Essen. Es hätte eine spannende Talkrunde bei „Hart aber fair“ am Montagabend werden können. Das Thema: „Hitler als Witzfigur – worüber darf Deutschland lachen?“ Doch die Diskussion blieb zu oft nur an der Oberfläche. Zu viele Fragen blieben unbeantwortet. Dabei war die Gästeliste durchaus vielversprechend.

Dürfen wir über Hitler-Witze lachen? Ein interessantes Thema, das Frank Plasberg den Zuschauern am Montagabend in der ARD präsentierte. Aber: Eine Antwort auf die Frage im Sendungstitel „Hitler als Witzfigur – worüber darf Deutschland lachen?“ bleib die Ausgabe schuldig. Die Diskussion blieb zu oft nur an der Oberfläche.

Dabei klang die Gästeliste zunächst nach viel Spannung. Leo Fischer, Chefredakteur des Satire-Magazins Titanic, sitzt neben Comedian Oliver Pocher, Erika Steinbach (CDU), Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Rudolf Dreßler, ehemaliger deutscher Botschafter in Israel, und dem Journalisten und Autoren Hellmuth Karasek. Doch eine wirkliche Diskussion, ein Streit um die Kernfrage entbrennt nicht. Selten prallen dezidierte Meinungen aufeinander. Wer auf eine hitzige, emotionale Debatte hofft, hofft vergebens.

Timur Vermes hätte „Hart aber fair“ wahrscheinlich gut getan

Aufhänger der Sendung war Timur Vermes Hitler-Werk „Er ist wieder da“. Seit Wochen rangiert das Buch oben in der Bestsellerliste. Doch darf man über einen Massenmörder derart lachen?

Dreßler findet das Buch einfach nur „peinlich“. Steinbach hat nur bis Seite 30 gelesen, meint aber, dass man einem Diktator die Größe nimmt, wenn man sich über ihn lustig macht. Pocher: „Ich kann ja nichts dafür, was Oma und Opa verbrochen haben.“ Und der Autor? Was sagt Timur Vermes? Das bleibt dem Zuschauer der Sendung leider verborgen. Mit ihm als Gast hätte die Talkrunde in dieser Frage sicherlich etwas an Klarheit gewonnen.

Titanic verkauft mit Hitler auf dem Titel 25 Prozent mehr Ausgaben

Ebenso fehlt die Stimme der Opfer der Gräueltaten des NS-Regimes. Wie ist es für einen Überlebenden eines Konzentrationslagers, Witze über Hitler zu hören? Reißt das alte Wunden auf oder verschafft es vielleicht Genugtuung?

Hitler als Verkaufsschlager. Auch das kommt zur Sprache. Die Titanic verkauft 25 Prozent mehr Exemplare, wenn sie den Diktator auf dem Titel zeigt. Auch der Spiegel zeigt den Hauptverantwortlichen für den Mord an Millionen Menschen immer wieder auf dem Cover und verkauft damit sein Magazin. Aber warum ist das so? Vielleicht wirkt die Faszination des Bösen verkaufsfördernd. Vielleicht ist es Teil einer neuen kollektiven Verarbeitungsstrategie oder des Nicht-Vergessens. Diese Frage kommt, wie viele andere, leider zu kurz: Welche negativen Folgen hat der Personenkult um Hitler? Geht dahinter der Blick für das totalitäre, auf Massenvernichtung ausgerichtete System verloren?

Plasberg zitiert Charlie Chaplin

Am Ende der Sendung zitiert Plasberg Charlie Chaplin: „Hätte ich von den Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern gewusst, ich hätte „Der große Diktator“ nicht zustande bringen, hätte mich über den mörderischen Wahnsinn der Nazis nicht lustig machen können.“ Ein Zitat, das der Talkrunde auch sehr gut zu Beginn gestanden hätte, und über das es sich gelohnt hätte zu sprechen.

Chaplin schrieb diese Worte Jahre nach der Premiere des „großen Diktators“ am 15. Oktober 1940. Der Film war einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Chaplins. Hitler verkaufte sich gut an den Kinokassen, die Leute kamen, um zu sehen, wie fehlbar, wie lächerlich der Diktator ist. Der Film war vor allem auch ein Mittel Hitler zu „entzaubern“. Welche Funktion hat die Satire über Hitler heute in Deutschland?

Fast 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs kann niemand mehr behaupten, von dem Schrecken nichts gewusst zu haben. Umso mehr muss man differenzieren zwischen Witzen über Hitler und Witzen auf Kosten seiner Opfer. Dennoch bleibt die Frage, warum wir Satire über Hitler machen. Ist das Kunst oder Verharmlosung? Wird er dadurch entmachtet, banalisiert, entlarvt? Warum können wir heute über Hitler-Witze lachen? Dürfen wir überhaupt über Hitler-Witze lachen? Auf alle diese Fragen lieferte zumindest „Hart aber fair“ am Montagabend keine eingehenden Antworten.