Essen. Neu im Kino: Regisseur Lars Kraume hat aus dem Erfolgstheaterstück „Heisenberg“ einen Film gemacht, der im Kino aber nur bedingt funktioniert.
Der Zufall führt Greta und Alexander zusammen. Sie ist um die 50, er 20 Jahre älter. Sie eine gesprächige Nervensäge, er ein Eigenbrötler. Sie eine flatterhafte Lügnerin – er ein Prinzipienreiter. Einsame Seelen sind beide. Wie sie sich begegnen, versuchen, sich anzunähern, aufeinander zu und wieder auseinanderdriften, hat der britische Dramatiker Simon Stephens im Theaterstück „Heisenberg“ erfolgreich beschrieben. Jetzt hat Lars Kraume daraus einen Kinofilm gemacht: In der Tragikomödie „Die Unschärferelation der Liebe“ treiben Burghart Klaußner und Caroline Peters miteinander durch das nächtliche Berlin.
„Ungarische Tänze“ im Kopfhörer
Es beginnt mit Brahms’ „Ungarischen Tänzen“ im Kopfhörer und dem Blick aus einem Linienbus heraus auf die Straßen. Passanten mit Hunden, Radfahrer, ein schwules Pärchen, asiatischer Schaufenster-Kitsch. Blätter treiben über den Asphalt. Eine Großstadt-Sinfonie.
Alexander Kirchner (Burghart Klaußner), Plastiktüte, Wollmütze, Musik auf den Ohren, fährt allein durch Berlin, das er immer wieder aufs Neue erkundet, auch wenn er es nie verlassen hat. Urlaub macht er nicht, und überhaupt ist er einer, der lieber denkt als fühlt. Heimlich trauert er einer verflossenen Liebe nach.
Lars Kraume (auch Drehbuch, mit Dorothee Schön) hat die Geschichte von Alexander und Greta aus London in die deutsche Hauptstadt verlegt, bei den bewährten Hauptdarstellern ist er geblieben; Klaußner und Peters standen Mitte der Nullerjahre in vielen Städten im Theaterstück „Heisenberg“ miteinander auf der Bühne. Und so ist es keine Überraschung, dass die beiden auch im Film großartig sind. Jeder für sich und zusammen als Team.
Ein Kuss einer Fremden an der Bushaltestelle
An der Bushaltestelle küsst Alexander eine Fremde. Greta (Caroline Peters), exzentrisch gekleidet, verpeilt, aber liebenswert, hat ihn mit ihrem verstorbenen Mann verwechselt, zumindest erzählt sie das. Der Beginn einer Bekanntschaft, die flüchtig ist wie die Nacht. Allmählich gelingt es Greta, sich in das Herz des wortkargen, traurigen Metzgermeisters zu plaudern. Er beginnt, auch von sich zu erzählen.
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Und so geht es hin und her, von der Vergangenheit bis zu fernen Träumen, vom Leben in den USA bis nach Europa, das für Greta nach Tabak, Bier, Tee und Seife riecht, ebenso wie Alexander. Und es geht um die Heisenbergsche Unschärferelation, die das Umeinanderkreisen der Protagonisten und die Rolle des Publikums dabei gut beschreibt. Greta erklärt den Physiker Werner Heisenberg jedenfalls so: „Wenn man etwas beobachtet, kann man nicht sagen, wohin es sich bewegt und wie schnell. Du verlierst es aus dem Blick.“
Kraume hat einiges Tempo in das statische Schauspiel gebracht. Ihr Weg führt die beiden kreuz und quer durch die Stadt, aber auch in hippen Asia-Restaurants und Alexanders Wohnung ist ihnen die Kamera auf der Spur. Hier kommt es zum Konflikt: Greta will ihren Sohn in New Jersey aufspüren und braucht dafür dringend Geld.
Fleischloses Hack beim Metzger
Der filmische Zugriff tut der Geschichte gut, die Sperrigkeit und Künstlichkeit des Theaterstücks kann Kraume aber nicht ganz ausbalancieren. Manchmal fühlt man sich an die Before-Trilogie erinnert, bei der sich Ethan Hawke und Julie Delpy um Kopf und Seele quatschen. Hier also eine Version, die älter ist. Und sehr viel deutscher.
Unterstützung bietet Klaußner und Peters einzig Brecht-Schauspielerin Carmen-Maja Antoni, die in einer Szene in Alexanders Metzgerei herrlich krawallig fleischloses Hack bestellen darf. Die Berliner waren immer schon seltsam.