Düsseldorf. „Kreuz im Gebirge“ und „Blick auf die Ostsee“ als Kontrast: Die Düsseldorfer Malerschule verdrängte Friedrich vom Markt. Und im Ruhm.

„Haben Sie jemals eine solche Landschaft gesehen? Wo ein Mittelgebirge direkt am Ufer eines Meeres liegt?“ Kathrin DuBois, Sammlungsleiterin der „Malerei bis 1900“ im Düsseldorfer Kunstpalast, schüttelt den Kopf: „Diese Landschaft ist aus verschiedenen Ansichten zusmamenkomponiert, wie immer bei Caspar David Friedrich.“ Dieser „Blick auf die Ostsee“ gibt einige Rätsel auf – warum weht da eine Fahne mit den niederländischen Nationalfarben? Wieso fließt der Bach im Bildvordergrund vom Meer weg?

Einen rätselfreien Gegensatz dazu bildet das „Kreuz im Gebirge“, das andere Friedrich-Bild im Kunstpalast: So licht und hell der vieldeutige Ostsee-Blick am Horizont daherkommt, so melancholisch verdunkelt steht das hohe, schlanke Christus-Kreuz vor einer hohen, schlanken gotischen Kirche, die von hohen, schlanken Tannen eingerahmt wird – ähnlich wie die Dortmunder „Winterlandschaft mit Kirche“, die Friedrich ein Jahr früher als das um 1812 entstandene „Kreuz im Gebirge“ malte.

Im Düsseldorfer Kunstpalast daheim: Das „Kreuz im Gebirge“ (um 1812) von Caspar David Friedrich.
Im Düsseldorfer Kunstpalast daheim: Das „Kreuz im Gebirge“ (um 1812) von Caspar David Friedrich. © Joshua Esters - ARTOTHEK | Joshua Esters - ARTOTHEK

Das Kreuz erhebt sich hier über einem Bach, dem alten christlichen Symbol der Taufe. Die in rotbräunlich diffusem Licht gemalten Tannen rahmen die Turmansicht der Kathedrale ein, die vielen Symmetrien des Bildes betonen die Einheit von Glaube, Natur und menschlicher Kultur; die dunkle Stimmung des Bildes, die toten Äste und Zweige rund um das Kruzifix betonen die Endlichkeit alles Irdischen. „Die Landschaftsmalerei schleicht in die Kirche und kriecht auf die Altäre“, hatte der konservative Kunstkenner Basilius von Ramdohr über Caspar Friederichs „Tetschener Altar“ geschimpft; er übersah dabei, dass der Maler auch umgekehrt die Natur durchgeistigte und mit religiöser Symbolik auflud. Der Gedanke aber, dass das Göttliche nicht nur im Menschen, sondern auch im kleinsten Krümel der Natur steckt, war noch suspekt.

Düsseldorfs Kunstpalast verfügt über zwei Caspar-David-Friedrich-Gemälde: „Kreuz im Gebirge“ und „ ist mit dem

Das „Kreuz im Gebirge“ sei das wesentlich häufiger angefragte und auch bekanntere von den beiden Friedrich-Bildern im Kunstpalast, sagt Kathrin DuBois. „Der ,Blick auf die Ostsee‘ und das ,Kreuz im Gebirge‘ sind 1921 und 1925 in bewusster Ergänzung gekauft worden: Nach dem symbolträchtigen Bild mit dem deutlichen Zusammenhang von Religion und Natur erwarb man das ruhige Landschaftsgemälde, das ungleich schwerer zu lesen ist.“ Da beide Bilder vor 1933 gekauft wurden, also vor allen Repressalien, mit denen vielen Verfolgten des NS-Regimes Kunst abgepresst wurde, hat man deren Provenienz bis zum Zeitpunkt des Ankaufs noch nicht umfassend recherchiert; die Klärung anderer Bild-Schicksale ist da dringender.

Kathrin DuBois, Leiterin der Gemäldesammlung vor 1900 im Düsseldorfer Kunstpalast.
Kathrin DuBois, Leiterin der Gemäldesammlung vor 1900 im Düsseldorfer Kunstpalast. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Caspar David Friedrich war erst kurz vor den beiden Düsseldorfer Ankäufen wiederentdeckt worden. 1906 hatte die Berliner Nationalgalerie den Vergessenen in der „Deutschen Jahrhundertausstellung“ mit fast 100 Gemälden und Zeichnungen als modernen Maler des Lichts und des deutschen Gemüts gefeiert.

Friedrich war schon vor seinem Tod 1840 für die Öffentlichkeit weitgehend aus dem Blick geraten, die Romantiker der Düsseldorfer Malerschule hatten ihn verdrängt. „Die bekannten Düsseldorfer Künstler der Zeit haben eher Geschichten erzählt und blieben näher am Wahrnehmbaren“, nennt Kathrin DuBois wesentliche Unterschiede, „und im Vergleich zu ihnen nutzte Caspar David Friedrich ein wesentlich reduzierteres Farbspektrum.“ Zudem seien die meisten Düsseldorfer Romantiker mehr oder weniger eine ganze Generation jünger als Friedrich gewesen: Andreas und Oswald Achenbach, Carl Friedrich Lessing oder Johann Wilhelm Schirmer.

Vor drei Jahren erst stellte der Kunstpalast beide Seiten in der Ausstellung „Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker“ einander gegenüber. Und auch hier wirkten Friedrich-Werke wie die „Lebensstufen“, „Eiche im Schnee“ oder „Der Chasseur im Walde“ ungleich moderner. Ihren Zeitgenossen aber galten die Düsseldorfer als „die wahren Romantiker“, wie die Ausstellungskuratorin Bettina Baumgärtel damals betonte. Zu lernen war in Düsseldorf also auch, wie Wahrnehmung und Beurteilung von Kunst einen beständigen Wandel unterliegen und nicht etwa überzeitlichen Maßstäben.

Beide Düsseldorfer Friedrich-Gemälde sind derzeit auf Reisen, für die Ausstellungen in der Hamburger Kunsthalle (bis 1. April) und anschließend in der Alten Nationalgalerie Berlin („Unendliche Landschaften“, 19. April-4. August) . Das „Kreuz im Gebirge“ wandert dann noch weiter zur großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung im New Yorker Metropolitan Museum mit dem Titel „Die Seele der Natur“ von Februar bis Mai 2025. Danach wird es wieder in Düsseldorf zu sehen sein.