Düsseldorf. Bühne frei für die wohl größte Ausstellung des Landes. Die Kunstakademie Düsseldorf stellt sich vor – in rund 60 Räumen, mit etwa 1000 Werken.
Wer Luan Xiaochen besucht, sieht zunächst den Künstler vor lauter Blumen nicht. Ganz still sitzt er in der Ecke, umkränzt von Gestecken und Sträußen. Viele Gratulanten waren da, für den 34-Jährigen ist es die letzte Ausstellung in den Räumen seiner Hochschule. 14 Semester hat der gebürtige Chinese an der Düsseldorfer Kunstakademie gelernt, jetzt verabschiedet er sich mit prächtigen Gemälden in die künstlerische Freiheit: Da sind das Meer und der Horizont, Gischt und Wellenspiele, großformatige Landschaftsmalerei, bis zu drei mal fünf Meter messend, zu der sich der Künstler an der portugiesischen Atlantikküste inspirieren ließ. Inmitten der Arbeiten seiner Kommilitonen und Kommilitoninnen ringsherum wirkt der Student der US-Künstlerin Rita McBride damit ein bisschen wie aus der Zeit gefallen.
Wenn es da nicht diesen verrückten Wellentank gäbe, die Luan Xiaochen gleich mal dazu gebaut hat.
Akademie-Rundgang 2025: Luan Xiaochen denkt an das Religiöse in der Kunst
Denn was wäre klassische Acryl- und Öl-Malerei ohne ironische Brüche? Bei seiner Abschlussarbeit „Laws“ (Gesetze) präsentiert Luan Xiaochen neben seinen Bildern Installationen: Ein eigens konstruierter Motor sorgt für Wellenschläge hinter Glas, außerdem stellt er einen Beichtstuhl und zwei Altäre vor. Er denkt dabei an das Religiöse in der Kunst, das ebenso zum Motor werden kann wie die Physik, Kraft und Gravitation. Während ein Altar ins Mauerwerk gebaut wurde, zeigt der andere Ikonen, Vorbilder, darunter Picasso, Max Ernst, Vincent van Gogh und Caspar David Friedrich. Zuoberst thront ein Selbstporträt. Der Künstler muss lachen. „Jeder ist sein eigenes Idol.“

Kopfarbeit mit Fantasie, die uns in vielen Sälen des Akademie-Rundgangs 2025 begegnet. Der kann auch in diesem Jahr locker als größte Ausstellung des Landes durchgehen: Rund 60 Räume werden fünf Tage lang bespielt, einschließlich Performances und Vorführungen – 470 Studenten und Studentinnen stellen Arbeiten vor. Ergibt geschätzte 1000 Kunstwerke, verteilt auf die drei Etagen der ehrwürdigen Hochschule an der Düsseldorfer Eiskellerstraße.
Hochschulpolitische Forderungen beim Akademie-Rundgang 2025 in Düsseldorf
Dabei fällt das erste Werk der Schau vermutlich den wenigsten auf. Schließlich hat Markus Henschler, der im 5. Semester beim Raumverwandler Gregor Schneider studiert, den Schriftzug vor dem Eingang des Hauptgebäudes nur geringfügig abgewandelt. Kleine Änderung, großer Aufwand, erzählt der 28-Jährige, der für seine Arbeit zig Genehmigungen einholen musste. Nun steht da nicht mehr „Für unsere Studenten nur das Beste“, einst formuliert von Rektorin Irmin Kamp, sondern „Für unsere ProfessorInnen nur das Beste“. Im Inneren dokumentiert ein Videofilm den Einsatz am Bauwerk.
Vom Gender-I mal abgesehen, verbindet Henschler damit eine hochschulpolitische Forderung. Er wünscht sich mehr Engagement – bei den Lehrenden wie den Studierenden. Viel zu viel Arbeit würde mittlerweile Tutoren und Tutorinnen überlassen. Manche Lehrkraft lasse sich an der Kunstakademie kaum blicken. Und die wenigsten kümmerten sich um Angebote und Hochschulpolitik. „Das muss sich ändern“, sagt Henschler: „Die jüngere Generation fordert mehr.“ Am Freitag um 14 Uhr lädt er zur Demo mit Debatte vor dem Gebäude ein.

Im selben Raum: eine Tür ins Nichts (Fynn Bierik). Werbefläche an der Wand, die man ab 60 Euro pro Tag mieten kann (Leonard Schmidt-Dominé). Und Sprachforschung der besonderen Art. Entwicklerin ist Dani Kim, die man auf vier Video-Bildschirmen – naja: Buchstaben tanzen sieht. Eine Choreografie aus Gesten und Bewegungen, die es tagtäglich zu entziffern gilt. Schwerverkäuflich auch eine große gläserne Box, in der täglich um 18 Uhr Paare verschiedenen Alters miteinander agieren. Eine Konfrontation unter dem Titel „Liebe“. Dass dabei Blut von der Decke tropft, ist für die Künstlerin Saskia Tamara Kaiser kein Widerspruch. Ihr geht es um den Aspekt der Gewalt in der Partnerschaft, „ein Thema, das ja grade sehr präsent ist.“
Rundgang 2025: Malerei in den Klassen Yeşim Akdeniz und Thomas Scheibitz
Viel abstrakte Malerei in den oberen Etagen – etwa bei den Klassen Yeşim Akdeniz und Thomas Scheibitz, als Zugabe fällt der Blick auf ein künstlerisches Chaos aus Staffeleien und Leinwänden in einem abgetrennten Raum. In Mappen an der Tür werden Editionen angeboten.
Unterwegs bleibt der Blick an einem Plakat für eine schamanistische Zeremonie hängen (Samstag, 16 Uhr, Raum 12). Dann wieder Skulpturen wie ein liegendes Selbstporträt aus Zuckerguss (die Martin-Gostner-Studentin Larissa Klerx, „I am, Therefore I am“), eine Ruhestätte aus Treibholz, am Rhein gesammelt (de Alexandra-Bircken-Studentin Anna Francesca Fuhrich, „Rest“) und zwei Gemälde der Katharina Wulff-Studentin Nina Hassert, deren Figuren und Szenen sofort ins Auge fallen, weil sie irgendwie an Otto Dix erinnern.
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Und dann ist da noch die Klasse Baukunst (Thomas Kröger), die angehende Architekten weiterbildet. Ein Raum im 2. Obergeschoss, hier gibt es auch Getränke für durstige Rundgang-Gäste. Und ein Selbstporträt, das Tobias Liese aus Baumberger Sandstein gefertigt hat. Eine herrliche Skulptur! Ein bisschen Osterinsel-Figur, ein Hauch von Homer Simpson. In jedem Fall einzigartig. Und das ist hier auch in diesem Jahr Programm.
5. bis 9. Februar, 10 bis 20 Uhr. Kunstakademie, Eiskellerstraße 1, 40213 Düsseldorf. Der Eintritt ist frei.