Essen. Essens städtisches Orchester bekommt einen neuen Chef. Der favorisierte Nachfolger von GMD Tomáš Netopil ist in der Stadt kein Unbekannter mehr.
Die Essener Philharmoniker bekommen in der Spielzeit 2023/24 einen neuen Generalmusikdirektor. Dass der Vertrag von Tomáš Netopil nicht ein weiteres Mal verlängert wird, hat der Aufsichtsrat der Theater und Philharmonie schon vor einer Weile entschieden. Nun scheint klar, wer der Nachfolger und damit neuer Chef der Essener Philharmoniker wird. Nach Informationen dieser Zeitung soll der Italiener Andrea Sanguineti bei der Aufsichtsratssitzung der Essener Theater und Philharmonie (TuP) am Donnerstag, 22. September, zum künftigen Essener Generalmusikdirektor gewählt werden. Dem Vernehmen nach ist der 39-Jährige der einzige Kandidat, den die Findungskommission vorschlägt.
Im November wird der künftige GMD die Premiere der Oper „Lucrezia Borgia“ dirigieren
Sanguineti ist kein Unbekannter am Pult der Essener Philharmoniker. Am Aalto-Theater dirigierte er bereits „Carmen“, „La Bohème“ und „Der Nussknacker“ und leitete die Premieren von „Dornröschen“ sowie „Dido and Aeneas“. Beim Neujahrskonzert der Essener Philharmoniker stand er in diesem Jahr ebenfalls am Pult. Im November soll der Italiener im Aalto-Theater dann die Premiere der Donizetti-Oper „Lucrezia Borgia“ dirigieren.
In den Reihen des Orchesters dürfte die Wahl Sanguinetis dem Vernehmen nach auf breite Zustimmung stoßen. Vor allem im Opernbereich kann der 39-jährige Dirigent dabei bereits große Erfahrungen vorweisen. Sein weitgefächertes Repertoire reicht von der Operette über die italienische Oper von Rossini bis Puccini bis hin zu den deutschen Musikdramen von Richard Wagner und zeitgenössischem Musiktheater. Auch auf den Konzertbühnen hat Sanguineti bereits Meriten gesammelt, neben den Essener Philharmonikern arbeitete der aufstrebende Dirigent zuletzt auch mit den Münchner Symphonikern.
Andrea Sanguineti gastiert regelmäßig an bedeutenden europäischen Opernhäusern
Leitungserfahrung bringt Sanguineti aus Sachsen mit. Von 2013 bis 2018 war der gebürtige Genuese Chefdirigent der Neuen Lausitzer Philharmonie und Generalmusikdirektor am Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau. In den vergangenen Jahren hat er an verschiedenen europäischen Opernhäusern zudem etliche Neuproduktionen und Wiederaufnahmen geleitet. Als Gastdirigent war Sanguineti unter anderem an der Staatsoper Hannover, an der Oper Lissabon, dem Nationaltheater Mannheim, beim RSO Radio Symphonie Orchester Wien und beim Beijing Music Festival in China anzutreffen.
Studiert hat Sanguineti Klavier und Komposition am Konservatorium seiner Heimatstadt Genua, und anschließend Dirigieren an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien wie auch am Mailänder Konservatorium „Giuseppe Verdi“. Mit nur 23 Jahren machte er dort als einer der jüngsten Nachwuchstalente im Fachbereich Orchesterdirigieren sein Diplom. Sein Debüt in Deutschland gab Andrea Sanguineti im Jahre 2008 am Pult des Staatsorchesters Hannover, wo er zum Kapellmeister berufen. 2011 wurde Sanguineti zum 1. Kapellmeister und stellvertretenden Generalmusikdirektor am Mainfranken Theater Würzburg bestimmt.
Hannover, Würzburg, Görlitz, Essen: Die Stationen des künftigen GMD
Wenn der Aufsichtsrat der TuP die Verpflichtung Sanguinetis am Donnerstag wie erwartet absegnet, sollen weitere Details zur Vertragsgestaltung bekannt werden. Spannend dürfte vor allem sein, welche Anwesenheitspflicht man mit dem jungen, ehrgeizigen Generalmusikdirektor für die kommenden fünf Jahre vertraglich vereinbart hat. Dass der amtierende GMD Tomáš Netopil nur für einen begrenzten Zeitraum im Jahr und ein bestimmtes Kontingent an Konzerten und Opernvorstellungen nach Essen kommt und man bewusst auf eine größere Anzahl von Gast-Dirigenten gesetzt hat, wurde nicht überall als ideale Lösung angesehen. Eine Dauerpräsenz, wie sie der unlängst verstorbene Essener Generalmusikdirektor Stefan Soltesz am Pult der Essener Philharmoniker praktiziert hat, dürfte im Essener Konzertwesen allerdings der Vergangenheit angehören.