Dortmund. Ab 16 in die Oper? Das jüngste Werk am Dortmunder Opernhaus hat das Zeug, auch Jüngere zu gewinnen. Eine Kritik der Uraufführung „Mädchen in Not“.

Ein mutiges Unterfangen, Anne Leppers skurril überdrehte Tragikomödie „Mädchen in Not“ als Oper zu präsentieren. Und das auch noch als Jugendoper für junge Menschen ab 16. Doch mangelnde Risikobereitschaft konnte man der „Jungen Oper Dortmund“ noch nie vorwerfen. Und die Vertonung des geschickt eingerichteten Librettos von Paula Fünfeck durch den 31-jährigen Komponisten Michael Essl erwies sich bei der heftig bejubelten Uraufführung als Erfolg.

Als kleinbesetztes Vierpersonenstück mit einem siebenköpfigen Instrumentarium stieg man dafür in den „Keller“ des Dortmunder Opernhauses, in das zum „Operntreff“ umgestaltete ehemalige Theater-Café. Damit rückte das Geschehen den überwiegend jungen Besuchern zum Greifen nahe, was auch der Textverständlichkeit zugutekam. Zumal Essl ohnehin auf allzu exponierte Höhenflüge verzichtet und sich eher an dem flotten Parlando-Stil des Textes orientiert. Inhaltlich trifft das Stück den Nerv aller Altersgruppen: „Baby“ hat die Nase von der Bevormundung durch Männer, Familie und Gesellschaft voll und sucht ihr Heil in einer Puppe, die nichts sagt und nichts tut, außer ihren Wünschen zur Verfügung zu stehen. In Erinnerung an ihre gleich zwei ehemaligen Liebhaber wünscht sie sich eine zweite Puppe und die abgelegten Galane schlüpfen in die Rollen der Puppen. Ihre frustrierte Freundin Dolly möchte von dem Glücksspender-Duo profitieren, worauf es zu blutigen Konflikten kommt, unter anderem mit den „Puppen“, die das letztlich enttäuschte „Baby“ zu zerfleischen versucht.

Dortmund: Michael Essl macht aus Anne Leppers „Mädchen in Not“ eine gefeierte Oper

Ein wenig Dada und „absurdes Theater“ spuken durch die Handlung, aber auch menschliche Grundprobleme auf der Suche nach persönlichem Glück und Selbstbestimmung. Regisseur Sybrand van der Werf siedelt die Handlung in ein pinkfarbenes Szenario aus dem Barbie- und Influencer-Milieu an, beherrscht von einem überdimensionalen Bett (Ausstattung: Emine Güner). Musikalisch bedient sich Michael Essl für seine durchgängig quirlige Vertonung vieler Parameter der zeitgenössischen Musik, durchsetzt mit Zitaten von Mozart bis Strawinsky, alles ohne abschreckende Extreme. Olivia Lee-Gundermann sorgt mit einem Septett der Dortmunder Philharmoniker für eine entsprechend vital klingende Folie.

Große Spielfreude, hohes Niveau, viel Beifall

Mit engagierter Spielfreude garantieren die vier auf hohem Niveau agierenden Gesangssolisten 75-minütige Kurzweil. Zu nennen sind hier Wendy Krikken als „Baby“, Natascha Valentin als Dolly sowie Daegyun Jeong und Marcelo de Sousa Felix als männliche Gespielen. Mitglieder der „Bürger*innenoper“ skandieren hinter der Bühne die Einwürfe ominöser „Freunde des Verbrechens“.

Viel Beifall für ein Stück, das, mit entsprechender Vorbereitung, Chancen hat, auch von der angesprochenen jungen Zielgruppe ab 16 Jahren verstanden zu werden.

Die nächsten Aufführungen im Dortmunder Opernhaus: am 20. und 21. Dezember, am 20. und 24. Januar sowie im März und der nächsten Spielzeit. (Karten-Telefon: 0231/502 72 22; www.theaterdo.de).