Neu im Kino: eine Fabel mit Esel, Neues vom Action-Kater in Stiefeln und die opulent ausgestattete Balzac-Verfilmung „Verlorene Illusionen“.
„Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch“
Zu viele Abenteuer fordern nun ihren Tribut. Nach einem jüngsten Missgeschick in Folge von Übermut ist dem gestiefelten Kater nur noch eines seiner neun Katzenleben übrig geblieben. Und weil der Tod in Gestalt eines bösen Wolfs auch schon an der Tür klopft, macht sich der Kater auf die Suche nach dem mythischen letzten Wunsch. Unterwegs trifft er auf Klaukatze Kitty, den kleinen Hund Perro, die Diebin Goldlöckchen, ihre Bärenfamilie und den verbrecherischen Sammler Jack Horner, die es auch alle nach dem „Wunsch“ gelüstet.
Ein ziemlich wildes Abenteuer, bei dem sich immer wieder neue Allianzen einstellen, je nachdem, wem welche Partnerschaft nutzt. Was kein schlechtes Fundament ist für ein Märchen über Freundschaft und andere wahre Werte im Leben.
Der Rahmen dafür ist eine geschwätzige Fantasy-Kirmes im erprobten Stil der 3D-Animationsschmiede DreamWorks („Shrek“, „Madagaskar“ und „Drachenzähmen“). Das bedeutet, dass viel zu viel gequasselt wird, und dass einem die Bilder in aberwitziger Rasanz und reißerischer Spannungsführung auf die Augen prasseln. Für kleine Kinder ist das nicht zu empfehlen, aber jenseits der 12 gibt es viel zu erleben – und Benno Führmann spricht den Kater mit hinreißend verlebter Stimme.
„Verlorene Illusionen“
Druckergehilfe Lucien (Benjamin Voisin) unterhält eine romantische Beziehung zur Adligen Louise (Cecile de France). Als sie verarmt nach Paris übersiedelt, folgt er, um Dichter zu werden. Er wird Journalist im Haifischbecken des erblühenden Zeitungswesens am Ende der ersten Republik.
Honoré de Balzacs Romanvorlage erfährt eine opulent kostümierte Verfilmung (Regie: Xavier Giannoli) mit viel Starauftrieb (u.a. Vincent Lacoste, Gerard Depardieu, Jeanne Balibar) in den Nebenrollen und allerlei Gehässigkeiten in Dialog und Handlung.
Regie und Drehbuch lockern das historische Kasperletheater geschickt mit Verweisen auf heutige Medienregeln und gesellschaftliche Codes mit Blick auf Mode und andere Statussymbole auf. Das Geschehen entfaltet sich folgerichtig weit unbeschwerter als bei einer Adaption nach Emile Zola, aber es fehlt der dramatische Biss eines Victor Hugo oder die Liebe zum Abenteuer wie bei Alexandre Dumas. Im Kinokosmos der Superhelden ist das aber allemal eine belebende Alternative für Leute, die mehr als Sprechblasen erwarten.
„Eo“
Eo wird wegen einer neuen Tierschutzverordnung erst einem Pferdegestüt überantwortet, danach einem Bauernhof. In einer Begegnung mit seiner früheren Dompteurin erlebt er ein letztes großes Glück. Fortan streift der Esel als Beobachter menschlicher Eingriffe in die Natur durch Land und Stadt, trifft auf Zärtlichkeit und rohe Gewalt. Ein junger Lebemann nimmt ihn mit auf ein Landgut in Italien. Ein letztes Mal wählt Eo die Flucht in die Freiheit.
Mit 84 Jahren zeigt sich der polnische Filmautor Jerzy Skolimowski („Deep End“) auch in seinem neuen Film der Synthese aus Realismus und Symbolik zugetan. Musik und Tongestaltung laden jedes Bild mit einer kaum auszuhaltenden emotionalen Wucht auf, wenn der drollige Esel mit den Niederträchtigkeiten der menschlichen Natur konfrontiert wird.
Dabei steuert Skolimowski einen Schlingerkurs zwischen aufwühlender Fabel und satirisch überhöhtem Gesellschaftsspiegel. Politisch prangert er eine Welt der Abhängigkeiten an, in der die Schwächeren schamlos ausgenutzt werden.
Farblich explodierende Traumsequenzen und surrealistische Verfremdungseffekte (Gummilinsen) beleben das Bild, die Botschaft dagegen gerät zusehends plump, wenn sich in einer Pfütze ein Windrad spiegelt, und dann der Kadaver eines Vogels in ebendiese Pfütze stürzt.
Am Ende erinnert sich Skolimowski auch noch seiner Zeit im dekadenten Skandalfilm westeuropäischer Prägung, wenn er die ewig dem Alter abholde Isabelle Huppert als heuchlerische Gräfin in die Arme ihres Stiefsohns sinken lässt. Das aber ist bloß greller Tand für Erwachsene. Zu Herzen geht nur der Esel.