Essen. Es war angekündigt, als „der Wahnsinn“. Und wahnsinnig war es tatsächlich: wahnsinnig überflüssig! Die „Super-Sonderausgabe“ von „Das Supertalent“ auf RTL hätte dem Publikum auch erspart bleiben können. Statt Talenten gab's vor allem Peinlichkeiten.

Es ist ja nichts Neues: Läuft ein Format gut, schlachten die privaten Sender es bis zum Exzess aus. Da reicht es wohl nicht aus, eine einzige "Supertalent"-Staffel von Vornherein auf sage und schreibe drei Monate auszulegen. Nein, aufgrund des „sensationellen Erfolges“ der Casting-Sendung, die laut Senderangaben in den vergangenen Wochen „einen hervorragenden durchschnittlichen Marktanteil von 35,2 Prozent beim jungen Publikum erzielte und bis zu 9,10 Millionen Zuschauer vor den Bildschirmen fesselte“, musste noch während der laufenden Vorentscheidung eine Zugabe her. Und die wurde flugs genau an dem Abend ausgestrahlt, an dem die Konkurrenz mit „The Voice of Germany“ eine eigene Casting-Sendung ins Rennen schickt. Ein Schelm, der dabei Böses denkt!

So ließ es sich der Sender auch nicht nehmen, die Zusatzfolge vor der Ausstrahlung in den höchsten Tönen anzupreisen: Das „Unfassbare“ sollte an diesem Abend über die Bildschirme flimmern, „die mutigsten Kandidaten und emotionalsten Momente“ sollten den Zuschauern einen spannenden Fernsehabend bescheren, laut Moderatoren-Duo Marco Schreyl und Daniel Hartwich sollte nicht weniger als „Supertalent-Geschichte“ geschrieben werden. Doch nichts davon geschah. Im Gegenteil.

Je peinlicher, desto besser

13 Kandidaten wagten sich diesmal auf die große Bühne, um die drei Juroren Dieter Bohlen, Sylvie van der Vaart und Motsi Mabuse von ihrem „Talent“ zu überzeugen. Einen außergewöhnlichen Auftritt aber lieferte keiner von ihnen ab – außer vielleicht die 14-jährige Klara, die sowohl Jury als auch Publikum mit einer rauchigen Soul-Stimme begeisterte und dafür eine Zusage für die nächste Runde erhielt. Übrigens als einzige Kandidatin der Sendung - sieht man mal von der siebenjährigen Joline-Milena ab, deren Weiterkommen wohl eher ihrem zarten Alter als einem fulminanten Auftritt geschuldet war. Auch wenn die Akrobatik-Kunststückchen der kleinen Zirkus-Artistin zusammen mit ihrem Vater durchaus nett anzusehen waren.

Das war es dann aber auch schon mit „nett“. Denn bei der Auswahl der anderen Clips blieb RTL seinem altbewährten Erfolgsrezept treu: Je peinlicher der Auftritt, desto besser die Quote. So reihten sich die beiden Bauchtänzerinnen Tanja und Karla aus Bremen ebenso in die Riege der Supertalent-Verlierer ein wie Norderstedter Lars, dessen vermeintliches Talent darin bestand, mit seiner Nase Klavier zu spielen. Oder die blonde Sonja, die sowohl für ihre „Sangeskünste“ als auch für ihre ausladende Gestik ordentlich eins auf den Deckel bekam. Nach einer gehörigen Portion Spott schien es dann zumindest bei dem „Magischen Manfred“ Klick zu machen, dass er sich mit seiner „Zaubershow“ gerade vor laufenden Kameras zum Deppen gemacht hatte: „Das Ding wird ja wohl hoffentlich nicht gesendet, dann muss ich mich ja nirgendwo mehr blicken lassen!“, äußerte er hoffnungsvoll nach seinem Auftritt. Aber Mitleid ist von einem Sender wie RTL im Kampf um die Quote wohl nicht zu erwarten.

Nur eine Werbeunterbrechung

Und selbst das Mitleid des verständnisvollsten Zuschauers ist irgendwann überstrapaziert. Im Fall des schimpfenden Kai Uwe aus Wiesbaden beispielsweise, der eigentlich die Stimme von Helge Schneider imitieren wollte, es sich aber direkt mit Aussagen wie „Ich hab’ kein Bock zu arbeiten!“ und „Ihr Steuerzahler-Deppen!“ mit Jury und Publikum verscherzte. Oder im Fall des 16-jährigen Gelsenkircheners Pascal, der allen Ernstes (?) durch "Extrem Couching" zum Supertalent gekürt werden wollte: Er legte sich aufs Sofa und machte einfach nichts mehr – bis Jury und Publikum schließlich den Saal verließen. Als „das Beste, was dem Fernsehzuschauer an einem Donnerstagabend passieren kann“, lässt das das nun wirklich nicht beschreiben.

Und sicherlich hätten viele Zuschauer auch schon längst den Sender gewechselt, wenn RTL sich nicht einen klugen Schachzug überlegt hätte: Völlig untypisch verzichtete der Sender nämlich auf die gängigen Werbepausen, die normalerweise gut und gerne ein Viertel der Sendezeit ausmachen. In zwei Stunden gab es diesmal nur eine Werbeunterbrechung – und dieser Umstand ist förmlich das Einzeige, was von dem ganzen Showabend in positiver Erinnerung bleibt.

Das dreifache „Nein“, das die Jury an diesem Abend den Kandidaten entgegen geschmettert hat, hätte der Sender besser auch sich selbst gegeben. Die hoch gejubelte „Super-Sonderausgabe“, die kein bisschen super war, hätte sich RTL schlichtweg sparen können. Der Sendeinhalt war in der Tat wahnsinnig. Wahnsinnig überflüssig.

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