Essen. „Was hat Christian Wulff verdient?“ fragte ARD-Talkerin Anne Will am Abend vor dem Großen Zapfenstreich. In erster Linie Beistand, meinte der frühere PR-Berater Moritz Hunzinger. Er sprang dem Ex-Bundespräsidenten zur Seite, unterstellte den Deutschen Neid, Missgunst und Häme und forderte vor allem eines: gute Laune.

Wann immer die Medien in den vergangenen Monaten eine dieser kleinen oder großen Affären um Christian Wulff aufgedeckt haben, ließen sie kein gutes Haar an ihm. Doch am späten Mittwochabend fand sich bei Anne Will endlich einer, der dem zurückgetretenen Bundespräsidenten zur Seite sprang. Der Unternehmer und frühere PR-Berater Moritz Hunzinger schob dem angeblich neidisch pöbelnden Volk den schwarzen Peter an der „Havarie“ des Schnäppchenjägers zu und forderte vor allem eins: gute Laune.

„Mein Auto, mein Büro, mein Zapfenstreich – Was hat Wulff verdient?“ fragte die ARD-Talkerin ihre Runde am Vorabend des Großen Zapfenstreichs, die sich schnell in drei Lager aufspaltete: die Pro-Wulff-Fraktion, die Contra-Wulff-Fraktion und die Niemand-weiß-so-recht-warum-ich-hier-eigentlich-sitze-Fraktion.

Erstere hätte Moritz Hunzinger auch ganz alleine ausfüllen können. Doch der frühere Berater von Rudolf Scharping bekam immer wieder Unterstützung von Rechtswissenschaftler Uwe Wesel. Deutschland habe in der Diskussion um Christian Wulff sein „hässliches Gesicht“ gezeigt, polterte Hunzinger. Neid, Missgunst und Häme hätten die Debatte um die Person Wulff und seine Amtsführung bestimmt. Bei dessen Verfehlungen handele es sich höchstens um Kleinigkeiten. Das Land solle seinen Frieden mit ihm machen, „mediterrane Contenance“ anstelle von „auflagen- und quotengetriebenem Hass“ der Medien walten lassen und vor allem eins werden: „Ein Land der guten Laune“.

„Es reicht langsam auf dem Menschen herum zu trampeln“, sagte auch Uwe Wesel und meinte zuerst die vierte Gewalt, die Medien. Die seien „in Kompaniestärke aufgetreten, um Christian Wulff zu Fall zu bringen.“

„Ich wäre durch den Hinterausgang gegangen“

Dass es sich dabei im Gegenteil um „akribische, exzellente Recherche“ gehandelt habe, hielt ihm der frühere Chefreporter des NDR, Christoph Lütgert, entgegen. Er war Teil der Contra-Fraktion, zu der sich auch Politikberater Michael Spreng und Armutsforscher Christoph Butterwegge gesellten. Während Lütgert bei Wulff das „Gefühl, für das was anständig ist“ vermisste, attestierte ihm Spreng, der frühere Wahlkampfleiter von Edmund Stoiber, gleich totalen „Realitätsverlust“. „Ich wäre durch den Hinterausgang gegangen“, meinte Butterwegge, der Beinahe-Kandidat der Linken für das Präsidentenamt, zum Abschied der Wulffs aus Schloss Bellevue.

Ansonsten versuchte der in Köln lehrende Politikwissenschaftler eher, eine allgemeine Sozialdebatte über Gerechtigkeit, Hartz IV und die „Schlecker-Frauen“ zu entfachen. Doch so recht wollte keine hitzige Diskussion entstehen. Die Herren ließen einander fast immer brav ausreden und gaben sich – trotz so mancher Steilvorlage aus dem Hause Hunzinger – überraschend zahm. Ob sie der nunmehr vier Monate andauernden unendlichen Geschichte um den Großburgwedeler Häuslebauer überdrüssig geworden sind?

Was wird aus Wulff?

Umso erstaunlicher war daher, dass die neben Anne Will einzige Dame im Stuhlkreis, die türkischstämmige Autorin Melda Akbas („Mein Leben zwischen Moschee und Minirock“), befand, dass die Themen durcheinander gingen. „Die Herren sind emotional sehr erregt. Die Runde bringt nichts, wenn wir uns anschreien“, warf die 20-Jährige ein und stellte die dritte Fraktion. Vielleicht galt die Erregung aber auch nur dem Minirock, den die hübsche Jurastudentin trug. Warum sie eingeladen wurde, blieb weitgehend offen, inhaltlich fiel sie eher negativ auf, etwa mit der Behauptung, das Volk habe den Bundespräsidenten gewählt.

Ansonsten verlor sich die Sendung zu vorgerückter Stunde in Geplänkel und Nebensächlichkeiten. Am Ende blieb die Frage, was aus Wulff noch werden könne. Nach einer angemessenen Auszeit vielleicht ein Vortragsredner zum Thema Integration. Immerhin konnte Wulff einst mit dem Satz „Der Islam gehört auch zu Deutschland“ punkten. Wenn er sich in das Thema „reinknie“, meinte Michael Spreng, könne Wulff gar zu einem „Anti-Sarrazin“ werden.
Das wäre doch eine interessante Runde für die Zukunft: Wulff und Sarrazin zusammen mit Moritz Hunzinger zu Gast in einem der zahlreichen öffentlich-rechtlichen Polit-Talks. Eines wäre dem Zuschauer schon heute garantiert: gute Laune.