Washington. Barack Obama hat den Blues - und die ganz großen Stars kommen zu ihm. Mick Jagger, B.B. King, Jeff Beck und andere lebende Legenden des Blues und R'n'B gaben sich am Dienstagabend beim Privatkonzert im Weißen Haus die Ehre. Und der Präsident höchstselbst zeigte, dass auch er singen kann.
Präsidenten sind manchmal eindeutig im Vorteil. Wenigstens in Amerika. Müssen nicht ins Konzert gehen. Bestellen sich das Konzert einfach wie die Calzone nach Haus. Ins Weiße Haus. Und keiner wulfft die Nase drüber.
Country war schon da. Jazz, Motown, Broadway und Klassik auch. Immer gediegen, immer mit Format. Am Dienstagabend war Barack und Michelle Obama nach Blues zumut. Jener wunderbar uramerikanischen Musik über Leid, Liebe und den lieben Gott, die, wie der Hausherr zur Begrüßung sagte, „uns daran erinnert, dass wir einige harte Zeiten hinter uns haben“.
Wenn das erste Ehepaar der Republik handverlesene 300 Gäste zu sich ins erweiterte Wohnzimmer einlädt, dann nicht (nur) als Privatvergnügen. Pennsylvania Avenue 1600 ist nun mal das Schaufenster der Vereinigten Staaten. Was da in die Auslagen kommt, geht jeden was an. Der Februar wird in Amerika seit vielen Jahren als “Black History Month” gefeiert. Und weil der erste schwarze Präsident im Weißen Haus am Mittwoch sowieso den Grundstein für das größte Museum für afro-amerikanische Geschichte in Washington legt, passte am Vorabend der musikalische Arm dieser reichen Kultur, vertreten durch lebende Legenden und aufziehende Sterne, wie die Subdominante zur Tonika. So viel schon mal vorweg: Großes Wohlfühl-Kino.
Blues-Legende B.B. King und Mick Jagger holten US-Präsident Barack Obama aus dem Stuhl
Den Eisbrecher machte der Gottvater des Gewerbes. B.B. King. Der 86-Jährige sitzt im Rollstuhl. Was ihn aber nicht davon abhielt, mit seiner Gitarre, “Lucille” auf den morschen Knien ein beseeltes “Let The Good Times Roll” zu zelebrieren. Die Obamas in der ersten Reihe wirkten zu diesem Zeitpunkt noch ein wenig, nun ja, steif.
Sollte sich aber bald geben. Dafür trug er schon Sorge: Mick Jagger. Mit rotem Hemd, roten Turnschuhen und rotem Gürtel zur schwarzen Dünnbein-Jeans rockte der Rolling Stones-Frontmann bei seinem ersten Besuch im Weißen Haus den heimelig ausgeleuchteten Saal im Ostflügel mit “I Can’t Turn You Loose”, “Commit a Crime” und einer hinreißenden Version von “Miss You”. Mr. President hielt es nicht mehr auf den Stühlen. Ab jetzt wurde mitgewippt. Und auch die übrigen Gäste feierten den in bester Laune anzutreffenden Altstar überschwänglich, der später mit den Gitarren-Granden Buddy Guy, Jeff Beck und einem gewissen Gary Clarke Jr. für anerkenndes Staunen sorgte.
Clarke Jr., 28, Texaner, schwarz. Muss man sich merken. Der Mann spielt wie Stevie Ray Vaughn selig. Singt aber noch besser. Keb Mo, Troy „Trombone Shorty“ Andrews, das Posaunen-Phänomen aus New Orleans, die Gitarren-Spitzenkräfte Derek Trucks und Warren Haynes nebst der weißen Blues-Röhre Susan Tedeschi rundeten die exquisite Besetzungsliste ab.
Barack Obama übte sich im sanften Head-Banging
Spätestens bei „I’d Rather Go Blind“, einem Klassiker der gerade erst verstorbenen Etta James, wurden die Gäste dann Zeugen eines raren Moments. Obama ließ sich von der zeitlosen, urkräftigen Vitalität der Musik anstecken. Mit geschlossenen Augen saß er neben Gattin Michelle, der die Idee für die kleine, feine Konzert-Serie im Weißen Haus zu Ehren des großen „American Songbook“ überhaupt zu verdanken ist, sog die Kunst vor ihm in sich auf und übte sich ziemlich cool im sanften Head-Banging.
Auch US-Präsident Barack Obama griff zum Mikro: Der Mann kann wirklich singen
Weil alles von Kameras festgehalten wurde (der Sender PBS und später das „American Forces Network“ werden Aufzeichnung senden), zuckte Obama kurz, als beim großen Finale der ewig junge Buddy Guy den Präsidenten, der neulich mit stimmlich einwandfreien Al Green-Zitaten für Furore gesorgt hatte, ans Mikrofon bat. Erst lehnte er etwas verlegen ab. Dann tat er es doch. Und zwar kurz. Und gut. Der Mann kann wirklich singen; im Gegensatz zu Mitt Romney, einem seiner möglichen Herausforderer für die Wahl im Herbst, der schon beim Volkslied „America the Beautiful“ eine Plage für die Ohren ist.
Die Republikaner werden ab heute trotzdem Vitriol verspritzen und den Titel des letzten Liedes als vorweg genommene Abschiedmelodie definieren: „Sweet Home Chicago“. Die Obamas hatten sich die Nummer gewünscht. Warum auch nicht. Ist schließlich ihre Heimatstadt. Davon, dass sie schon in diesem Jahr den Umzugswagen bestellen wollen, war nicht die Rede. Im Gegenteil. O-Ton Obama: „Der Blues lehrt uns, dass wir nicht vor unseren Problemen davonlaufen, wenn wir an den Wegkreuzungen des Lebens stehen.” Hoffentlich kennt der Präsident das Original der Wegkreuzungen, die berühmten “Crossroads” von Robert Johnson: Der Teufel wird nach seiner Seele verlangen. Stichtag 6. November.