Essen. Jugendliche für klassische Musik zu gewinnen, ist schwierig. Wir zeigen, was Orchester alles dafür tun. Von Schulkonzerten bis zu Patenschaften.

„Uncool!“: Sind Kinder „Peter und der Wolf“-entwachsen, kommt die Phase, in der man von Klassik Pickel kriegt. Schwer zu gewinnen für den Konzertsaal sind Menschen ab 12. Umso größer der Ehrgeiz der Orchester des Ruhrgebiets, sie mit Spezial-Angeboten für Bach und Co zu gewinnen. Auf dieser Seite zeigen wir, wie unsere Klangkörper auch in Zeiten von HipHop und Tiktok nahbar in die Saiten greifen.

Die Essener Philharmoniker: Ins Gespräch kommen!

Was Essens Philharmoniker mit Jugendlichen wollen, wenn sie ihnen nicht gerade live Beethoven oder Mozart vorspielen? „Ins Gespräch kommen!“. Das ist der rote Faden, den das Orchester spinnt: ein Austausch über Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen zwischen Profis und Jugendlichen von der fünften Klasse bis zum Abi-Jahrgang.

Da gibt etwa das „AaltoMobil“ Gas. Eigens für junge Leute ausgetüftelte Kurzfassungen von Opern sind zu Gast in Schulen. „School@Jota“ ist klassische Kunst-Vermittlung der traditionellen Art: Probenbesuche zu den Sinfoniekonzerten der Essener Philharmoniker. Einen ganzen Workshop-Tag sind Schulen bei „StartUp Spezial“zu Gast an der Huyssenalle, ganz nah können sie dort mit Essener Philharmonikerinnen und Philharmonikern zusammentreffen.

Aber nicht nur das „feste“ Orchester des Hauses macht Angebote. Im Spielplan der Philharmonie finden sich immer wieder originelle Ideen. Zum Beispiel am 25. Februar: In „Posterity“ treffen vier junge Schlagzeuger in ihrer Konzertshow die Alte-Musik-Könner vom Balthasar-Neumann Orchester. Motto: „Bei uns passiert was!“ (theater-essen.de)

Die Bochumer Symphoniker: Das Alter soll nicht trennen

Bochums Symphoniker wollen nicht, dass Klassik Alt und Jung trennt. „Man“ geht gemeinsam. Großzügige Mitglieder des Freundeskreises sind quasi Paten, laden Junge ein zum gemeinsamen Konzertbesuch. Klassen oder Schüler ab 14 Jahren sind aufgefordert, sich zu bewerben. Damit sind drei Konzerte verbunden, manchmal, sagen die „BoSy“, wird auch ein länger währender Kontakt daraus.

Was gibt es noch? Hausführung, Erläuterungen zum Programm sowie gemeinsamer Konzertbesuch sind als Paket der Klassiker im Kontakt mit Schulen, alles zusammen 6 Euro, betreuende Lehrer frei. Besonders ist im jüngsten Konzertsaal von NRW die „BoSy Lounge“: Eine Band tritt mit Menschen vom Orchester auf, es gibt eine Bühne in der Kirche, Tanzfläche nebenan! Mehr Barrierefreiheit zum Kennenlernen von Klassik & Co geht nicht.

In Bochum ist die Bandbreite für Junge groß: Nehmen wir nur interaktive Konzerte mit Kompositionen zu Computerspielen, Workshops in (Body-)Percussion, Kino-Konzerte mit Live-Sound und und und. (bochumer-symphoniker.de)

Die Dortmunder Philharmoniker: Dortmunder Expeditionen

Wer in einer so ganz anderen Welt lebt als in der von Taktstock und Kontrabass, für den ist der Weg zur Klassik Eroberung von Unbekanntem. Schlüssig, dass Aktionen von „Maestro to go“ (Dirigenten bei der Arbeit zuschauen) bis zu „Impuls Mittendrin“ (man sitzt im Orchester!) bei Dortmunds Philharmonikern „Expedition Klassik“ heißen.

Auch interessant

„Junge Menschen in ihrer Lebenswelt abzuholen, zu beweisen wie aktuell ,alte Musik’ sein kann“, ist das erklärte Ziel, da dürfen auch schon mal Spielkonsolen aufs Podium. Klassik (oft im Konzerthaus, aber auch mobil für Klassikeinsteiger ab zwölf) soll „ein Erlebnis“ sein.

In dieser Spielzeit stehen noch zwei große Events mit Gästen auf dem Programm: Im „Travel Concert“ (13. März) nimmt der Geograph André Baumeister die Zuhörer mit in die Arktis und man wird hören, wie sie klingt. Das Live-Hörspiel „Symphonic Adventure – Tarot“ (19. Juni) hat einen Erzähler und Illustrator zu Gast. Auch in Dortmund gibt es Film-Konzerte mit Orchester! (theaterdo.de)

Die Duisburger Philharmoniker: klassischer Soundcheck

Als Klassik-Botschafter sind Duisburgs Philharmoniker vor allem in Schulen zu Hause – wenn die Schule nicht gerade bei ihnen zu Besuch ist, etwa bei der „InstrumenTour“. Dort, wo sich sonst nur die Bratschistin oder der Herr an der Harfe für den großen Auftritt warm machen, erhalten Schülerinnen und Schüler Instrumentenkunde live. Mit dem Wort „Klasse“ spielen alle Projekte der Duisburger Marke „Klasse.Klassik“. Bei „Rhapsody in School“ und „4teens“ erzählen Solisten und Orchestermusiker von ihrer Arbeit und ihrem Instrument. Natürlich gibt es da live was auf die Ohren.

Echte Backstage-Erlebnisse verspricht das Orchester bei „interaktiv Phiko-Check“. Phiko steht für philharmonische Konzerte. Und weil das reine Zuschauen und Hören manchen vielleicht zu trocken ist, warten im hauseigenen Instrumentenfundus Celli und Geigen, auf denen die Teenager selbst mal in die Saiten greifen.

Auch interessant

Noch in der Mache ist das jüngste Duisburger Projekt: In Stadtteilen soll mit Menschen ab 12 street music erklingen. Die Jugendarbeit des Orchesters wird übrigens 2023 20 Jahre alt. Ein Grund zu feiern: Am 18. Februar (10-16h) gibt es im Theater der Stadt darum einen „Erlebnistag“. (duisburger-philharmoniker.de)

Die Neue Philharmonie Westfalen: Partner sein!

Seit fast 25 Jahren setzt die Neue Philharmonie Westfalen (NPW, Sitz ist Recklinghausen) auf eine Beziehung zu Jugendlichen, die die gemeinsame Stunde im Konzertsaal überdauert. Was das bedeutet? Eine echte Partnerschaft, sagt das Orchester, dessen Besonderheit ist, dass es viele NRW-Städte mit Musik beliefert, die keinen eigenen Klangkörper haben.

Erklärtes Ziel der Partnerschaft: Nicht länger sollen Musiker „die da oben“ sein, weit entfernt auf der Bühne. Das bedeutet für drei ausgewählte Schulen pro Saison ein ganzes Paket. Musikerinnen und Musiker bitten zur Instrumentenkunde im Klassenzimmer, es gibt echten Profi-Rat für Laien, etwa wenn sie Schulensembles coachen. Aber das Team der Neuen Philharmonie Westfalen bietet noch mehr. Selbst bei der musikalischen Gestaltung von Schulfesten sind sie zur Stelle. Workshops für Projektwochen, moderierte Live-Konzerte mit kleineren Ensembles in der Schul-Aula gehören auch dazu.

Und wer wissen will, warum bei so vielen Philharmonikern einer das Sagen haben muss, der bekommt bestenfalls Antworten vom Chef: Auch Generalmusikdirektor Rasmus Baumann schaut gelegentlich in den Partner-Schulen vorbei. (neue-philharmonie-westfalen.de)