Hier der Berlinale-Sieger „Bad Luck Banging and Loony Porn“ als zähe Provokation, dort eine erneute Enttäuschung von François Ozon: „Sommer ‘85“.

„Bad Luck Banging and Loony Porn“

Eine Skizze für einen Heimatfilm, so ordnet der rumänische Filmautor Radu Jude zu Anfang seine satirische Zustandsbeschreibung ein. Es wird nicht nur eine Abrechnung mit Korruption und Doppelmoral sein, sondern auch eine Bestandsaufnahme für kulturellen und moralischen Sittenverfall in der modernen Gesellschaft. Der Film eröffnet mit einer dreiminütigen Amateur-Kopulation, wobei sich das Paar selbst filmt. Wer sich davon abgestoßen fühlt, sei versichert, dass das Schlimmste bewältigt ist.

Im ersten Kapitel des Films sehen wir die Frau aus dem Privatporno bei Besorgungen in Bukarest. Sie ist empört darüber, dass der Film ins Internet hochgeladen wurde. Das zweite Kapitel des Films nennt sich „Lexikon“ und stellt eine Collage Begriffen, verbalen Umschreibungen und assoziativen Bildern dar. Das ist bisweilen entwaffnend geistreich und witzig, bisweilen auch nicht und zieht sich. Das letzte Kapitel, als „Sitcom“ in Szene gesetzt, zeigt wieder die Lehrerin Emilia (Katia Pascariu), die am Abend von der Schulleitung vor eine Elternkommission geladen wurde. Hier wird sie mit allen Klischees, Vorurteilen und Rollenzuweisungen konfrontiert, die als „Volkes Stimme“ und Stammtischparolen gelten. Am Ende verwandelt sie sich in Wonder Woman und vergewaltigt alle Heuchler mit einem Dildo.

Bevor es dazu kommt, hat Radu Jude seinen Film noch als Scherz demaskiert. Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale zeigte die Jury sich davon derart beeindruckt, dass der Film den Goldenen Bären als bester Film zugesprochen bekam. In den ersten Kapiteln erreicht er in guten Momenten die subversive Provokation eines Luis Buñuel oder Dusan Makavejev, im letzten Teil bietet er immerhin gefällig plakatives Boulevardtheater im Kielwasser von „Der Gott des Gemetzels“ und „Frau Müller muss weg“. Die Doppelmoral eines seelisch verkommenen Bürgertums wird hier mit dickem Pinselstrich gezeichnet, ohne dass die Position gesellschaftskritisch wäre. Jude Radu sieht seine Feinde überall.

„Sommer 85“

Der Franzose François Ozon avancierte in den Nullerjahren mit Filmen wie „Unter dem Sand“ und „Der Swimmingpool“ zum Lieblingskind der Feuilleton- und Festivalzirkel. Die meisten Filme danach blieben hinter der Erwartungshaltung einer nach immer neuen Skandalen und Meisterwerken gierenden Kinogemeinde zurück. Heute genießt er ähnlichen Status wie ihn Woody Allen und Kim Ki-Duk hatten; jedes Jahr ein neuer Film, aber keine Bugwelle mehr.

Das gilt auch für Ozons jüngste Arbeit „Sommer 85“, eine schwule Freundschaftsgeschichte zwischen zwei ungleichen Jungs in einem Badeort am Atlantik. Ozon zelebriert die Liebelei mit tragischem Ausgang als filmische Fingerübung mit ständig wechselnden und nicht immer geschmackvollen Stilwechseln.

Immerhin hat er mit Félix Lefebvre und Benjamin Voisin zwei vielversprechende Talente für die Hauptrollen aufgetan, und ganz nebenbei lässt er anklingen, dass er Thriller oder Komödie locker bedienen könnte, wenn ihm daran gelegen wäre. Sein Film ist ein unterhaltsamer Jugendroman.

Warum nur hat man schon wieder mehr erwartet?