TV-Serie „Treme“ zeigt New Orleans nach der Katastrophe
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Essen. . Wie überlebt man eine Katastrophe? TV-Macher David Simon („The Wire“) stellt in seinen Serien gern komplizierte Fragen. In der Serie „Treme“, die nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans spielt, gibt er Antworten mit großartigen Schauspielern umwerfend guter Musik - ab Dienstag auf Sky Atlantic.
New Orleans, drei Monate nach der Katastrophe. Die Menschen im Viertel „Treme“ singen, sie tanzen, zum ersten Mal, seit der Hurrikan Katrina versucht hat, ihre Stadt zu ersäufen. Die Musik ist der Rettungsring, das Antidepressivum, und davon brauchen die Überlebenden, die Angehörige, ihr Heim, Hab und Gut und das Vertrauen in die Behörden verloren haben, sehr, sehr viel.
Nach der Flut das Leben von Schlamm und Schimmel befreien
Der Stadtteil Treme grenzt ans berühmte French Quarter von New Orleans, doch kaum ein Tourist verirrt sich ins nur wenige Blocks entfernte musikalische Herz der Stadt. Das Viertel gilt als die älteste Siedlung von Amerikanern afrikanischer Abstammung - kein Wunder, dass hier die Widerstandskraft zu Hause ist. In diesem fremden Mikrokosmos verweben David Simon und sein Ko-Autor Eric Overmyer die Geschichten eines Posaunisten, einer Köchin, einer Anwältin, eines DJs und eines vom Sturm vertriebener Karneval-Häuptlings. Sie alle eint die Liebe zu dieser Stadt und der Versuch, ihr Leben nach der Flut vom Schlamm und Schimmel zu befreien, über die Runden zu kommen und möglicherweise sogar mal wieder den einen oder anderen Lichtblick zu erhaschen. Zum großartigen Ensemble gehören Wendell Pierce und Clarke Peters, John Goodman, Oscar-Preisträgerin Melissa Leo und Steve Zahn.
Die Fernseh-Kunst, die David Simon macht, ist nicht immer leicht zu verstehen. Wie großartig, dass die Zeitung Times-Picayune auf ihrer Webseite Folge für Folge erklärt, was jemand, der New Orleans nicht gut kennt, nicht wissen kann. Gucken kann man „Treme“ auch ohne den Hintergrund, aber mit kann man so viel lernen: Wie und warum die Paraden entstanden sind, bei denen Menschen singend und tanzend hinter der Blaskapelle durch die Straßen ziehen. Welche Gerichte dieser Stadt am Golf von Mexiko so ganz eigen sind. Was es mit den „Mardi Gras Indians“ auf sich hat, die sich ein Jahr lang die Finger blutig basteln, um dann in einer mystischen Mischung aus afro-amerikanischen, indianischen und kreolischen Bräuchen in den opulentesten Karnevals-Kostümen aufzutreten. Und woher die reiche Musik-Tradition stammt, die all die armen Musiker fortführen.
Die Musik spielt in Treme eine Hauptrolle
Diese Musik! Welchen Stellenwert sie in „Treme“ hat, ist schnell klar: Die Pilot-Folge, von der polnischen Filmemacherin Agnieszka Holland in Szene gesetzt, läuft noch keine Minute, da schimmert das Blech einer Trompete im Licht der Nachmittagssonne, die ersten Töne kullern durch die Straßen. Viel Lustiges gibt’s nicht zu sehen in diesem Bild von New Orleans, das die Serie zeichnet – mitswingen will man trotzdem, so ansteckend ist der Rhythmus, mit dem die Blechbläser etwa der „Rebirth Brass Band“ den Puls des Stadtteils wiederbeleben.
Die für den US-Bezahlsender HBO produzierte Serie, deren erste beiden Staffeln in englischsprachigen Ländern schon auf DVD im Handel sind, startet in Deutschland ebenfalls im Pay-TV. Serien wie „Treme“, „The Wire“ oder auch die legendären „Sopranos“ scheinen ausschließlich in den Misch-Kalkulationen dieser Sender zu funktionieren: Mit großem Aufwand produziert, aber eher kultverdächtig als massentauglich, von Kritikern hochgelobt, aber nur von relativ kleinen Teilen des Publikums goutiert. Wie schon mit „The Wire“ hat David Simon mit „Treme“ keine TV-Serie kreiert, bei der man abschaltet wie im Strandurlaub, sondern Fernsehen, das den Horizont erweitert - wie eine Reise ins Unbekannte.
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