Essen. Kein Polit-Talk, der zurzeit an Christian Wulff vorbeikommt. Auch bei Günther Jauch war die Medien-Affäre des Bundespräsidenten Thema. Und es zeigte sich: Nicht nur Wulff selbst fährt die “Salami-Taktik“ - auch “Bild“ und “Spiegel“ liefern Infos zum umstrittenen Telefonat nur scheibchenweise.
Alle sind sie genervt von der Debatte um Christian Wulff und alle in der Runde am Sonntagabend bei Günther Jauch waren sich einig: Das Drama Wulff muss endlich ein Ende haben. Also ging es nur noch um die Frage, wie das Ende dieser Seifenoper namens Bundespräsident aussehen soll und vor allem: Wer schreibt das Drehbuch für die letzte Folge?
Wulff selbst sei Schuld daran, dass es immer wieder eine neue Episode gibt, so sehen es nahezu einvernehmlich die anwesenden Georg Mascolo ("Spiegel"), Nikolaus Blome ("Bild") und die Bundestagsabgeordnete Katrin Göring-Eckhardt (Grüne). Immerhin stimmt die Einschaltquote: 11,5 Millionen Zuschauer hatte Wulff bei seinem Offenbarungs-Interview auf ARD/ZDF. Der Grund, warum sich ein Einschalten bei der Wulff-Soap immer wieder lohne: Statt der Wahrheit liefere der Bundespräsident seinen Zuschauern nach und nach Halbwahrheiten und weitere Widersprüche. Der Bundespräsident ist aber nicht der einzige, der mit Widersprüchen den „Cliffhanger“ für die nächste Episode bietet.
Erstaunliche Harmonie zwischen "Bild" und "Spiegel"
Salami-Taktik, die fahren auch "Bild" und "Spiegel". Statt die „wahren“ Worte des Bundespräsidenten, die Mailbox-Nachricht an Bild-Chef Kai Diekmann, direkt und vollständig zu veröffentlichen, geben die beiden Titel sie scheibchenweise an die Öffentlichkeit. Es ist schon erstaunlich, wie die beiden Blätter hierbei harmonieren.
Blome zeigte sich bei Günther Jauch moralisch: Wulff selbst solle entscheiden, ob er seine Worte auf Diekmanns Mailbox veröffentlichen und damit die Wahrheit sagen will oder nicht. Der stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung sagte dies wohlwissend, dass der Spiegel die entscheidenen Aussagen von Wulff in seiner aktuellen Ausgabe präsentiert. Teile dieser Passagen und damit ein weiteres Stück Salami lieferte dann auch Günther Jauch seinem Publikum.
Wie konnte die Mailbox-Nachricht durchsickern?
So schwammig wie in den vergangenen Tagen Hauptdarsteller Wulff beantwortete dann auch Blome die Frage, wie denn die Mailbox-Nachricht an die Öffentlichkeit durchsickern konnte: Man habe im Hause Springer viel diskutiert und die Abschrift auch externen Kollegen vorgelegt, blieb Blome vage. Auch der weiteren Frage Bernhard Vogels (CDU) - der zunächst einzige Wulff-Verteidiger in der Runde -, wich der stellvertretende Bild-Chef aus: Warum es denn mehrere Wochen gedauert habe, bis die Existenz der Mailbox-Nachricht an die Öffentlichkeit geraten ist? Ja, man habe bei Bild nicht direkt gewusst, was diese Mailbox-Nachricht für eine Bedeutung habe, man sei da ja auch manchmal betriebsblind, lautete Blomes Erklärung.
Die Bild-Zeitung weiß nicht was es bedeutet, wenn ihr der Bundespräsident via Mailbox-Nachricht den Krieg erklärt? Das ist ähnlich überzeugend wie die Beteuerung Wulffs, er habe nichts davon gewusst, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer die Werbung für seine Buchveröffentlichung bezahlt hat. An dieser Stelle blieb auch Günther Jauch in seiner Rolle als Moderator zu zurückhaltend. Selbst Journalist, ließ Jauch zwar Vogel die Frage stellen, versäumte aber ein Nachhaken bei Blome und Mascolo.
Keine Diskussion über Sinn und Zweck des Bundespräsidenten-Amtes
Jauch wiegelte auch seinen Gast Ferdinand von Schirach ab: „Ganz klein, unbedeutend und hässlich“, mit diesen Worten beschrieb der Jurist und Autor das aktuelle Amt des Bundespräsidenten. „Warum braucht Deutschland dieses Amt überhaupt noch?“, fragte von Schirach. Über Sinn und Zweck des Amtes wollte Jauch aber gar nicht reden. Auch nicht Katrin Göring-Eckhardt (Grüne): „Wir brauchen in dieser multikrisenhaften Zeit jemanden, der uns ins Gewissen redet“, sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Gibt es denn nicht andere, die das wesentlich besser können als Wulff, ohne Amt des Bundespräsidenten und ohne Kredite zu Vorzugszinsen?
Ohne Alternativprogramm bleibt nur die Seifenoper Christian Wulff. Dass die bald abgesetzt wird, daran zweifelte auch Günther Jauch in seinen Abschiedsworten: „Ich hoffe zu versprechen, dass wir nächsten Sonntag um 21.45 Uhr ein anderes Thema haben, sicher bin ich mir aber nicht“.