Bochum. Im ausverkauften Bochumer Ruhrcongress geht Nena auf Streifzug durch vier Musik-Jahrzehnte. Dabei wird sie von Tochter und Sohn unterstützt.

Was für ein Lachen. Ansteckend lebensfroh. Ironisch und sogar ein bisschen dreckig, wenn sie mal wieder einen ihrer frechen Sprüche rausgehauen hat. Auch mit nunmehr 64 Jahren hat Nena auf der Bühne die Ausstrahlung eines Wildfangs, der einen Hauch von Rotzigkeit mit jugendlichem Charme vereint. „Wir gehören zusammen“ ist der Titel der Tournee, die sie und ihre Band jetzt nach Bochum führte.

Marketingprofis können bei ihr in Superlativen schwelgen: 25 Millionen verkaufte Tonträger weltweit, Ikone der Neuen Deutschen Welle, eine der erfolgreichsten Pop-Künstlerinnen hierzulande. Aber die Fans, die zu Tausenden in die Ruhrcongresshalle strömen, lieben sie, weil sie so unverfälscht und ehrlich wirkt. Wie ein Freigeist, der sich keinen Regeln unterwerfen mag – auch nicht in den Jahren der Pandemie, womit Nena viel Kritik auf sich zog.

Tochter Larissa und Sohn Sakias stehen mit ihrer Mutter auf der Bühne

Ein wenig ist diese Tour auch ein Familienprojekt. Tochter Larissa, bekannt als „Issa Bloch“, bringt das Publikum als Vorband auf Betriebstemperatur. Sie klingt der Mutter so ähnlich, als hätte jemand die Zeit ins Jahr 1983 zurückgedreht. In jene Zeit also, in der die „99 Luftballons“ ihrer Mutter hoch und höher in den Hit-Himmel stiegen, in der viele gegen die Stationierung amerikanischer Pershing-II-Raketen in Deutschland demonstrierten.

Mit der Tochter, aber auch mit Sohn Sakias singt Nena im Laufe des Abends im Duett. Wer ihr dabei zusieht, wie sie zwei Stunden lang auf der Bühne Vollgas gibt, wie sie einen Ohrwurm an den nächsten reiht, mag kaum glauben, dass sie bereits vier Enkel hat. Ihr Streifzug durch vier Jahrzehnte „Nena“-Repertoire beginnt mit „Liebe ist“ und „Nur geträumt“: Titel, die sofort Stimmung machen und in die Füße gehen. Da bleibt kaum jemand sitzen. Aber als Nena von der Bühne heruntersteigt und sich ohne Scheu unter ihre Fans mischt, verhalten sich diese bei aller Begeisterung sehr diszipliniert.

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Beeindruckendes Gefühl für Timing

Zu den Künstlern, die bei Live-Auftritten enttäuschen, zählen Nena und ihre Band definitiv nicht. Der Sound stimmt, die Light-Show auch, und Nena singt live um keinen Deut anders, als man sie in Erinnerung hat. Beeindruckend exakt ist das Gefühl für Timing. Immer wieder nimmt die Band Tempo und Lautstärke aus Songs heraus: Nenas kesse Lippe erhält in diesen ruhigeren Momenten eine wunderbare Bühne. Aber dann nehmen die Musiker den Faden wieder auf, druckvoll und mit hoher Präzision.

Gerade rechtzeitig schlägt nach vielen schnellen Titeln auch die Stunde für gefühlvolle Balladen. Wenn Nena sich für „In meinem Leben“ und „Wunder gescheh‘n“ neben den Pianisten ans Klavier setzt, lässt sie Persönliches anklingen. Dass sie das Konzert kurz unterbricht, als eine Frau ärztliche Versorgung benötigt, bringt ihr zusätzliche Sympathiepunkte ein. „Es geht ihr gut, wir können weitermachen!“, ruft sie nach kurzer Rückfrage ins Mikro. „Vollmond“, „Leuchtturm“ und „Zinnsoldat“ folgen.

Die „99 Luftballons“ hat sie sich für den Abschluss aufgespart. „Ooooh, wie ist das schön“, singt das Publikum danach selig. Und statt mit der Angst vor neuen nuklearen Bedrohungen entlässt Nena es mit Klängen der Hoffnung: „Irgendwie, irgendwo, irgendwann.“