

Der Bericht allerdings, und davon lässt sich Gut auch nicht abbringen, beruhe auf Fakten und Tatsachen. Die Fakten jedoch, also die Kriminalstatistiken, sind aber an sich fragwürdig. Denn nicht immer ist die Information, dass es sich beispielsweise bei einem Taschendieb um einen Roma handelt, wichtig für die Ermittlung.

Nicht immer liegen Polizisten richtig, wenn sie einen Täter dieser Herkunft zuordnen. Nicht immer können Polizisten unterscheiden zwischen einer ethnischen Herkunft und einer Nationalität: Schnell wird ein Rumäne da zum Roma. Alle diese Fehler, die übrigens auch Joachim Hermann (CSU), Innenminister von Bayern, zugesteht, fließen in die Statistiken ein. Und auch Statistiken und Fakten lassen einen Interpretationsspielraum zu.

Die Bruchbuden in Dortmund und Duisburg müssen wie Hilton Hotels wirken

Das Stück „(Fast) Alle gegen den Schweizer“, der noch ein bisschen über die „absurd verkrampfte Diskussion“ schimpft, nimmt dann aber schnell ein Ende. Denn offenbar liegt die Wurzel allen Übels im Zustrom von Asylbewerbern. So, wie Damir Kovani einer ist. Er lebte 11 Jahre in Deutschland, wurde 2002 in den Kosovo abgeschoben, ist jetzt wieder hier aber ohne genehmigten Asylantrag. Wie er in dem Lager in seiner alten Heimat gelebt hat, kann man sich schwer vorstellen. Die Bruchbuden in Dortmund und Duisburg müssen dagegen wie Hilton-Hotels wirken. Wer kann solchen Menschen also verbieten, ein besseres Leben für sich und ihre Familie in Deutschland zu suchen?

Das Kriminalitätsproblem lässt sich nicht wegdiskutieren, darüber sind sich alle Gäste ausnahmsweise einmal einig. Der richtige Weg liegt irgendwo zwischen einer Vorverurteilung, vor allem von ganzen Volksgruppen, wie es Philipp Gut mit seiner Zeitung macht, und naivem Verständnis, wie Romani Rose es an den Tag legt. Ganz nah an diesem Punkt steht Nizaqete Bislimi, Betroffene beider Welten, wenn sie sagt: „Die Leute möchten, dass man ihnen zuhört. Sie sind schon in ihrem Land nicht erwünscht und hier fühlen sie sich auch nicht willkommen.“