Essen. Vor 200 Jahren erschien die erste Märchensammlung der Brüder Grimm. Noch heute inspiriert sie Kinder, Autoren und Illustratoren. Eine Auswahl an neuen Einblicken, darunter auch Cornelia Funkes Buchreihe „Reckless“.

Das Märchen von Rotkäppchen kennt jeder. Aber so dann doch wiederum nicht: Adolfo Serra lässt uns eine wohlig-gruselige Gänsehaut spüren, ohne Worte, nur mit atemberaubend-guten Illustrationen. Auf dem einen Bild glaubt man noch das Mädchen mit dem roten Mäntelchen im Märchenwald zu sehen. Auf dem nächsten verwandeln sich die angedeuteten Bäume in das Fell des Wolfs. Dieses Bilderbuch mit seinen überraschenden Blickwinkeln möchte man immer wieder aufs Neue entdecken (Aracari, 32 S., 13,90 €, ab 4).

Auf den Wolf hat es auch Mario Ramos abgesehen. Allerdings verwandelt sich hier der Gefürchtete in eine lächerliche Gestalt: Der Wolf im Nachthemd. (Bild) Ein Schafsfell hätte ihm nicht nur besser gestanden als Omas rosafarbenes Gewand mit Spitzenhäubchen. Er hätte sich damit vielleicht auch nicht im Wald langgemacht. „Ich hab all meine Fähne verloren“, stöhnt der Bösewicht. „Daf ift gar nicht wipfig!“ Oh doch! Kleinkinder finden das sehr lustig, wenn der große Wolf auf einmal die Hilfe des kleinen Rotkäppchens braucht (Moritz, 41 S., 12,95 €, ab 3).

Die kneischende Hexe

Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen? So kennen die meisten den Spruch der Hexe, die mit ihrem gekrümmten Zeigefinger Hänsel und Gretel in die zuckrige Stube lockt. „Knusper, knusper, kneischen, wer knuspert an meinem Häuschen?“, heißt es in dem Buch von Sybille Schenker. Das ist nicht ihre Erfindung, schon die Brüder Grimm ließen die Alte „kneischen“. Neu sind die Illustrationen, die mit aufwändigen Scherenschnitten und Transparentpapier die Geschichte noch etwas spannender erzählen. Zauberhaft! (Minedition, 54 S., 29,95 €, ab 3)

Karen Duve entzaubert in „Grrrimm“ die Märchen. Sie analysiert Machtspiele zwischen Prinz und Prinzessin, Zwerg und Schneewittchen. Das ist so böse wie der Wolf im Märchenwald.
Karen Duve entzaubert in „Grrrimm“ die Märchen. Sie analysiert Machtspiele zwischen Prinz und Prinzessin, Zwerg und Schneewittchen. Das ist so böse wie der Wolf im Märchenwald. © Verleih

Karen Duve entzaubert für Erwachsene die Märchen. Sie interessiert sich in Grrrimm für die Machtspiele zwischen einem lüsternen Zwerg und einem lügnerischen Schneewittchen. So eine Schönheit soll allein mit sieben Männern gelebt haben, ohne dass ihr einer ans Mieder ging? Wer’s glaubt! Und wie hält sich eigentlich einer fit, der auf sein Dornröschen 100 Jahre warten muss? Das ist böser als manches Märchen, psychologisch (über-)genau analysiert. Komisch wird es besonders dann, wenn Bastian Pastewka und Ina Müller im Hörbuch aus Helden Hanswürste machen (Galiani, 160 S. / Roof Music, 2 CD, 19,99 €).

Es war 1mal in 1 N8

„Es war 1mal 1 Prinzessin, die schlief seit 100 Jahren. In 1 N8 küsste 1 verliebter Prinz sie wach. Du bist der Mann meiner Träume, seufzte sie. + schlief weiter.“ Wer sagt, dass sich im Zeitalter von Smartphones keiner mehr für Märchen interessiert? Fabian Negrin hat sie für die Generation Handy zusammengetragen in SMS-Märchen – Grimm & Co. in 160 Zeichen. Ein sehr kurzweiliges Vergnügen (Mixtvision, 28 S., 13,90 €, ab 3).

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Ganz große Namen lassen sich ebenfalls von den Brüdern beflügeln: Günter Grass etwa für „Grimms Wörter“. Auch die neue Buchreihe der weltberühmten Kinderbuchautorin Cornelia Funke – „Reckless“ – basiert auf Aschenputtel, Froschkönig oder Frau Holle. Aus welchen Grimm-Geschichten sie geschöpft hat, erzählt sie in Mein Reckless-Märchenbuch. Darin veröffentlicht sie die Originale vom Däumling bis zum Knüppel aus dem Sack. Die sind auch nach 200 Jahren mindestens genauso schön wie die neuen Erzählungen ( Dressler, 255 S., 9,95 €). Und weil sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.