Essen. Kardiologe und Zollverein-Chronist: Bernd Langmack hat die Entwicklung der einst größten Steinkohlenzeche der Welt 30 Jahre lang mit der Kamera begleitet

Als sich Bernd Langmack Ende der 1960er Jahre für einen Studienplatz der Humanmedizin bewirbt, da entscheidet er sich nicht für Hochburgen der Heilkunst wie Marburg oder Heidelberg, sondern für Bochum. Es ist eine Wahl, die die Haltung des gebürtigen Niedersachsen spiegelte. „Ich wollte nah an den arbeitenden Menschen sein.“ Den Menschen hat Langmack viele Jahrzehnte als Internist und Kardiologe geholfen. Den mächtigen Zeugnissen des Steinkohlebergbaus, der die Geschichte des Ruhrgebiets über Jahrzehnte geprägt haben, näherte er sich in dieser Zeit mit der Kamera.

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Tausende Fotos sind so von 1991 bis 2024 entstanden. 130 davon zeigen das Ruhr Museum und die Stiftung Zollverein nun in einer großen Sonderausstellung „Zollverein. Architekturfotografien von Bernd Langmack“ samt prachtvollem Fotobuch. Die Ausstellung kommt gewissermaßen als Begleitung des umfangreichen Bildbands daher, der dem Welterbe „ein fotografisches Denkmal setzt, das als Fotoprojekt Vergleichbares sucht“, sagt Ruhr Museums-Direktor Theo Grütter.

Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, der Fotograf Bernd Langmack, und Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung im Ruhr Museum, präsentieren 130 Architekturfotografien in Halle 8 auf Zeche Zollverein.
Theo Grütter, Direktor des Ruhr Museums, der Fotograf Bernd Langmack, und Stefanie Grebe, Leiterin der Fotografischen Sammlung im Ruhr Museum, präsentieren 130 Architekturfotografien in Halle 8 auf Zeche Zollverein. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Langmack hat keine konkrete Agenda, als er 1991 das erste Mal aufs Zollvereingelände kommt und zu fotografieren beginnt. Er verfolgt keine Systematik, keine Langzeitstrategie, als er das Areal der einstmals „verbotenen Stadt“ durchstreift, sondern verfährt nach dem „Flaneur-Prinzip“. Die Kokerei Zollverein ist da noch in Betrieb, doch auf dem Zechen-Areal haben Ungewissheit und Verfall nach der Stilllegung 1986 bereits erste Spuren hinterlassen. Langmack ist fasziniert von diesem „unvergleichlichen Ensemble“ und kehrt in unregelmäßigen Abständen immer wieder an den Ort zurück.

Noch nicht aufgeräumt. Der Abriss der Schrebergartenanlage erfolgte 2005.
Noch nicht aufgeräumt. Der Abriss der Schrebergartenanlage erfolgte 2005. © Bernd Langmack | Bernd Langmack

Dass Zollverein in den kommenden Jahrzehnten zum Wahrzeichen des Wandels, zur Ikone der Industriekultur und zum Unesco-Welterbe aufsteigen würde, ist damals noch nicht zu ahnen. Und als auch auf der Kokerei 1993 die letzte Schicht ansteht, will Langmack die Anlage noch einmal „unter Dampf“ aufnehmen. Er glaubt, sich beeilen zu müssen. „Hätte ich gewusst, dass das alles einmal unter Denkmalschutz steht, dann hätte ich mir Zeit gelassen.“ Dass Zollverein am Ende sogar sein Thema über drei Jahrzehnte werden würde, das hat Langmack damals noch nicht geahnt.

Als die mächtige Kohlenwäsche noch kein Ruhr Museum war: Architekt Heinrich Böll beobachtet den Baufortschritt, 2006.
Als die mächtige Kohlenwäsche noch kein Ruhr Museum war: Architekt Heinrich Böll beobachtet den Baufortschritt, 2006. © Bernd Langmack | Bernd Langmack

Inzwischen ist das Wahrzeichen der Bergbaugeschichte für den fotografierenden Mediziner ein Projekt, „das nie zu Ende geht, weil sich Zollverein kontinuierlich verändert“. Das jüngste Foto ist im Frühjahr 2024 entstanden, es zeigt die Schachtverfüllung und bildet damit so etwas wie das Schlussbild einer Entwicklung, die aus der einst größten Steinkohlenzeche der Welt auch einen touristischen Hotspot gemacht hat, deren Gesamtbild heute „eine bunte Eventwelt bestimmt“, sagt Grütter.

Kohlenwäsche und Stellwerk, 1992.
Kohlenwäsche und Stellwerk, 1992. © Bernd Langmack | Bernd Langmack

Die Bilder, die Langmack in Bildband und Ausstellung zeigt, sind allerdings einheitlich Schwarzweiß, auch wenn er ab den 2000er Jahren durchaus in Farbe fotografiert hat und von der Großbildkamera zur digitalen Fotografie wechselt. Langmacks Umgang mit den Relikten des Bergbaus ist dabei nicht so sachlich und systematisch angelegt wie beispielsweise bei den Bechers, sondern von einer eher subjektiven Sicht geprägt. Denn bei allem Respekt vor der Architektur und der Ingenieurleistung entwickelt der heute am Niederrhein beheimatete Fotograf auch eine kritische Sicht gegenüber den Machtverhältnissen, in deren Kontext die Zeche entstanden ist.

Nach der Stilllegung: Die Kohlenwäsche im Winter, 1993.
Nach der Stilllegung: Die Kohlenwäsche im Winter, 1993. © Bernd Langmack | Bernd Langmack

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Das Buch ist nun die Essenz seiner jahrelangen Beschäftigung mit Zollverein, unterteilt in drei Kapiteln, vom verlassenen Zechenareal über den Umbau von Kohlenwäsche und Kokerei bis zum lebendigen Unesco-Weltkulturerbe. Es zeigt das gigantische Areal mit seinen vom Bauhaus inspirierten Hallen, den endlosen Bandbrücken und dem markanten Doppelbock-Turm als beeindruckende Komposition aus Form, Struktur und höchster Funktionalität. Vor allem aber führt es noch einmal vor Augen, was Zollverein war, bevor hier Kunst, Design und moderne Unternehmen einzogen: Eine mächtige und in ihrer Gigantomanie einschüchternde Riesen-Maschine, deren einzelne Funktionen vom Gaswascher über den Portalkratzer bis zum Krählwerk am Rundeindicker heute kaum noch jemand nachvollziehen kann.

Informationen zu Buch und Sonderausstellung

Die Sonderausstellung „Zollverein. Architekturfotografie von Bernd Langmack“ ist bis zum 2. Februar 2025 auf Zollverein zu sehen, Halle 8.

Öffnungszeiten täglich von 10 bis 17 Uhr, der Eintritt beträgt 5/erm. 4 Euro, für Kinder, Jugendliche und Studierende ist er frei.

Der Bildband ist im Verlag Walter und Franz König erschienen (258 Seiten, über 120 Abbildungen). Er kostet im Buchhandel 48 Euro, im Rahmen der Sonderausstellung ist er für 38 Euro zu haben. (ISBN 978-3-7533-0709-1).

Langmack wird Zollverein auch in den kommenden Jahren nicht völlig aus den Augen lassen. Seine neue Fotoserie „Das Ruhrgebiet als Gebüsch“ blickt allerdings auf das, was auch dieses heute bis in den letzten Winkel glatt sanierte Welterbe einst überwucherte: das wild ins Kraut schießende Grün.

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