Duisburg. . Seit Heiner Goebbels das Renommier-Festival des Ruhrgebiets übernommen hat, ist alles anders geworden. Als er jetzt das Programm seiner zweiten Spielzeit vorstellte, wurde klar: Dieser Mann sucht das Experiment, traditionelle Genres gibt es bei ihm nicht mehr.

Unter dem derzeitigen Intendanten Heiner Goebbels hat sich die Ruhrtriennale radikal verändert. Wo früher selbst grenzüberschreitende „Kreationen“ noch irgendwie greifbar blieben, da regiert inzwischen das reine Experiment. Goebbels will das Andersartige um jeden Preis: Bloß nicht vorhersehbar sein, bloß nicht theatralische Normen erfüllen. Gestern hat der Intendant in der Duisburger Kraftzentrale das Programm seiner zweiten Spielzeit vom 23. August bis 6. Oktober vorgestellt. Der Eindruck: noch mehr Avantgarde als im vorigen Jahr, noch mehr Noten-Experimente, bei denen es zirpt, klimpert, wabert und rauscht.

William Forsythe, Robert Wilson

Installationen und Artverwandtes nehmen inzwischen einen großen Raum ein. Der Japaner Ryoji Ikeda etwa entwirft für die gigantische Duisburger Kraftzentrale die 100 Meter lange Klang- und Videoinstallation „Test Pattern“, bei der die Leuchtzeichen derart jagen und die Töne derart wummern, dass man es in der Bauchgegend spürt.

In der großen Halle des Museums Folkwang erstellt der Choreograph William Forsythe eine raumgreifende Installation aus lauter schwingenden Pendeln, die der Besucher geschmeidig umgehen soll. Heiner Goebbels selbst zeigt, dass man selbst ein Klavierstück für fünf mechanisch bewegte Klaviere wie sein Musiktheater „Stifters Dinge“ noch installieren kann – mit Hilfe von drei gefüllten Pools und einer „hochverdichteten Atmosphäre aus Bildern und Tönen“.

Rimini Protokoll: Situation Rooms.
Rimini Protokoll: Situation Rooms.

Überhaupt ist der Begriff „Musiktheater“ offenbar der Rettungsanker, um noch etwas benennen zu können, was sich jeder Klassifizierung widersetzt. Schon das Eröffnungsereignis „Delusion of the Fury“ von Harry Partch wird derart klassifiziert. Da der Komponist ausschließlich mit selbstgebauten Instrumenten zu arbeiten pflegte, musste hier umfangreich nachgebaut werden. Versprochen wird ein Stück zwischen Traum und Wahn, angefüllt mit japanischen und afrikanischen Mythen.

Auch in Helmut Lachenmanns selten aufgeführter Oper „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ ist kein Ton auf konventionelle Weise erzeugt. Der Theatermacher Robert Wilson wird das Trumm inszenieren, wobei die große Schauspielerin Angela Winkler sich irgendwie in der „bedrohlichen und bohrenden Klangaura“ wird einfügen müssen.

"Kollektive Halluzination" bei Konzert von Massive Attack

Das Theater soll auch noch irgendwo in den 43 Produktionen dieser Spielzeit existieren, man muss es nur erkennen. Die Gruppe Rimini Protokoll beispielsweise baut ein Haus in die Bochumer Turbinenhalle und führt Besucher in „Situation Rooms“ an Videoschirmen vorbei, auf denen Menschen mit Gewalterfahrung aus der Welt der Pistolen und Panzerfäuste erzählen.

Ruhrtriennale 2012

Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Die Kunst-Baustelle Our CenturY im Rahmen der Ruhrtriennale an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der  Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum.
Das Künstlerduo Folke Köbberling und Martin Kaltwasser auf der Kunst-Baustelle Our CenturY an der Jahrhunderthalle in Bochum. © WAZ FotoPool
1/10

Nichts ist sicher an diesem Festival, nicht mal ein Konzert von Massive Attack. Die arbeiten mit einem Filmemacher zusammen und kündigen tatsächlich eine „kollektive Halluzination“ an. Bevor wir aber ganz abheben: Der Kartenvorverkauf unter 0221 / 280 210 hat gestern begonnen.