Bonn. . Ungeheuer in Alltag und Geschichte: Gregor Schneider ist ein Provokateur – und Liebling der Kritiker. Arbeiten von ihm sind nun in Bonn zu sehen.
Gregor Schneider ist der Mann, der mit dem gespenstischen Nachbau seines kleinbürgerlichen Elternhauses – „Haus u r“ – bei der Biennale in Venedig den Golden Löwen abräumte. Er ist aber auch der Mann, der sich wiederholt Ärger einhandelte. Nicht nur mit seinem riesigen schwarzen Kaaba-Würfel, den mehrere Museen aus Angst vor glaubenskriegerischen Protesten ablehnten, bevor er dann 2007 an der Hamburger Kunsthalle doch gebaut wurde. Ähnlich sein „totlast“-Projekt für die Ruhrtriennale, das im und am Duisburger Lehmbruck-Museum nicht gebaut werden durfte, weil Bürgermeister der Stadt mit dem Loveparade-Trauma die Schneidersche Klaustrophobie nicht zumuten wollte. Und dann ließ Schneider auch noch einen Laster mit dem Schutt aus dem entkernten Geburtshaus von Joseph Goebbels vor einem Museum in Warschau abstellen.
Der Provokateur Schneider ist allemal Kritikers Liebling. Die Retrospektive auf sein Schaffen seit 1985 in der Bonner Bundeskunsthalle war gerade angelaufen, da erklärte man sie schon zur „Ausstellung des Jahres“, das sich auf seinen letzten Metern befand. Zu sehen, nachzuvollziehen und körperlich zu spüren ist in Bonn jedenfalls, dass Schneider, der im vergangenen Sommer als Nachfolger von Tony Cragg die Bildhauer-Professur an der Düsseldorfer Kunstakademie übernommen hat, der Kunst der Installation eine neue Dimension erschlossen hat. Seine beklemmenden Raum-Nachbauten sind Gesamtkunstwerke, die unseren Alltag mit den Mitteln der Kunst zu einer Mischung aus Geisterbahn und Spiegelkabinett machen.
Labyrinth aus Arbeiten der Vergangenheit
In Bonn hat Schneider ein regelrechtes Labyrinth aus Arbeiten der Vergangenheit zusammengestellt. Da ist viel Dunkel zu durchschreiten (Museumsbedienstete stehen im Notfall mit Taschenlampen bereit). Einmal wird es so kalt, als wäre man draußen, dann wieder geht es von der Doppelgarage in einen Kellertrakt, immer in einer mulmigen Gefühlsmischung von Überwachtwerden, Triebtäterheim und übermächtiger Vergänglichkeit.
Der kopfüber „hängende Raum“ aus dem „Haus u r“ ist ebenso da wie das mausetotenstille „Hauptstraßen“-Video aus Garzweiler, ein Raum mit halb verdeckten Menschensilhouetten, eine Familie vielleicht, geflüchtet und ertrunken.
Auseinandersetzung mit Goebbels
Und auch Schneiders Auseinandersetzung mit dem Geburtshaus von Joseph Goebbels in beider Heimatstadt Rheydt ist dokumentiert: Wie Schneider in dem Haus aß und schlief, zeigen Videos. Sie zeigen auch die Überwindung, die es gekostet haben muss. Und wie das Haus, das im Besitz Schneiders ist, entkernt wurde, weil es wegen des Nachbarhauses nicht abgerissen werden kann. Nicht nur der Schlaf der Vernunft, auch die Geschichte gebiert ja Ungeheuerliches.
Die Ausstellung: Gregor Schneider: Wand vor Wand. Bundeskunsthalle Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 4, bis 19. Februar.