Berlin. . Politische Farbspiele mag der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, überhaupt nicht. Er sagt im Interview mit der WAZ-Mediengruppe, dass sich grüne Politik nicht an Koalitionen festmachen lasse, sondern an Inhalten. Und in Sachen Ehrensold gibt sich Trittin moderat.
Die Benzinpreise explodieren. Dennoch hält Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin nichts von einer Erhöhung der Pendlerpauschale. In WAZ-Interview fordert er dafür tiefere Krankenkassenbeiträge und warnt vor einer Kürzung des Ehrensoldes für Altbundespräsidenten.
Herr Trittin, befürworten Sie für die künftigen Altpräsidenten eine Absenkung oder Staffelung beim Ehrensold?
Jürgen Trittin: Mit dem Ehrensold schützt man das Ansehen unseres Landes und die Würde des Amtes, nicht den Amtsinhaber. Ich möchte nicht, dass der oberste Repräsentant Deutschlands nach seiner Amtszeit in die Abhängigkeit von Firmen kommt oder Festreden für hohe Honorare halten muss.
Aber braucht es den lebenslangen Anspruch auf Büro, Mitarbeiter und Wagen?
Jürgen Trittin: Diese Ausstattung ist nicht automatisch Bestandteil des Ehrensolds. Und noch hat Herr Wulff sich nicht dazu geäußert, ob er dies in Anspruch nehmen will.
Wofür schätzen Sie Joachim Gauck?
Jürgen Trittin: Er wird dieses Land jenseits von parteipolitischen Färbungen als ein aufrechter und streitender Demokrat repräsentieren. Er wird dabei Dinge sagen, die nicht immer allen gefallen – auch mir nicht.
Halten Sie eine Ampel im Bund für machbar?
Jürgen Trittin: Ich betreibe keine Farbenspiele, sondern mache Politik an Inhalten fest. Wir wollen die schlechteste Regierung seit Jahrzehnten komplett ablösen. Also CDU, CSU – und FDP in die verdiente Opposition schicken.
Sollten die Grünen eine schwarz-grüne Koalition ausschließen?
Jürgen Trittin: Grüne Politik definiert sich über Inhalte, nicht über Koalitionen. Beispiel: Wir wollen die Vorratsdatenspeicherung abschaffen, wir wollen die Erbschaftssteuer erhöhen. gegen beide Punkte sträubt sich die CSU vehement. Dann fällt eine Koalition mit ihr eben aus. Noch einmal: Die Union gehört in die Opposition.
Die Regierung wollte eigentlich bei der Photovoltaik deutlich kürzen. Dagegen gibt es Widerstand. Wie stehen Sie dazu?
Jürgen Trittin: Das Gesetz wird so nicht kommen. Es wird einen Einspruch im Bundesrat geben. Die Ermächtigung für die Regierung, Kürzungen alleine zu bestimmen, sowie die Höhe und die faktische Rückwirkung der Kürzungen, ist inakzeptabel.
Die Benzinpreise sind sehr hoch. Muss nun reagiert werden – etwa mit einer höheren Pendlerpauschale?
Jürgen Trittin: Eine höhere Pendlerpauschale nützt gar nichts gegen hohe Spritpreise. Das würde sofort in den Benzinpreis eingepreist. Denn der Markt nimmt das, was er kriegen kann. Wir müssen „weg vom Öl“, also den Nachfragedruck auf Benzin senken – durch Autos mit weniger Verbrauch, durch Elektromobilität und ein besseres Angebot des öffentlichen Nahverkehrs.
Die Krankenkassen machen zur Zeit Milliardenüberschüsse. Was ist jetzt zu tun?
Jürgen Trittin: Das Finanzministerium will sich jetzt an den Überschüssen bedienen und den Bundeszuschuss kürzen. Ich finde, das Geld gehört den Beitragszahlern. Wenn es solche Überschüsse gibt, dann müssen die Beiträge gesenkt werden. Davon würden die Bürgerinnen und Bürger übrigens viel mehr profitieren als von der schwarz-gelben Steuersenkung. Aber hier ist die FDP in Gestalt von Daniel Bahr auf einmal gegen mehr Netto vom Brutto.
Zur Verabschiedung des Euro-Sparpakts braucht die Kanzlerin die Zwei-Drittel-Mehrheit. Was fordern die Grünen für ihr „Ja“?
Jürgen Trittin: Drei Dinge sind uns wichtig: Es muss sichergestellt sein, dass der Bundestag beim Fiskalpakt seine Kontroll- und Informationsrechte wahrnehmen kann. Wir wollen, dass die Kanzlerin endlich die Finanztransaktionssteuer zumindest in der Eurozone durchsetzt.
Und die dritte Forderung?
Jürgen Trittin: Wenn wir auf EU-Ebene ein Gremium haben, wo die Staats- und Regierungschefs über wichtige Dinge entscheiden, dann muss wenigstens der Präsident des EU-Parlaments immer mit am Tisch sitzen. Das sind keine unerfüllbaren Erwartungen.
Interview: Daniel Freudenreich