Essen. . Zum 25-jährigen Bestehen des Klavierfestivals geht der Preis des berühmten Pianistentreffen an einen ganz Großen. Dabei ist Marc-André Hamelin vielen ein großer Unbekannter. Kenner schätzen ihn, aber seine Bescheidenheit und Zurückhaltung halten ihn vom Rampenlicht großer Popularität fern.
Der kanadische Pianist Marc-André Hamelin hat den Preis des Klavier-Festivals Ruhr bekommen. Weil dieser Musiker den allervirtuosesten Kompositionen noch Sinn und Form verleihen kann. Weil er dies zugleich ohne zirzensisches Gehabe tut, vielmehr in höchster Bescheidenheit. Er spielt Schwerstes als sei es ein Leichtes und zieht das Publikum in seinen Bann – wie jetzt in Essens Philharmonie.
Dabei setzt er weniger auf Repertoirerenner, umso mehr auf zu Unrecht Vergessenes. In Essen ist das die großdimensionierte, rauschhafte 2. Sonate des Russen Nikolaj Medtner. Nach einem Gedicht als „Nachtwind“ benannt. Es weht und stürmt, säuselt und pfeift aus allen Ecken und Enden. Dabei scheint das kompositorische Prinzip, möglichst viele Noten auf engsten Raum zu pressen. Hamelin spielt sie alle, sämtliche Mittel-, Neben-, Unterstimmen. Und er schafft das Wunder, dieser in sich wirbelnden Musik Struktur zu geben. Jede Minute ist voller Spannung.
Wiegen und Wogen in silbrigen Klängen
Des Pianisten Barcarolle, die beim Festival zur Uraufführung kommt, wirkt dagegen wie ein lichter Hauch. Ein Wiegen und Wogen in silbrigen Klängen, geheimnisvoll, bisweilen dunkel und bedrohlich. Hamelin entpuppt sich dabei als Meister der Farben und Stimmungen.
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So ist es wohl folgerichtig, dass er Brahms’ 3. Sonate nicht in deutscher Ernsthaftigkeit verortet, sondern in zergrübelter Wucht und lyrischer Träumerei. Als zelebrierte Annäherung an einen verschlossenen Charakter. Manches mag überartikuliert wirken, anderes befremdend an Impressionismus erinnern – verführerisch ist diese Deutung allemal.
Auch sein Mozart ist eine Offenbarung
Und wie Hamelin den 1. Satz von Mozarts „Sonata facile“ (Nr. 16) veredelt, das Leichte schimmern und funkeln lässt, ist eine Offenbarung. Weil der Pianist noch die einfachste Fingerübung ernst nimmt – in aller Bescheidenheit.