Gelsenkirchen. Das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen lässt Laien bei „Tanz.Mit“ mit Profis tanzen. Wie das funktioniert – und wie es sich anfühlt.
„Mehr Artikulation von den Füßen! Pelvic! Pelvic!“ Klingt wie Regieanweisungen im Schmuddelfilmmilieu, aber Giuseppe Spota hat anderes im Sinn. Der Mann ist Direktor der Dance Company am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier. So einer muss seinen Leuten normalerweise nicht sagen, wie ihre Füße zu artikulieren, ihre Becken zu kreisen haben.
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Heute ist alles anders, an diesem frostigen Samstagabend um halb sechs. Im kühlweißen Ballettsaal mit dem schwabbeligen Gummiboden schauen sich heute keine Profitänzer in der großen Spiegelwand an. Sondern Amateure: Besucher von „Tanz.Mit“. Das Musiktheater startet an diesem Samstag seine neue Reihe, Laien können Profis auf die Füße schauen und selbst mittanzen. Was man braucht? „Bequeme Kleidung und Neugier“. Tänzerische Vorkenntnisse? Nein!
„Tanz.Mit“ in Gelsenkirchen: tänzerisch Stollen backen.
Also stehen sie da: 20 Menschen – einige Männer, mehr Frauen – in ihren schönsten Jogginghosen und auf den (erwünscht) rutschigsten Socken, die der Kleiderschrank hergab. Giuseppe Spota will „einen Stollen backen“. Tänzerisch, versteht sich. Der drahtige Mann aus Bari schleppt imaginäre Mehlsäcke in die Küche, ein Ausfallschritt auf jeder zweiten Zählzeit. Erste Erkenntnis: Für Tänzer hat ein normaler Takt acht Schläge, nicht vier. In einen Stollen gehören Rosinen, und wer Rosinen ernten will, muss Reben pflanzen. Gepflückt wird tänzerisch im Plié, einer Ballettposition. Stellen Sie sich einfach vor, sie würden auf der Bahnhofstoilette ungern die Brille berühren: Das in ästhetisch, und Sie haben ein Plié.
Am Ende ist der Stollen tatsächlich fertig. Essbares springt für die Teilnehmer nicht dabei heraus, dafür – vielleicht bedeutsamer noch – eine Erkenntnis: Wie schön und erfüllend es sein kann, Sorgen über eine Blamage beim unbeholfenen Tanzen über Bord zu werfen und einfach mal zu machen – sicherlich auch eine nützliche Lektion für andere Lebensbereiche.
Locker und unbefangen
„Das hat Spaß gemacht, so locker und unbefangen zu tanzen“, sagt Andrea, Matthias ist regelrecht „überwältigt“ von der Tanzstunde. Weil er „die Tänzer bewundert“ hat er teilgenommen. „Das Thema Tanz interessiert mich sehr, und das ist eine super Möglichkeit, sich da weiterzubilden. Wir haben jetzt eine Stunde für eine Choreographie gearbeitet, die ein paar Minuten lang ist. Da kann man sich ungefähr vorstellen, was die Profis für einen Aufwand betreiben, um einen ganzen Abend zu füllen.“ Wie schön die Stunde war, müsse man ja nicht in die Zeitung schreiben, schmunzelt er, „sonst ist der nächste Termin direkt ausgebucht.“ Ups.
Giuseppe Spota freut sich jedenfalls über die euphorische Resonanz auf sein „Tanz.Mit“. Über seine Choreographie hat er sich schließlich auch eine Menge Gedanken gemacht. „Was für uns simpel ist, ist für Nicht-Tänzer kompliziert. Also muss man einen Weg finden, die Idee umzusetzen, mit ganz natürlichen Bewegungen. Die Idee ist zuerst da, dann müssen wir die Musik finden und die Choreographie.“ Etwas „in Tanz übersetzen“ nennt Giuseppe Spota das. Die 20 glücklichen Menschen, die am Samstagabend aus dem Ballettsaal gehen, haben seine Sprache verstanden.
>> HIER GIBT ES KARTEN FÜR „TANZ.MIT“
- Die nächsten Termine für „Tanz.Mit“ im Musiktheater im Revier stehen schon fest. An zwei Samstagen, 21. Januar und 25. Februar, und am Freitag, 24. März, lädt die Dance Company wieder ein.
- Die Teilnehmer treffen sich jeweils um 17.20 Uhr an der Bühnenpforte neben dem Theater am Kennedyplatz.
- Karten für acht Euro gibt es im Internet unter musiktheater-im-revier.de. Die Reihe „Tanz.Mit“ richtet sich ausdrücklich an erwachsene Tanzfans. Die Teilnehmer brauchen keine Vorkenntnisse, nur bequeme Kleidung.