Gelsenkirchen. Mit der VR-Brille kann man im Kunstmuseum Gelsenkirchen eine Ausstellung mit Werken von Picasso und Rembrandt gestalten. Wir haben es getestet.
Vor einer weißen Wand stehend, umgeben von schmalen Streifen weißen Klebebands auf dem Boden, entfaltet sich ein skurriles Bild: Meine Arme strecken sich leicht steif nach oben, wie bei einer Lego-Figur. Die Hände halten kleine weiße Controller fest, während eine große VR-Brille auf dem Kopf thront und das seltsame Bild vervollständigt. Der Körper bleibt nahezu regungslos – nur der Zeigefinger bewegt sich hin und wieder, um eine Taste am Controller zu drücken. Doch jenseits der sichtbaren Realität eröffnet sich eine ganz andere Welt: Im virtuellen Raum gestalten ich selbst eine Ausstellung im Kunstmuseum Gelsenkirchen.
Im Tutorial folge ich brav den Anweisungen der weiblichen Stimme: „Zum Teleportieren mit dem Zeigefinger klicken.“ Ein Klick, zack – schon stehe ich vor einer Wand. „Sehr gut,“ lobt die Stimme, ein kleiner Dopaminkick. Dann geht es direkt in die Praxis. Mit der Taste „A“ öffnet sich das Menü, das in der „Mixed Reality“-Ausstellung 30 Gemälde aus der Sammlung des Kunstmuseums zeigt, die im Depot schlummern. Die Auswahl reicht von Picasso über Kirchner bis hin zu Rembrandt und Stankowski. Hier, in der virtuellen Welt, gibt es genug Platz für kreative Freiräume. Ausstellungswände lassen sich nach Belieben hinzufügen oder entfernen. Viele Gemälde hängen bereits, doch Die Welle von Ansgar Skiba – mit ihren lebhaften Blau-, Grün- und Türkistönen – wartet noch auf den idealen Platz. Ein Klick mit dem Zeigefinger, die Stelle anvisiert, gehalten, abgesetzt – und schon ziert das Werk die Wand.
Kunst zum Mitmachen: Der „Hidden Champion“ in Gelsenkirchen
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Das Kunstmuseum Gelsenkirchen, das Matthias Krentzek, Kooperationspartner und Geschäftsführer von MXR Storytelling, als „Hidden Champion“ bezeichnet, setzt auf innovative, partizipative Technologien, um neue Wege für Kunstbegeisterte zu erschließen. Diese Entwicklung sei schlicht „folgerichtig“, betont Museumsleiterin Julia Höner – vor allem in einem Haus, dessen Herzstück die faszinierende Sammlung kinetischer Kunst bildet. Hier verschmelzen Kunst und Bewegung: Ein Knopfdruck kann Kunstwerke zum Leben erwecken, und Muster entstehen durch den direkten Einfluss des Publikums. Mit rund 80 beweglichen Exponaten – von Skulpturen über Installationen bis hin zu Collagen – beherbergt das Museum eine der bedeutendsten Sammlungen kinetischer Kunst in Deutschland.
„Das Kuratieren ist ein intensiver Prozess, der von starkem Austausch lebt – und die VR-Brille bringt genau diesen Aspekt spielerisch in die Ausstellung.“
„Mit der VR-Brille betrachtet man eine Ausstellung mit ganz neuen Augen. Das Kuratieren ist ein intensiver Prozess, der von starkem Austausch lebt – und die VR-Brille bringt genau diesen Aspekt spielerisch in die Ausstellung“, erklärt Julia Höner. In der VR-Ausstellung wird mit dem gearbeitet, was die Vorgänger hinterlassen haben. Alle Änderungen, die von anderen vorgenommen wurden, sind für den Nutzer sichtbar. Man muss sich also zunächst mit dem auseinandersetzen, was die virtuellen Museumskuratoren vorher erschaffen haben. „Allerdings stellen wir schon fest, dass Werke nur selten entfernt werden“, fügt Krentzek mit einem Lachen hinzu. Es sei bereits geplant, die digitale Sammlung um weitere Gemälde zu erweitern.
Kostenloses VR-Erlebnis im Kunstmuseum Gelsenkirchen
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„Durch die VR-Ausstellung machen wir auch neue Technologien für alle leicht zugänglich“, erklärt die Museumsleiterin. „Ich glaube, wir sind das einzige Museum hier in Gelsenkirchen, in dem man so eine Brille kostenlos ausprobieren kann.“ Die Einführung dieser Technologie sei dabei überraschend schnell verlaufen: Mit der Förderung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe habe es weniger als ein Jahr gedauert, um das Konzept zu entwickeln, die Software zu programmieren und erste Prototypen zu testen. „Es gab unzählige Testphasen“, erinnert sich Matthias Krentzek lachend. Das Interesse an der VR-Brille sei bereits jetzt groß – und zwar bei Menschen aller Altersgruppen. Deshalb soll die Brille auch langfristig im Museum bleiben.