Essen. Bei „Germany’s next Topmodel“ versuchte Jorge Gonzalez den Mädels von Heidi Klum bei das richtige Laufen beizubringen. Aber der Catwalk-Coach kann viel mehr als Mode, er ist studierter Nuklear-Ökologe.
Am liebsten trägt er 20 Zentimeter hohe Stöckelschuhe, gerne in transparentem Ton und bis über die Knöchel hoch geschnürt. Auch im gemusterten Badeanzug, der sich eng an seinen muskulösen Körper schmiegt, fühlt sich Jorge Gonzalez besonders wohl. Seine braunen, schulterlangen Haare umrahmen sein markantes Gesicht meist wie ein Vorhang.
Der Laufsteg-Trainer von „Germany’s next Topmodel“ (GNTM) ist das, was manche einen Paradiesvogel nennen. Wenn „Hohä“, wie er sich selbst ausspricht, die Bühne betritt, geht die Show los, er springt und rennt, ist dabei so übermütig wie ein kleines Kind, was ihn durchaus schon mal flach auf den Boden wirft. Aber kein Problem, Jorge lässt sich vor seinen „Chicas“, wie er die Mädchen nennt, nichts anmerken. Er steht auf, lacht und läuft auf seinen Plateau-Schuhen weiter, bei deren Anblick sich jeder Zuschauer fragt, wie viele Bänder wohl reißen, wenn er damit umknickt.
Und die Fußstapfen, in die er bei „Germany’s next Topmodel“ tritt, sind groß: Sein Vorgänger Bruce Darnell war bei den Fans beliebt durch Sprüche wie „eine Handetasche muss lebendig sein“. Böse Zungen behaupten, dass Heidi ihn genau deshalb aus der Jury kickte – er drohte, sie in den Schatten zu stellen. Nun versucht Jorge Gonzalez, mit seinem „Chicas Walk“ ein Markenzeichen zu entwickeln.
In Deutschland kann er seine Homosexualität frei leben
Was den meisten Fernsehzuschauern bei GNTM verborgen bleibt: Jorge Gonzales hat Köpfchen. Er ist studierter Nuklear-Ökologe, das heißt, er hat den Einfluss atomarer Strahlung auf die Umwelt untersucht. Wieso er trotzdem Heidis Catwalk-Trainer wurde? „Das entscheidet das Leben“, sagt er mit spanischem Akzent. Mode sei schon immer sein Hobby gewesen, während des Studiums hat er sich als Model etwas dazuverdient.
Das Thema Umweltschutz habe ihn schon immer interessiert, sagt er. Und außerdem bedeutete das Studium für ihn den Weg nach Europa, den Weg in eine Welt, in der er seine Homosexualität frei leben kann. „In Deutschland kann ich ganz frei mit dem Thema umgehen. Die Leute tolerieren das auch, das ist super.“
Im Alter von 17 Jahren verlässt er Kuba, geht nach Bratislava in der damaligen Tschechoslowakei und studiert Nuklear-Ökologie. „Als kubanischer Student konnten wir nur in sozialistischen Ländern studieren, wenn wir ins Ausland wollten“, erklärt er. Damals sei das Thema noch nicht so populär gewesen: „Umweltschutz ist inzwischen ein regelrechtes Modethema geworden.“
Die Zukunft sieht er bei den erneuerbaren Energien
Und durch den Atom-Unfall in Japan auf tragische Weise wieder aktuell. „Wenn wir schauen, was jetzt in Japan oder damals in Tschernobyl passiert ist, müssen wir zumindest darüber nachdenken: Ist das wirklich ein guter Weg für uns, für die Menschen mit der Atomkraft?“ Die Zukunft sieht der Nuklear-Ökologe bei den erneuerbaren Energien, „aber ich befürchte, wir sind noch nicht so weit, damit alles abzudecken.“
Topmodel Heidi Klum
Nachdenkliche Worte eines Mannes, den das Fernsehpublikum immer nur lachend sieht. „Auch in schwierigen Zeiten sollte man zumindest versuchen, positiv zu sein“, diese Einstellung habe ihm bis heute immer geholfen. Denn noch während seines Studiums fiel der Eiserne Vorhang, Jorge Gonzalez entschied sich, nicht in seine Heimat zurück zu gehen.
Gefallen an Stöckelschuhen hat er schon früh gefunden. „Als fünf Jahre altes Kind habe ich immer mit den High Heels meiner Oma und meiner Mutter gespielt“, erzählt er. Als er merkte, dass andere Models Schwierigkeiten beim Laufen auf 20 Zentimetern Absatz haben, nutzte er sein Talent beruflich. Als Choreograf hat er bereits für Designer wie Laura Biagiotti, Versace und Vivienne Westwood gearbeitet.
Er will in Deutschland bleiben
Aber den Jorge auf High Heels gibt es abseits der Kameras nicht. „Das ist wirklich nur mein Job.“ Privat liebt er es, mit seinem Hund Willie spazieren zu gehen. Dann läuft er gerne durch Hamburg, wo er mit seinem Partner lebt. Jorge Gonzalez hat sich entschieden, in Deutschland zu bleiben: „Ich habe im Januar die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen.“ Die Einbürgerungstests habe er fehlerfrei bestanden. Nun hat er zwei Pässe. „In Kuba sind meine Wurzeln, Deutschland ist meine Heimat.“