Essen. Der Regisseur Ali Abbasi hat dem Mann mit der Tolle ein Filmdrama gewidmet. Warum „The Apprentice“ unterm Strich nicht überzeugen kann.

Ein Besuch im New Yorker Nachtclub „The Club“ soll das Leben von Donald Trump nachhaltig verändert haben. Es sind die 70er-Jahre, Richard Nixon hat abgedankt, Gerald Ford übernimmt. Und der Mann, der in ferner Zukunft der 45. Präsident der Vereinigten Staaten sein wird, ist noch ein junger Millionärssohn mit einer Föhnwelle und großen Plänen. Ein bisschen dicklich, etwas linkisch, aber durch und durch erfolgsorientiert. Gerade ist das väterliche Immobilien-Unternehmen wegen Diskriminierung am Mietmarkt angeklagt worden, da lernt „Donny“ den schwulen Anwalt und skrupellosen Strippenzieher Roy Cohn kennen, berüchtigt als Chef-Jurist der Linken-Hatz in der McCarthy-Zeit.

Cohn lädt Trump eines Nachts an seinen Tisch. Er sieht Potenzial, erkämpft für die Familie Trump vor Gericht einen Vergleich – und dient sich dem reichen Emporkömmling als Verbündeter an. Der Beginn einer halb geschäftlichen, halb privaten, leicht homophil angehauchten Beziehung, die der iranisch-dänische Drehbuchautor und Regisseur Ali Abbasi in den Mittelpunkt seines Films gestellt hat. In den USA sorgte dieser bereits für Schlagzeilen, jetzt kommt „The Apprentice“ („Der Auszubildende“) auch in die deutschen Kinos und erweist sich als unterhaltsam, aber flach.

„The Apprentice“ im Kino: Donald Trump (Sebastian Stan) und Ivana (Marija Bakalowa).
„The Apprentice“ im Kino: Donald Trump (Sebastian Stan) und Ivana (Marija Bakalowa). © DCM | DCM

In den USA wollte Trumps Wahlkampfteam den Filmstart vor der US-Wahl verhindern, liest man im Vorfeld. Dazu passt, dass offenbar keine der großen Hollywood-Filmgesellschaften den Film veröffentlichen wollte – stattdessen wird er nun von einer unabhängigen Produktionsfirma gezeigt. So richtig nachempfinden lässt sich das nicht. Denn bis auf eine (!) Vergewaltigungsszene kommt Trump so schlecht gar nicht weg. Also für seine Verhältnisse. „The Apprentice“ ist weniger ein kritisches Porträt als eine sanft satirische Aufsteigergeschichte.

„The Apprentice“: Im Fokus stehen die ersten Jahre von Donald Trumps Karriere

Der Fokus der Filmemacher liegt auf den ersten Jahren seiner Karriere. Der Weg in die Politik, die Konflikte mit dem Gesetz, die vielen Verfahren, die Verurteilung wegen der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an eine ehemalige Pornodarstellerin sowie die zahlreichen unterirdischen Auftritte als Staatsmann liegen noch in ferner Zukunft. Auch die titelgebende Reality-Show „The Apprentice“, bei der Trump von 2004 bis 2015 als Moderator auftrat, ist weit weg. Und so fragt man sich nach zwei Stunden inmitten künstlerisch-körniger Sepiatöne im 16-mm-Retro-Look, ob „The Apprentice“ Trumps Wahlchancen tatsächlich beeinflussen könnte, geschweige denn schmälern.

Aber von Anfang an. New York ist ein Moloch voller Obdachloser und Drogensüchtiger, die Kassen sind leer, einige Jahre später wird Ronald Reagan mit dem Slogan „Make America Great Again“ erfolgreich in den US-Wahlkampf ziehen. Da kommt der ehrgeizige Trump genau richtig. Er will das heruntergewirtschaftete Commodore-Hotel an der 42nd Street umbauen – sein erstes großes Projekt. Mithilfe seines neuen Freundes Roy Cohn gelingt der Coup. Die Stadt erlässt die Grundsteuer, das Grand Hyatt entsteht für 100 Millionen. Es ist das Jahr 1979. Der erste wichtige Schritt in die Öffentlichkeit ist gemacht. Als Trump das Model Ivana (Marija Bakalowa) kennenlernt und heiratet, scheint sein Erfolg zunächst perfekt.

„The Apprentice“: Roy Cohn (Jeremy Strong) ist einfach immer im Dienst.
„The Apprentice“: Roy Cohn (Jeremy Strong) ist einfach immer im Dienst. © DCM | DCM

Abbasi erzählt konventionell und chronologisch, und so ist es vor allem Jeremy Strong zu verdanken, dass der Film mit einigen richtig starken Szenen aufwarten kann. Strongs Cohn ist der perfekte Fiesling: ein schmaler Typ mit kaltem Blick und geschmeidig vorgetragenen rassistischen Parolen. Für seinen Profit geht er über Leichen. Und er schärft dem jungen Trump die drei Regeln für Erfolg ein. Immer angreifen („Man geht auf den Mann, nicht auf den Ball“). Nie etwas zugeben. Und sich immer als Sieger ausgeben („Die absolute Wahrheit gibt es nicht“). Ganz am Ende wird das einen Journalisten, der eine Biografie über Trump schreiben will, erst einmal zum Lachen bringen. „Das beschreibt die US-Politik der letzten 25 Jahre.“

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Sebastian Stan als Trump wirkt anfangs wie ein sympathischer Stoffel, der für seinen Vater die Miete eintreibt und als einziger am Tisch keinen Alkohol trinkt. Am Dämonischen, das ihm Abbasi in der zweiten Hälfte seines Dramas verleihen will, hat er zu knabbern; immerhin ringt er mit Gewichtsproblemen, Schweißausbrüchen und einer beginnenden Glatze, wobei sein Look allmählich ins typische Trump-Orange hinübergleitet. Doch zunächst sitzt die Frisur 1a, und Cohn führt „Donny“ in die richtigen Kreise ein. Er steht an seiner Seite, wann immer es brenzlig wird. Er sorgt für seinen Aufstieg. Dann erkrankt er an Aids. Und bemerkt schnell, dass er auf seinen alten Verbündeten und Ziehsohn nicht mehr zählen kann.

„The Apprentice“ über Donald Trump: mit Baccara und den Pet Shop Boys

Einmal quer durch die 70er und 80er führt die Geschichte, gegossen in statische Bilder und düstere Salons. Kameraflüge über die Wolkenkratzer von New York sind schon das Aufregendste, was optisch passiert, von einer Begegnung mit Andy Warhol abgesehen. Dazu gesellt sich eine Zeitgeist-Untermalung zwischen Baccara („Yes Sir, I Can Boogie“) und den Pet Shop Boys, so dass man sich bisweilen fühlt wie in einer alten „Miami Vice“-Folge samt Don-Johnson-Verschnitt. Richtig ärgerlich ist jedoch der psychologische Zugriff, der über dem Ganzen schwebt. Dafür steht Martin Donovan als labiler Trump-Bruder Freddy, der hier zu einem Motor für Trumps Ehrgeiz wird.

Und so fragt man sich am Ende, wer hier eigentlich von wem profitiert: Der Filmemacher von der bevorstehenden US-Wahl und ihrem Kandidaten? Oder eben doch jener Negativ-Held, der jetzt erneut antritt, um auch der 47. Präsident der USA zu werden und dem der Film unterm Strich wieder zu mehr Prominenz verhilft. Sei‘s drum. Viel Neues hat „The Apprentice“ ohnehin nicht zu bieten.