Bochum. Viel gelobt und bereits zweimal ausgezeichnet: Die Bochumer Autorin und Lehrerin Annika Büsing sorgte mit ihrem Debüt „Nordstadt“ für Furore.
Was für ein Debüt! Direkt mit ihrem ersten Roman „Nordstadt“ sorgte die Bochumer Autorin Annika Büsing für Furore in der Literaturszene. Das Presseecho ist groß, die Kritikerstimmen überschlagen sich. Im Herbst erhielt sie völlig verdient den Literaturpreis Ruhr, vor wenigen Wochen kam auch noch der hoch dotierte Mara-Cassens-Preis hinzu, der wichtigste Debütpreis im deutschsprachigen Raum. „Das sind schon aufregende Zeiten“, sagt die Autorin, die mit diesem Erfolg selbst im Leben nicht gerechnet hätte.
Bemerkenswert ist dies vor allem, weil Annika Büsing die Schriftstellerei als liebgewonnenes Hobby betreibt und nie ernsthaft versucht hat, davon hauptberuflich zu leben. Die Mutter zweier Söhne (10 und 13 Jahre) ist gut ausgelastet, arbeitet als Lehrerin für Deutsch und Religion in Bochum an einem Gymnasium. „Dabei begleitet mich das Schreiben schon mein ganzes Leben“, erzählt sie.
Bei ihrem Roman „Nordstadt“ hatte sie ein bestechend gutes Gefühl
Die meisten Texte verfasste sie allerdings eher für sich selbst und für die Menschen in ihrer nächsten Nähe, statt sie der breiten Öffentlichkeit zu zeigen. „Ich habe nie verstanden, warum von einem Autor immer erwartet wird, dass er sofort alles veröffentlichen soll“, sagt sie. „Wer ein Instrument lernt und anfängt, Klavier zu spielen, tritt auch nicht gleich im Konzertsaal auf.“https://www.waz.de/kultur/frank-goosen-und-jan-weiler-literaturgala-in-der-werk-stadt-id236444389.html
Bei ihrer letzten Geschichte hatte sie allerdings gleich ein bestechend gutes Gefühl: „Ich habe sofort gemerkt, das könnte etwas sein. Ich weiß nicht, warum.“ Auf gut Glück steckte sie die Manuskripte in Umschläge und schickte sie an diverse renommierte Verlage, was sie vorher noch nie getan hatte. „Man rechnet natürlich nur mit Absagen, doch plötzlich meldete sich einer. Ich konnte es kaum glauben.“
Der Roman erzählt eine berührende Liebesgeschichte
Beim Steidl-Verlag in Göttingen, bei dem schon Günter Grass seine Bücher verlegte, konnte Annika Büsing ihren Erstling an den Start bringen. „Nordstadt“ ist ein eher schmales Büchlein.
Auf rund 120 Seiten erzählt sie darin eine wunderbar berührende Liebesgeschichte zwischen der jungen Nene, die als Bademeisterin in einem Schwimmbad arbeitet, und dem an Kinderlähmung erkrankten Boris. Mit wie viel Wärme und Sympathie die Autorin ihr ungewöhnliches Pärchen und auch die schwierige Beziehung zu Nenes Halbschwester Alma beschreibt: Das hat man lange nicht gelesen.
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Dabei geht Büsing durchaus selbstbewusst zu Werke. Gleich der erste Satz lässt aufhorchen: „Ich liebe dich.“ Manch andere Autoren würden um solch einen Einstieg einen weiten Bogen machen. „Bei meinen ersten Lesungen habe ich deswegen meistens mit dem zweiten Kapitel begonnen, um genau diesen schweren Satz zu vermeiden“, sagt sie. „Aber mittlerweile gehe ich da recht locker mit um.“
Beobachtungen an der Kasse im Supermarkt
Trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen ist Annika Büsing eine Autorin mit Leib und Seele, die dauernd damit beschäftigt ist, neue Figuren und Geschichten zu erfinden. „Schreiben ist ein total schöner Prozess, der mir eine große Freiheit gibt“, sagt sie. „Und es begleitet mich überall hin. Wenn ich im Supermarkt in der Schlange stehe, beobachte ich oft die Leute und frage mich: Wo kommt der eine wohl her? Was macht er gerade? Ist er wohl glücklich?“
Dabei zeichnet „Nordstadt“ aber nicht nur eine genaue Zeichnung der Figuren aus. Büsing beschreibt auch sehr genau das Leben im ärmeren Norden der Stadt im Vergleich zum privilegierten Süden. Sie lässt bewusst offen, in welcher Stadt genau ihr Roman spielt. „Das könnte im Ruhrgebiet genauso gut sein wie in Berlin.“
Und ihr nächster Roman „Koller“, der im Februar erscheinen soll? „Er wird schon deutlich anders werden als mein Erstling, aber ich werde jetzt garantiert keinen Krimi schreiben.“