Neue Filme: In den Kriminaldramen „Holy Spider“ und „In der Nacht des 12.“ geht es um Mord, dazu gibt es mauen Puppengrusel mit „M3gan“.
„Holy Spider“
Maschhad im September 2001: Die „heilige Spinne“ löst in Irans zweitgrößter Stadt Verunsicherung aus. Seit sechs Monaten schon sind es Prostituierte, die auf offener Straße mit dem Motorrad aufgegriffen und dann irgendwo erwürgt werden. Und wenngleich die Tathergänge stets gleich ablaufen, hat die Polizei keinen Täter identifizieren können – oder wollen. Schließlich gibt es in der „Heiligen Stadt“ nicht wenige, die die Mordtaten gut heißen, weil dadurch der Dreck von der Straße geräumt wird. In dieser Gemengelage kommt die Kriminaljournalistin Rahimi nach Maschhad, um für die landesweite Nachrichtenagentur zu recherchieren.
Mit seiner dritten Regiearbeit siedelt der in Dänemark lebende und arbeitende Filmautor Ali Abbasi („Border“) erstmalig einen Film in seiner Heimat Iran an. Er zeigt Frauen ohne Büstenhalter oder Kopftuch, Drogenmissbrauch und Prostitution, was in der gegebenen Offenheit nur möglich war, weil in Jordanien gedreht wurde.
Die Geschichte von 16 religiös motivierten Prostituiertenmorden basiert auf einem wahren Fall aus den Jahren 2000/2001, der Blickwinkel des Täters ist der eine zentrale Handlungsstrang. Der zweite gehört der schönen, selbstbewussten Journalistin (Zar Amir-Ebrahimi), deren unkonformes Auftreten den Anker wirft hinüber in westliche Arthouse-Zirkel. Regisseur Abbasi bedient hiesige Sehgewohnheiten, wenn er korrupte Polizei und allgegenwärtige Erniedrigung von Frauen zeigt.
Überhaupt geht in dem Film arg drastisch zu. Gleich der erste Mord fährt in seiner dokumentarisch nüchtern gefilmten Gewalttätigkeit wie eine Faust in den Magen. Es verstört aber auch zu sehen, wenn der Täter (in bestürzender Intensität mit brennenden Augen und brutalem Mund gespielt von Mehdi Bajestani) sich nach seiner Verhaftung als Märtyrer des Irakkrieges und als Werkzeug Gottes stilisiert.
Ali Abbasi hält sein Brennglas auf männliche iranische Befindlichkeiten, stellt der Gerichtsbarkeit aber ein edles Zeugnis aus, wenn er den leitenden Richter befinden lässt: „Prostitution ist kein religiöses, sondern ein gesellschaftliches Problem.“ Das System ist also in Ordnung, es sind die Individuen, die über die Stränge schlagen. Man kann das als diskussionswürdig bewerten.
„M3gan“
Spielentwicklerin Gemma (Allison Williams) hat eine KI-gestützte Puppe entwickelt. M3gan soll den Spielzeugmarkt revolutionieren, weil sie ständig dazulernt. Gemma stellt die Puppe ihrer Nichte Cady zur Seite. Das Mädchen und die Puppe werden beste Freunde. Dann entwickelt die Puppe ein gefährliches Eigenleben.
In ihrer ersten gemeinsamen Arbeit bedienen Erfolgsproduzent James Wan („Saw“, „Insidious“) und der für Regie nur bedingt talentierte Gerard Johnstone („Housebound“) alle Klischees, die mit dem Horror-Subgenre vom gefährlichen Spielzeug erprobt und somit erwartet werden. Alle zwischen 12 und 15 werden sich gruseln, der Rest wird es nicht.
„In der Nacht des 12.“
Das Ende steht im Vorspann: „Jedes Jahr bleiben fast 20 Prozent aller Mordfälle ungelöst. Von einem erzählt dieser Film.“ Was „In der Nacht des 12.“ geschah, erfährt man also konsequenterweise nicht.
Oktober 2016. In Grenoble ist Yohan Vivé (Bastien Bouillon) gerade als neuer Polizeichef gefeiert worden, als sich ein grauenvoller Mord ereignet. Die junge Clara wird von einem Vermummten mit Benzin übergossen und angezündet. Die Kripo ermittelt, doch alle Spuren verlaufen im Sand. Eine Riesenbelastung, die vor allem dem älteren Kollegen Marceau (Bouli Lanners) immer mehr zusetzt. „Wir bekämpfen das Böse mit Berichten“, sagt er.
Die Kamera begleitet die Verhöre; akribisch werden Claras Freunde, Bekannte und Liebschaften befragt. Sie beobachtet die ehrgeizigen Ermittler bei der Schreibarbeit, beim Aktenstudium, beim Telefonieren, Konferieren, dem Kampf mit Kosten, Personalnot und defektem Drucker. Unbezahlte Überstunden, zerstörte Privatleben. Bürokratie frisst Energie. Nachts sieht man dann, wie Yohan auf der Radrennbahn verbissen seine Runden dreht. Ein Hamsterrad.
Regisseur Dominik Moll („Die Verschwundene“) erzählt das alles reduziert und nüchtern zwischen finsteren Büros, Ortsterminen und flüchtigen Blicken auf idyllische Berggipfel. Auf ausgefeilte Charaktere legt er wenig Wert, es geht ums Beobachten. Dabei allerdings werden die knapp zwei Stunden irgendwann lang, entpuppt sich der Kunstgriff, das Ende vorwegzunehmen, letztlich als spannungsfeindliche Schwäche.